E-Book, Deutsch, 156 Seiten
Sinn² - Die barrierefreie Zwei-Sinne-Fahrgastinformation
E-Book, Deutsch, 156 Seiten
ISBN: 978-3-7528-0924-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Stefan Tritschler war nach seinem Studium mehrere Jahre Mitarbeiter des Instituts für Eisenbahn- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart und wechselte 2007 an die VWI Stuttgart GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter er heute ist. Seine inhaltlichen Schwerpunkte liegen im Bereich von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von Verkehrsprojekten, Verkehrsfinanzierung, Verkehrsplanung im schienen- und straßengebundenen ÖPNV, Verkehrsmodellen, Verkehrsprognosen sowie Verkehrsleit- und Informationssystemen im ÖPNV. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert er sich seit 2008 als Lehrbeauftragter der Universität Stuttgart.
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2 Stand der Technik
2.1 Barrierefreiheit durch mobile Anwendungen
Der Bedarf nach Methoden zur Einbindung von Personen mit Einschränkungen in den ÖPNV wurde bereits in der Vergangenheit erkannt. Dabei wurden früh Maßnahmen zur Erweiterung der vorhandenen Infrastruktur entwickelt, um Barrierefreiheit herzustellen. Während diese bei neu angelegten Haltestellen schon in der Planungsphase mitberücksichtigt werden können, gestaltet sich die Nachrüstung bestehender Infrastrukturen hierbei jedoch deutlich schwieriger. Zudem benötigt die Mehrheit dieser infrastrukturgebundenen Lösungen eine Anbindung an das Stromnetz, damit beispielsweise Anzeiger mit Vorlesefunktion überhaupt betrieben werden können. Dies kann insbesondere in ländlichen und abgelegenen Gebieten zu nicht zu vernachlässigendem Aufwand bei der Aus- beziehungsweise Umrüstung von Haltestellen führen. Die schnelle Verbreitung und Akzeptanz von Smartphones, gepaart mit der sich stets verbessernden Leistungsfähigkeit dieser Geräte zeigte schnell, dass im Bereich mobiler Geräte ein hohes Potential vorhanden ist. Mithilfe von Anwendungen (Apps), die speziell für Smartphones entwickelt wurden, können ohne Anschaffung zusätzlicher Ausrüstung oder Durchführung kostspieliger Baumaßnahmen breitflächig Lösungen zur Fahrgastinformation implementiert werden. Da diese Geräte aufgrund neuartiger, durch den für Smartphones typischen Touchscreen möglich gewordene Bedienformen auch unter sehbehinderten Personen weite Verbreitung finden, liegt der Gedanke nahe, diese in Ansätze zur Verbesserung der Barrierefreiheit mit einzubinden. Im Folgenden werden diesbezüglich einige Projekte vorgestellt, deren Ziel es ist unter Verwendung von mobilen Geräten die Barrierefreiheit im ÖPNV zu verbessern. 2.2 Soester BusGuide / Ivanto App
Das Ziel des Soester BusGuide bzw. der Ivanto App der GeoMobile GmbH (vgl. Ivanto 2017) besteht darin, den Benutzer über seine gesamte Fahrt zu begleiten und ihn dabei mit einer Vielzahl von Informationen und Funktionen zu unterstützen. Um dies zu realisieren, werden von der GeoMobile GmbH eigens entwickelte Bluetooth Module eingesetzt, die an Infrastruktur und in Fahrzeugen verbaut werden. Dadurch ist es der Ivanto App möglich eine direkte Verbindung zwischen Infrastruktur, Fahrzeug und Smartphone herzustellen und über diese Informationen auszutauschen, woraus sich neue Einsatzmöglichkeiten ergeben. Abbildung 4: Soester BusGuide (Bildquelle: GeoMobile GmbH, www.ivanto.de) Neben der Übertragung der üblichen Informationen zu Linienverläufen, Verspätungen und weiteren Informationen ist es beispielsweise einem einfahrenden Fahrzeug möglich, sich direkt gegenüber den Fahrgästen an einer Haltestelle zu identifizieren und auf dessen Linie und Fahrtrichtung hinzuweisen. Fahrgäste werden im Fahrzeug stets über den aktuellen Fahrtverlauf informiert und können so von der Ivanto App rechtzeitig darauf hingewiesen werden, wenn eine Haltestelle angefahren wird, an der der Fahrgast aussteigen muss. Da die Verbindung in beide Richtungen funktioniert, können zudem Funktionen wie das Anmelden eines Haltewunsches, direkt über das Smartphone erfolgen. Da über Bluetooth außerdem eine Positionsbestimmung über kurze Distanzen möglich ist, ermöglichen die verbauten Bluetooth Module eine Führung des Benutzers mithilfe der Ivanto App. So können beispielsweise an Haltebuchten oder Gleisen einer Haltestelle jeweils individuelle Module angebracht werden, die anschließend vom Mobilgerät angesteuert werden können. Aufgrund der direkten Verbindung zwischen Modulen und Mobilgerät, ist diese Art der Navigation auch problemlos an unterirdischen Haltestellen oder in Gebäuden realisierbar. Fahrzeugseitig bietet die Ivanto App ein Tür-Finde-Signal an, über welches dem Benutzer die genaue Position der Ein- bzw. Ausstiege angegeben wird. Die Ivanto App bietet eine Vielzahl nützlicher Zusatzfunktionen für sehbehinderte und blinde Menschen an. Dabei können viele dieser Funktionen jedoch lediglich mithilfe der zusätzlich verbauten externen Bluetooth Module umgesetzt werden. 2.3 DyFIS-Talk
