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Trapido | Fliegender Wechsel | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Trapido Fliegender Wechsel

Roman
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-03820-864-8
Verlag: Dörlemann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-03820-864-8
Verlag: Dörlemann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die schlagfertige und modebewusste Londoner Studentin Katherine lernt eher zufällig die Familie ihres Professors Jacob Goldman kennen und ist von Anfang an verzaubert. Während sich Katherine mit seiner ebenso chaotischen wie liebenswerten Frau Jane anfreundet und die ju?ngeren Kinder auf ihre jeweils eigene Art Leben und Musik in den Alltag bringen,bahnt sich eine zarte Affäre zwischen Katherine und dem ältesten Sohn Roger an.Doch der Liebeskummer lässt nicht auf sich warten, und Katherine geht fu?r einige Jahre nach Rom. Dort lässt sie sich mit einem alles andere als umgänglichen Italiener ein und wird schwanger. Nach dem Tod ihrerkleinen Tochter kehrt Katherine am Boden zerstört nach England zuru?ck, wo die Goldmans sie mit unverminderter Herzlichkeit empfangen. Und auch eine neue Liebesbeziehung entsteht, doch diesmal hat sichKatherine fu?r Rogers ju?ngeren Bruder Jonathan entschieden...

Barbara Trapido wurde 1941 in Su?dafrika geboren und zog nach ihrem Studium nach London. Dort arbeitete sie zunächst als Lehrerin, widmete sich aber ab 1970 ganz dem Schreiben. Gleich ihr erster Roman Brother of the More Famous Jack gewann 1982 den Whitbread Prize, fu?r den auch mehrere ihrer späteren Werke nominiert wurden. Barbara Trapido lebt in Oxford.
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4


Im Wohnzimmer, in der Gesellschaft zweier dunkellockiger Kleinkinder, umgeben von zerstreuten Sonntagszeitungsseiten: mein Philosophieprofessor – ein Zusammentreffen, das mir bei diesem Wiedersehen zwischen Menschen mittleren Alters ein mehr als den Umständen entsprechend marginales Gefühl gibt. Er trägt das Hemd offen und erlaubt mir somit die Feststellung, dass ihm das Haar wie eine Decke bis zum Nabel wächst. Ich halte das für eine harmlose Form von Missbildung, die er stoisch erträgt. Er posaunt John ein Willkommen entgegen und erhebt sich, sein Hemd zuknöpfend.

»Du wirst grau«, sagt er und mustert ihn leutselig. »Du siehst aus wie eine Eminenz. Nein wirklich, John, du siehst aus wie der Vorsitzende vom National Coal Board.« Er umarmt John überschwänglich, wie ein Fußballstar. John überschlägt sich nicht so, genießt die Begegnung aber keinen Deut weniger.

»Ich habe munkeln hören, dass du heutzutage im BBC auftrittst«, schlägt er zurück. »Wie geht’s, Jake? Du siehst phantastisch aus.«

»Ich halte mich so einigermaßen«, sagt Jacob. »So einigermaßen.«

»Ich habe dir ein junges Ding mitgebracht«, sagt John. Behaupten zu wollen, er böte mich Jacob in irgendeiner Weise tatsächlich dar, wäre natürlich irreführend. Er gefällt sich in Andeutungen. Jacob ist ohnedies zu entschieden monogam, zu sehr auf Jane fixiert, um andere Frauen überhaupt in Betracht zu ziehen, und zu strikt in Fragen der Fraternisierung. Eher sagt John es, um sich und mich zu kompromittieren oder sich selbst eine Fiktion zu schaffen, die seinen Flirt mit Jacobs Frau legitimer erscheinen lässt.

»Das ist Katherine«, sagt Jane Goldman. Meine Anwesenheit scheint ihm nicht unangenehm zu sein.

»So so«, meint er enigmatisch. »Katherine, wie? Und das hier sind meine herzigen Kinder. Sam und Annie.« Die beiden kleinen Zwillinge haben aus sämtlichen im Haus auffindbaren Kissen einen Berg zusammengetragen und trampeln fröhlich darauf herum. An einem der Kissen ist eine Naht aufgeplatzt, und es spuckt Schaumstoffetzen auf den Teppich, der allerdings sowieso vor Kaffeeflecken und Dreck starrt. »Groß, nicht?«, sagt er. »Schon zu groß, um sie noch in Eton anmelden zu können.«

»Eines scheint allerdings auch ein Mädchen zu sein«, sagt John. »Also hör mal, Jake, deine Frau ist schwanger. Was ist eigentlich los mit euch beiden?«

»Wir ficken gern«, sagt Jacob. Das Wort plumpst wie ein Stein auf mein unschuldiges Zartgefühl, dagegen bringt es weder seine Frau aus der Fassung noch John.

