Treitler | Vierzig Jahre Theologie - Auszug in die Wüste | Buch | 978-3-9501814-5-6 | sack.de

Buch, Deutsch, 402 Seiten, Format (B × H): 139 mm x 202 mm, Gewicht: 465 g

Treitler

Vierzig Jahre Theologie - Auszug in die Wüste

Erinnerungen und Reflexionen

Buch, Deutsch, 402 Seiten, Format (B × H): 139 mm x 202 mm, Gewicht: 465 g

ISBN: 978-3-9501814-5-6
Verlag: Achinoam Verlag


An diesem Buch wurde in den vergangenen acht Jahren gearbeitet. Es entstand neben dem Werk "Jesus, Josefs Sohn. Der Messias als Tor des Bundes", das den wissenschaftlich-monografischen Schlussstein von vierzig Jahren Theologie an der Universität Wien bildet. Teil 1: Erinnerungen blickt auf Etappen dieser vierzig Jahre ununterbrochenen theologischen Arbeitens an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien zurück und lässt den Weg in eine Wüste erkennen, von dem in Teil 2: Reflexionen wesentliche Momente seiner Spuren und Gründe gefasst sind.
Der Exodus in die Wüste verspricht viel mehr an Befreiung als an Trübsal. In der Reduktion lässt sich ah-nen, worauf alles zielte, was doch nie unmittelbar trug und dennoch aufrecht hielt.
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Anfang Jänner 1991 flog ich an einem diesigen Spätnachmittag mit meinem Fahrrad über die Motorhaube eines Fiat Uno, dessen Fahrer genau in dem Augenblick, als ich im 16. Wiener Gemeindebezirk entlang der Schnellbahntrasse hinter einer Reihe von vier oder fünf Autos gefahren kam, nach dem letzten Auto nach links abbog und mich übersah. Dem Sturzhelm verdankte ich, dass ich keine Kopfverletzungen davontrug. Doch ein schwerer Peitschenschlag lähmte kurz meinen Atem, wie ein Erstickender rang ich nach Luft, ehe der Fahrer, ein praktischer Arzt, zu mir kam und mich fragte, wie es mit ginge. Passanten räumten das Rad zur Seite, der Arzt half mir auf die Beine, führte mich zu seinem Auto, öffnete die rechte Hintertür und unterstützte mich, damit ich irgendwie auf der hinteren Sitzbank Platz finde. Mehr lag ich, als dass ich sitzen konnte, und weil meine Knie ein wenig über die Seitenöffnung des Autos ragten und der Arzt mich mit offener Tür nicht transportieren konnte, drückte er diese zu. Da kamen brennende Schmerzen von den wunden Knien her auf, ich begann zu zittern, während der Arzt vorne einstieg und zu fahren begann. Dabei griff er mit seiner rechten Hand immer wieder nach hinten, versuchte mich durch kreisende Bewegungen auf der Brust zu beruhigen, fragte mich immer wieder, wie es mir gehe, und sagte, er habe mich nicht gesehen, es täte im leid und er bringe mich nun ins Wilhelminenspital.
Dort angekommen, zog man mir das feuchte Radgewand ab und legte mich auf ein Bett, abgedeckt mit einer Aluminiumdecke, unter der ich weiter und weiter zitterte und weinte, während durch den ganzen Körper die Schmerzen ihre Spuren zogen. Eine halbe Stunde später ging eine rundliche Krankenschwester missmutig ans Werk und reinigte mit einer groben Bürste meine offenen Wunden an den Knien, das Desinfektionsmittel und die harten Kunststoffborsten waren kaum ertragbar, ich wimmerte und fiel in eine Art lebensmüder Resignation, während die Krankenschwester Schmutz und kleine Steine aus dem Hautgewebe herausarbeitete. Irgendwann verband sie die offenen Stellen und entließ mich. Ich weiß nicht mehr, wie ich in die Wohnung gekommen bin. Drei Wochen Krankenstand folgten und danach Physiotherapie, die über zehn Wochen auf Beine und Rücken gerichtet war.
Während der Wartezeiten für die Therapie begann eine Lesereise, die bis heute anhält. Mit Franz Werfels Erzählung Der Tod des Kleinbürgers las ich die erste Literatur eines jüdischen Künstlers, den das getroffen hatte, was der Geschichtsunterricht verschwiegen hatte, die kollektive Morddrohung gegen Jüdinnen und Juden und deren Realisierung durch die NS-Politik. Die Erzählung hatte ich Ende 1990 gekauft, ein schmales Bändchen des Reclam-Verlags, das aus Anlass des 100. Geburtstags von Franz Werfel wieder gedruckt wurde. Auf die Titelseite klebte ich eine 5-Schilling-Postmarke ein, die als Sondermarke ebenfalls 1990 ausgegeben wurde, ein nicht besonders gelungenes Portrait Werfels zeigte, golden gerahmt war und die Lebensdaten 1890-1945 im Rahmen oben auswies. Karl Fiala, der biedere Mann, verfällt und stirbt einen langsamen, traumdurchjagten Tod – da war es wieder, das Thema, das sich seit vielen Jahren nicht mehr hatte abschütteln lassen, die gefügig machenden Schläge der Vernichtung, der Suizid meines Klassenkameraden, die Hilflosigkeit angesichts eines Gottes, der nicht und nicht handelte, sondern lediglich den Saturierten und Fetten Sattheit und Fettheit verdoppelte, was sich jedoch auch ohne Gott einstellte, während die Skelette in den KZs vor, während oder nach ihrem Tod auf Wagen geworfen und irgendwo in Löchern verscharrt oder verbrannt wurden und ihre Fragen zurückblieben, die keine Antwort fanden.
Die hier beginnende Lektüre jüdischer Künstler und Künstlerinnen brachte mich jeweils zu den gesamten Lebenswerken, die sie geschrieben hatten oder an denen sie als Zeitgenossen seit Jahrzehnten arbeiteten. (S. 81-84).


Treitler, Wolfgang
geb. 13. April 1961; ao. Professor für Theologische Grundlagenforschung an der Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien; Mitglied des PEN-Clubs, der
Österreichisch-Israelischen Gesellschaft und der Österreichischen Freunde von Yad Vashem.


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