Torberg | Auch das war Wien | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 351 Seiten

Reihe: REVISITED

Torberg Auch das war Wien


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-902950-21-5
Verlag: MILENA
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 351 Seiten

Reihe: REVISITED

ISBN: 978-3-902950-21-5
Verlag: MILENA
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Geschichte einer großen Liebe vor dem Hintergrund des österreichischen Untergangs im März 1938 - Friedrich Torberg, der diese Endzeit miterlebt hat, schuf mit Auch das war Wien ein in hohem Maße bedeutendes literarisches Zeitdokument. Wieder entdeckt!

Eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des untergehenden Österreich - die Geschichte der Liebe zwischen dem jüdischen Bühnenschriftsteller Martin Hoffmann und der "arischen" Schauspielerin Carola Hell. Die beiden Liebenden richten sich in Wien eine gemeinsame Wohnung ein und träumen von einer guten neuen Zeit - da geht die Romanze unversehens in eine Tragödie über. Die Liebesgeschichte wird von der Weltgeschichte überrollt, Österreich wird im März 1938 von deutschen Truppen okkupiert. Finis Austriae.
Friedrich Torbergs Roman ist unter äußerst dramatischen Umständen entstanden: von Mai 1938 bis Juni 1939 in Prag, Zürich und Paris - also während der Flucht, unmittelbar nachdem Torberg seinen Wohnsitz in Wien verloren geben musste. Der wunderschöne Roman ist ein literarisches Zeitdokument, er schildert das Innenleben und die äußere Erscheinung einer Stadt, die dem Untergang geweiht ist und die sich dem Untergang weiht.
Friedrich Torberg hat diese Endzeit erlebt, miterlebt, nacherlebt; er hat - wie Edwin Hartl im Nachwort schreibt - "das Unglaubliche glaubhaft zum Allerbesten" gegeben, "in einer Eile, Intensität und Qualität wie nie zuvor, aber auch nachher niemals wieder."