»Keine Ausflüchte«, sagt John. »Ich will wissen, was mit dir los ist. Vier Kinder lasse ich noch gerade durchgehen – und ich räume ein, dass niemand hat ahnen können, dass Zwillinge dabei sein würden. Aber sechs? Wie kommst du zu sechs Kindern?« Jacob lässt sich nicht provozieren, wittert vielleicht einen Hauch unbewusster Lüsternheit hinter Johns Nachdruck.

»Ich gehe ihr eben gern an die Wäsche«, sagt er. »Ich mag sie, mein Gott noch mal. Sie ist mein gesetzlich angetrautes Eheweib.«

»Aber Katholik bist du noch nicht, oder?«, sagt John.

»Soll sie Hormone schlucken und Krebs kriegen?«, schwadroniert Jacob. »Oder soll sie sich Kupferhaken den Gebärmutterhals hochschieben lassen?« (Ich habe bis zu diesem Augenblick keinen Schimmer, dass ich so etwas wie einen Gebärmutterhals besitze, und die Information lässt mich, gewissermaßen als dunkle Vorahnung, meinen Unterleib zum ersten Mal im Lichte eines potenziellen Krisenherds betrachten.) »Vor hundert Jahren haben Frauen ihre Gesundheit ruiniert, indem sie Bleipillen schluckten«, sagt er, »und mit Häkelnadeln in sich herumstocherten. Heute ruinieren sie ihre Gesundheit, indem sie Hormontabletten schlucken und sich Kupferhaken in die Gebärmutter stopfen. Nenne es Fortschritt, wenn du magst.« Ich habe noch nie einer Erörterung von Geschlechtsteilen beigewohnt. Ich finde es erstaunlich.

»Wenn ich recht informiert bin, ist eine Geburt auch nicht eben ungefährlich«, sagt John Millet.

»Das mag wohl sein«, sagt Jacob. »Aber das Kinderkriegen ist ein natürlicher Vorgang. Netter als Pillen und Haken.«

»Du redest wie Malcolm Muggeridge«, sagt John. Er bietet Jane eine seiner Zigaretten an, und sie nimmt sie. Er gibt ihr Feuer und sieht anerkennend zu, wie sie inhaliert. Sie wirkt bei alledem erstaunlich gleichmütig und so, als verkörpere sie eine milde Ironie des Schicksals.

»Wenn du die Wahrheit willst, John«, sagt sie, »dann darfst du nicht Jake fragen. Ich bin schwanger, weil die Idee mir und ihm so köstlich erschien, als wir letzten Winter das gesamte Geburtstagsgeld der Zwillinge für ein extravagantes Gelage verprassten. Wir haben uns über gegrilltem Hummer mit Blicken verschlungen und beschlossen, unsere jämmerlichen Gummiwaren über Bord zu werfen. Ich stimme Jake zu, was die Pillen und das andere angeht. Du vielleicht nicht, aber du hast auch noch nicht auf dem Tisch der Familienplanungsklinik gelegen. Wie auch immer, Tatsache ist, dass wir es in den nächsten Tagen büßen werden. Mein geliebter Jake wird die halbe Nacht Schüsseln für mich halten, während ich in den Wehen kotze und das Atmen verpatze, wie immer. Dann wird er die nächsten drei Jahre die Höllenqualen der Schlafgestörten erleiden, wann immer er nachts geweckt worden ist. Er wird wieder damit leben müssen, dass uns ins Bett gepinkelt wird und seine Manuskripte bekritzelt werden. Jonathan hat ihn vier Jahre lang fast jede Nacht aus dem Bett geholt. Er und Roger sind hochgradig allergisch gegeneinander. Rosie hat ihn vergangenen Sommer einen Bandscheibenvorfall gekostet. Seine gesamte Steuerrückzahlung ist für das draufgegangen, was der gute Sammy hier seinen ›doofen‹ Therapeuten nennt. Ach, wenn sie nicht einfach immer so goldig wären, John, dann wäre das alles ja nicht halb so verlockend.« John strahlt sie an.

»Ihr seid beide komplett verrückt«, sagt er. »Ich habe euch einen ganz besonderen Wein mitgebracht, von einem Weingut bei Amalfi. Ich habe ihn im Wagen.« Er hat sich inzwischen auf einem wunderschönen kleinen Stuhl mit einer Rückenlehne wie einer Lyra niedergelassen. Der Sitz ist lose, und die Beine knicken nach außen weg. Jede der Bekannten meiner Mutter würde ihn vor Jahren schon geschmackvoll in Dralon aufgepolstert haben.

»Könnte ein wenig Leim vertragen«, sagt John gemessen und untersucht die Verbindungen. »Könnte ich für euch machen, wenn ihr wollt.«

»Bitte«, sagt Jane. »Am besten noch, bevor meine Mutter nächste Woche zu Besuch kommt. An dem Stuhl hängt sie besonders. Lady Gregory hat ihn ihrer Mutter geschenkt. Sie hält es für möglich, dass Yeats mal darauf gesessen hat.« Jane Goldmans Familie ist angloirisch-patrizisch. Sie hat der Verwandtschaft zum Trotz ihren Mile-End-Juden geheiratet.