Die DyFIS-Talk-App (vgl. LUMINO 2017) der Firma LUMINO Licht Elektronik GmbH aus Krefeld soll die von den in der Infrastruktur verbauten dynamischen Informationsanzeigern angebotenen Informationen auch barrierefrei über das Smartphone zur Verfügung stellen. Zu den angebotenen Funktionen gehören insbesondere die Anzeige von Abfahrtszeiten an Haltestellen und der dazugehörigen Linienverläufe. Um Barrierefreiheit zu erreichen, kann in der App ein eigener Vorlesemodus aktiviert werden, der die auf dem Bildschirm angezeigten Informationen akustisch wiedergibt. Um Konflikte zu vermeiden, wird der Vorlesemodus automatisch deaktiviert, wenn eine vergleichbare Bedienungshilfe des Betriebssystems aktiviert ist. Abbildung 5: DyFIS-Talk
(Bildquelle: LUMINO Licht Elektronik GmbH, www.lumino.de) Ähnlich zum Ansatz der Ivanto App unterstützt auch LUMINO die Verwendung eigener Bluetooth Beacons (kleine Sender oder Empfänger, die auf der Bluetooth Low Energy (BLE) oder auch Bluetooth Smart Technologie basieren). Bewegt sich ein Mobilgerät in Reichweite eines solchen Beacons, kann über DyFIS-Talk eine vordefinierte automatische Ansage ausgelöst werden. Hierdurch können beispielsweise Zugänge zu verschiedenen Gleisen für Sehbehinderte und Blinde markiert werden. Solange sich ein Mobilgerät in Reichweite eines Beacons befindet, können zudem dynamisch Infotexte vorgelesen werden, die den Benutzer über Veränderungen an der lokalen Situation informieren. Die Benutzung der Zusatzfunktionen in Form dynamischer lokaler Ansagen benötigt hierbei ebenfalls die Nachrüstung der Infrastruktur mit externer Hardware. Eine Navigation über die Bluetooth Beacons ist hier nicht vorgesehen. 2.4 easy.GO
Die easy.GO App des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes GmbH (vgl. MDV 2017) bietet umfangreiche Funktionen zur Fahrgastinformation und zum online Ticketkauf an. Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass sie im Vergleich zu Apps anderer Verkehrsunternehmen über eine spezielle Sehbehindertenansicht verfügt, die über das Optionsmenü aktiviert werden kann. Abbildung 6: easy.GO
(Bildquelle: Mitteldeutscher Verkehrsverbund GmbH, www.mdv.de) Ist die Sehbehindertenansicht aktiviert, wird die Bildschirmanzeige durch eine Hochkontrastdarstellung in Schwarz-Weiß mit großen, untereinander angeordneten Schaltflächen zur erleichterten Bedienung ersetzt. Diese Ansicht eignet sich besser für die Verwendung von Vorlesefunktionen, als andere in vergleichbaren Apps anzutreffende Designs. Außerdem werden Funktionen, die für die Verwendung mit Vorlesefunktionen nicht geeignet sind, bereits im Menü ausgeblendet. Im Gegensatz zu den bisherigen Projekten greift die easy.GO App nicht auf zusätzliche externe Hardware zu und stellt aus diesem Grund auch nur die heutzutage üblicherweise von vergleichbaren Apps angebotenen Fahrgastinformationen zur Verfügung. Die Sehbehindertenansicht verbessert das Zusammenspiel von App und Bedienungshilfe mit Vorlesemodus deutlich, wobei die von der App angebotenen Funktionalitäten nicht mit auf die Bedürfnisse sehbehinderter und blinder Menschen angepasst werden. 2.5 aim4it
Als Zusammenarbeit der Wiener Linien GmbH &Co. KG, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., der Poznan University of Technology (Posen), der Bergischen Universität Wuppertal, der Fluidtime Data Service GmbH, INIT GmbH, Matrixx IT Services GmbH, Mentz GmbH und SignTime GmbH hatte das Projekt aim4it das Ziel eine integrative und faire Nutzung des öffentlichen Verkehrs für alle Gruppen der Gesellschaft voranzutreiben (vgl. BMVIT 2017). Dabei wurde ein besonderer Fokus daraufgelegt, Planung und Ablauf einer Reise barrierefrei zu gestalten. Hierzu wird in der Planungsphase anhand der Angaben des Benutzers die einschränkungsfreieste Reisekette ermittelt und dem Benutzer dargestellt. Sehbehinderte werden dabei durch den Text-to-Speech-Kanal (Bedienhilfe des Betriebssystems) unterstützt. Darüber hinaus enthält die App auch eine Avatar-Darstellung, die Ansagen für Gehörlose in Gebärdensprache darstellt. Start und Ziel können für die Reise fest in der App hinterlegt werden. Treten während der Reise Störungen auf, so erhält der Fahrgast eine Meldung und es werden ihm automatisch auf seine Bedürfnisse abgestimmte Alternativrouten vorgeschlagen. 2.6 Blindeninformationssystem BLIS
Das Gemeinschaftsprojekt BLIS (vgl. BLIS 2005) des Konsortiums Dresdner Verkehrsbetriebe AG, APEX GmbH und Siemens VDO Automotive bezog sich im Gegensatz zu den vorherigen Projekten nicht auf die Nutzung von Smartphones. Stattdessen verwendet der Benutzer einen Sender der entweder in Form einer kleinen Fernbedienung vorliegen kann oder in den Griff des Blindenstocks...