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Bazar
Wie italienisch Salzburg auch wirken mochte, und wie weit diese Wirkung auch zu Recht bestand –: dem Café Bazar konnte sie beim besten Willen nicht zugebilligt werden. Überhaupt hielte es schwer, da einen bestimmten Stil festzustellen. Es lag vielmehr eine Mischung aller in Salzburg vertretenen Stile vor: denn was immer und irgend die Festspiele mit sich brachten an Qualität und Snobismus, an Zusammenkunft und Mitläuferei, an wahrem und falschem Rang, an Echtheit und Unwert insgesamt: hier floß es zusammen und gerann destilliert, hier war es vereint und zur Schau gestellt, hier fand sich tatsächlich »alles«. Es gab zwar ein paar Starrköpfige, die »aus Prinzip« (und aus einem ebenso anfechtbaren) niemals das Café Bazar aufsuchten; aber das verschlug nichts und auf die kam es nicht mehr an. Und es wurde zwar der Versuch gemacht, in der und jener Hotelhalle ein exklusiveres Territorium zu schaffen; aber solche Versuche scheiterten an der Unfehlbarkeit, mit der binnen kurzem auch hier genau die gleiche Mischung sich ergab. Dem Café Bazar war nicht zu entrinnen: also ging man besser gleich ins Café Bazar. Und weil eine derart vollendete, lückenlose, kontrastsichere Stillosigkeit wohl nirgends anders auf der weiten Welt hätte gedeihen können, weil es soetwas eben nur in Salzburg gab: so war das Café Bazar doch wieder zu einem durchaus organischen Bestandteil der Stadt und der Festspiele geworden, so war aus Beiwerk und Absud der vielen Einzigartigkeiten eine neue und gänzlich eigene entstanden, nicht wegzudenken und rechtens dazugehörig (wie etwa die Tauben zum Markusplatz) – und hiermit, mit der Dazugehörigkeit, rundete sichs in sich selbst zurück. Denn dazuzugehören, dabeizusein: das war die eigentliche Formel der Salzburger Festspiel-Magie, war Motiv und Ergebnis zugleich, Quelle des Lichts und hell erleuchtete Fassade. Sie leuchtete um diese Zeit viel heller noch, als gewöhnlich sonst in den letzten Augusttagen. Das heißt: es saßen um fünf Uhr nachmittag im Garten des Café Bazar an jedem Tisch mindestens zwei Leute, die mindestens zweien andern an jedem andern Tisch persönlich bekannt waren, und sämtlichen übrigen dem Namen nach. Das heißt: es war fürchterlich. Martin Hoffmann konstatierte es mit Ingrimm, mit einem wohlvertrauten, fast schon behaglichen Ingrimm. Immer dasselbe! Und dazu kam er aus St. Lorenz, aus der zauberischen Stille des Mondsees, aus der würdig verschlossenen Atmosphäre seiner Arbeit, aus der männlich aufgetanen seiner Gespräche mit Toni Drexler, dem Freund und Gefährten – dazu also kam er immer wieder nach Salzburg gefahren! Oder? Na ja. Jedenfalls konnte ihn niemand hindern, das beim Eintritt ins Café Bazar immer wieder zu konstatieren. Er schlängelte sich langsam zwischen den Tischreihen hindurch, fest entschlossen, auf unwillkommene Einladungen die bedauernde Antwort zu erteilen, daß er jemand Bestimmten suche. Für alle Fälle faßte er auch zwei Tische ins Auge: an dem einen, dem Journalistentisch, ging es gerade sehr heiter zu, entweder hatte da also der Doktor Weidenmann von der »Presse« einen politischen Witz erzählt, oder Ferry Liebreich, Chef-Reporter des »Echo«, die neueste Festspiel-Anekdote, oder sie waren auf ein Satzmonstrum in der letzten Musikkritik ihres abwesenden Kollegen Gregor Helm gestoßen (der allgemein unter dem Namen »C-Dur-Trottel« bekannt war, weil sein musikalisches Fachwissen angeblich nicht über diese Tonart hinausreichte); an dem andern Tisch hingegen wurde gerade sehr ausführlich gegähnt. Allerdings gähnte da der Maler Andreas Luttenfellner, und allerdings hielt seine jüngste Akquisition, eine unwahrscheinlich schöne Engländerin namens Virginia Cabbot, lachend mit starken Zähnen ihm die Hand vors Gesicht. Martin überlegte. Vor zwei oder drei Tagen hätte er noch fürchten müssen, das Beisammensein der beiden zu stören. Aber jetzt war, seit Andy aus einer großen Abendgesellschaft Arm in Arm mit der Starkzähnigen sich verflüchtigt hatte, schon mehr als eine Woche vergangen – man konnte also sicher sein, daß sie ihn bereits über die Maßen langweilte. Wofür ja auch sein mächtiges Gähnen einen unverkennbaren (und nur von Miss Cabbot verkannten) Beweis lieferte. Wahrscheinlich tat man ihm sogar einen Gefallen, wenn man sich zu ihm setzte. »Bitte darf ich um ein Autogramm bitten.« Dicht hinter Martins Rücken klang eine hörbar beklommene Mädchenstimme auf, pausbäckig errötend stand ihre Eigentümerin da, mit einem Autogrammbuch in der Hand – und es galt natürlich nicht ihm. Ihm galt, da er sich umwandte, von seitwärts nah ein Blick aus großen braunen Augen, ein lächelnder Blick unter lächelnd hochgewölbten Brauen, ein kleines Kopfschütteln dazu, und eine dunkle Stimme, die gekränkt klingen wollte: »Na endlich. Jetzt stehen Sie schon seit zwei Minuten neben mir, und –« »Carola! Verzeihen Sie, bitte. Ich hab Sie wirklich nicht gesehn.