»Yeats, William Butler«, sagt Jacob. »Der allseits bekannte.« Er wendet sich mir zu, mir, die ich mich mit den Kindern zwischen die Kissen gesetzt habe. »Jane war hier auf dem Dorf mal auf einer Auktion, Katherine«, sagt er zu mir. »Irgend so ein Besucher buchstabiert dem Auktionator seinen Namen. ›Yeats‹, sagt er. ›Gates?‹, fragt der Auktionator. ›Aber nein‹, sagt Janes Typ, ›Yeats, wie der Dichter.‹ Ist das nicht komisch?«, fragt er. Finde ich offenbar, denn ich muss kichern.

Jacobs kleine Tochter hat plötzlich beschlossen, John mit ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit zu beehren.

»Janes Baby kommt durch so ein ganz ziehiges Loch«, sagt sie. »Und nur Mädchen haben eins. Wenn du ein Junge oder ein Mädchen bist, bleibst du das immer, weißt du.« Hier wird mehr Aufklärung geboten, als mir in meinem bisherigen Leben zuteilwurde.

»Ganz recht«, sagt John im Brustton der Überzeugung.

»Und solange das Baby drinnen ist, kann es von innen an ihrer Brust nuckeln, nicht?«, sagt sie.

»Ich glaube, da liegst du vielleicht nicht ganz richtig«, sagt er ohne das leiseste Anzeichen von Belustigung. »Ich glaube, innen läuft das etwas anders.«

»Zeit für einen Aperitif«, sagt Jacob mit Entschiedenheit. »Komm mit, Katherine. Wir wollen meinen Sohn für dich auftreiben.« Er will mich vor der Fiktion bewahren, an die John Millet mir zu glauben erlaubt, dass ich zu den Erwachsenen gehöre. Im hinteren Flur, vor der Küchentür, steht ein großer Wäschekorb – wie der, in dem Falstaff untergebracht wird. Dieser quillt über vor Gummistiefeln. Sämtliche sichtbaren tragen in Marker den Namen R.J. Goldman, vermutlich weil der Älteste, Roger, sie alle zuerst getragen hat. Es unterstreicht für mich dessen glorreiche Vormachtstellung. Am Küchentisch studiert Roger Goldman die Theaterkritiken im , die jeansbekleideten Beine lang ausgestreckt. Er trägt auf dem hübschen dunklen Kopf ein bizarres, lappiges schwarzes Barett, das ihm die Aura eines frisch aus Wittenberg eingetroffenen Fremdlings verleiht. Er kratzt sich gedankenverloren die Schuppen am Hinterkopf, dort, wo das Haar unter der Kopfbedeckung hervorguckt.

»Ich schenke dir die Wagnerkappe, was hältst du davon?«, sagt Jacob freundlich.

»Danke«, erwidert Roger, weiter lesend und kratzend. Jacob zieht ihm das Barett über die Augen.

»Hör mal einen Augenblick auf zu lesen, ja?«, sagt er. »Ist sowieso nur der übliche Sonntagsbrei für die Lumpenintelligenz.«

»Leck mich, Jake«, sagt Roger und wird vor Ablehnung starr. Er schaut aber hoch und sieht mich. Er hat die gleichen umwerfend blauen Augen wie seine Mutter und ein ähnlich fein geschnittenes Gesicht.

»Diese Person ist Katherine«, sagt Jacob. »Eine meiner Studentinnen. Kümmere dich um sie.« Er zieht mir einen Stuhl vor. Einen Windsor-Küchenstuhl mit wackligen Stäben in...


Trapido, Barbara
Barbara Trapido wurde 1941 in Su¨dafrika geboren und zog nach ihrem Studium nach London. Dort arbeitete sie zunächst als Lehrerin, widmete sich aber ab 1970 ganz dem Schreiben. Gleich ihr erster Roman Brother of the More Famous Jack gewann 1982 den Whitbread Prize, fu¨r den auch mehrere ihrer späteren Werke nominiert wurden. Barbara Trapido lebt in Oxford.

Strätling, Uda
Jahrgang 1954, verlebte ihre Kindheit und Jugend in den USA, Osteuropa und Afrika und kehrte erst zum Studium der Publizistik und Germanistik an der LMU München nach Deutschland zurück. Heute lebt sie in Hamburg und übersetzt seit gut zwanzig Jahren englischsprachige Literatur und Lyrik, darunter Werke von Teju Cole, Claudia Rankine, Marilynne Robinson u. a.

Barbara Trapido wurde 1941 in Su¨dafrika geboren und zog nach ihrem Studium nach London. Dort arbeitete sie zunächst als Lehrerin, widmete sich aber ab 1970 ganz dem Schreiben. Gleich ihr erster Roman Brother of the More Famous Jack gewann 1982 den Whitbread Prize, fu¨r den auch mehrere ihrer späteren Werke nominiert wurden. Barbara Trapido lebt in Oxford.



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