« »Eben. Es hat mich nur interessiert, wie lange man Sie anstarren muß, bevor Sie’s merken.« »Denken Sie: und ich hatte es auch jetzt noch nicht gemerkt.« »Sondern?« »Bitte darf ich um ein Autogramm bitten!« Das war schon ganz anders gesagt, viel dringlicher als beim ersten Mal, beinahe verärgert – und freilich mit einem noch heftigeren Erröten hinterher. »Sondern Sie haben das dieser energischen jungen Dame zu verdanken«, sagte Martin. »Das heißt: ich hab’s ihr zu verdanken. – Danke schön!« Und er machte eine ernsthafte Verbeugung zu der Kleinen hin, die ihn mißbilligend ansah und dann mit einem entschlossenen Ruck ihr Buch auf den Tisch legte. »Bereiten Sie diesem spritzigen Dialog ein Ende, Herr Hoffmann! Sie müssen sich auch etwas für Ihre armen Figuren aufsparen.« Gustav Sollnau, erster Dramaturg und Regisseur am Josefstädter Theater, hat das mißmutig zu Martin Hoffmann hinaufgebrummt. Er ist der nahezu ständige Begleiter Carolas, zu der er gleich am Beginn ihres Engagements in jäher Liebe entbrannt war – »entschwelt«, wie er es bald darauf nannte: als nämlich Carola ihn von der Aussichtslosigkeit seines Entbrennens überzeugt hatte. Dennoch blieb er ihr in knurrender Ergebenheit attachiert, und damit sind nun beide zufrieden. Sollnau fühlt sich in der Rolle des »Chaperon« (die ihm, aus andern und bei Carola liegenden Ursachen, manchmal geradezu repräsentative Funktionen zuweist) deutlich genug von Carolas übriger Umgebung abgehoben, und Carola ihrerseits weiß sehr genau und gerne, was sie dem Regisseur Sollnau zu danken hat. Sein Urteil, auch wenn es sich in die bissigsten Formen kleidet, gilt ihr als ein so unbedingt zuverlässiges, daß sie auch jenseits seines eigentlichen Bezirks, des künstlerischen, ihm noch Kredit gibt. Etwas ist immer dran. Oder ließe sich, jetzt zum Beispiel, etwa leugnen, daß dieses Begrüßungsgeplauder zwischen ihr und Martin Hoffmann von einer schwer zu überbietenden Banalität war, also alles eher als ein »spritziger Dialog«? Auch Martin Hoffmann kann das keineswegs leugnen. Er könnte höchstens auf möglichst wehrhafte Art replizieren, es wäre ihm wahrscheinlich gelungen oder er hätte es doch versucht – wenn nicht in diesem Augenblick Carola sich über das Buch gebeugt und den Bleistift zur Hand genommen hätte: und da ist ihm innegeworden, daß er zum ersten Mal nun sehn wird wie sie schreibt, ihm will das plötzlich als eine unerhörte Vertraulichkeit erscheinen, es überkommt ihn mit süßer, törichter Beglückung, fast als schriebe Carola jetzt nur für ihn, als wäre ihr das jetzt nur der endliche Anlaß, ihm ihre Handschrift darzubieten und zu offenbaren, in verschwörerischer Intimität, doppelt verschwörerisch und doppelt intim, weil sie inmitten ahnungsloser Gaffer sich begibt – und Carola, wirklich, Carola, da sie schon angesetzt hat: blickt schräg zu ihm auf, mit jenen lächelnd hochgewölbten Brauen wieder und mit einem kleinen Kopfschütteln, ehe sie ihren Namenszug in das Buch setzt, große, leicht nach links geneigte Lettern, Carola Hell, das C läuft unterwärts in einen queren Balken aus, auf dem alle andern Buchstaben bequem Platz haben, es ist eine geräumige und abgeschlossene Unterschrift, es wird einem gut und sicher dabei zumut, und Martin möchte am liebsten aufatmen. Er hat, nun kann er sichs ja eingestehn, er hat ein wenig Angst gehabt, daß Carola vielleicht jene steile, markante Frauenschrift sich zurechtgelegt hätte, vermittels welcher eine nicht vorhandene Persönlichkeit betont werden soll. Jetzt schämt er sich dieser Angst, und ist glücklich, sich ihrer schämen zu dürfen, über alle Maßen glücklich, und sagt: »Ausgezeichnet.« »Was?« fragt Carola, und klappt das Buch...


1908-1979. Erzähler, Essayist, Kritiker und Übersetzer. Bis 1938 als Publizist und Theaterkritiker in Prag und Wien tätig, flüchtete über die Schweiz nach Frankreich und 1940 in die USA, wo er als Drehbuchautor in Hollywood und New York lebte. 1951 Rückkehr nach Wien; 1954 Mitbegründer und bis 1965 Herausgeber der Monatsschrift Forum, Herausgeber der Werke von F. von Herzmanovsky-Orlando. Torbergs Bekanntheit gründet sich vor allem auf den Roman Der Schüler Gerber hat absolviert und die beiden Erzählbände um die Tante Jolesch. Torberg erhielt 1976 das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 1979 den Großen Österreichischen Staatspreis.



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