E-Book, Deutsch, Band 4, 224 Seiten
Reihe: Luzifer junior
Till Luzifer junior 4 - Der Teufel ist los
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7320-1202-2
Verlag: Loewe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 4, 224 Seiten
Reihe: Luzifer junior
ISBN: 978-3-7320-1202-2
Verlag: Loewe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jochen Till, geboren 1966 in Frankfurt/M., sitzt seit nunmehr zwanzig Jahren in der Hölle in Abteilung 66 (Schriftsteller und andere Lügenerfinder), von Luzifer höchstpersönlich dazu verdonnert, Kinder- und Jugendbücher zu schreiben. Was der Teufel allerdings nicht weiß: Er fühlt sich pudelwohl dort unten und hat höllischen Spaß dabei.
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Bielefeld
»Guten Morgen, Jungs!«, begrüßt uns der Holzapfel fröhlich.
»Guten Morgen, Herr Holzapfel!«, grüßen wir ihn im Chor zurück.
Er setzt sich an sein Pult und zieht einen Stapel Papier aus seiner Tasche.
»Da dies die letzte Stunde vor den Ferien ist, dachte ich, das ist die perfekte Gelegenheit zu überprüfen, was ihr im letzten halben Jahr alles gelernt habt. Holt eure Stifte raus, wir schreiben einen Test.«
Wie bitte, was? Der spinnt wohl! Darauf bin ich jetzt gar nicht vorbereitet. Ich dachte, so kurz vor den Ferien passiert sowieso nichts mehr. Und alle anderen dachten das wohl auch – ein qualvolles, ungläubiges Stöhnen durchzieht den Klassenraum.
»Was denn?«, fragt der Holzapfel grinsend. »Habt ihr etwa keine Lust auf einen Test? Ich dachte, ihr freut euch! Was kann es Schöneres geben als einen Geschichtstest kurz vor Weihnachten?«
»Keinen Geschichtstest kurz vor Weihnachten?«, sagt Finn, unser Klassensprecher, und alle stimmen ihm lautstark zu.
»Wie bitte?«, erwidert der Holzapfel verwundert. »Ihr wollt keinen Geschichtstest schreiben? Na gut, kein Problem. Dann trage ich einfach für jeden eine Sechs in mein Notenbuch ein.«
»Aber das können Sie nicht machen!«, protestiert Finn.
»Und ob ich das kann«, sagt der Holzapfel und zückt sein Notenbuch. »Und du bist gleich der Erste.«
Er greift nach einem roten Stift, schreibt etwas in das Buch und streckt es Finn entgegen.
»Siehst du, da steht eine Sechs«, sagt der Holzapfel grinsend. »Jeder von euch kriegt eine Sechs – und zwar für ungenügenden Humor!«
Er schlägt sich prustend auf die Schenkel und fällt fast vom Stuhl vor Lachen.
»Eure Gesichter!«, grölt er. »Zu köstlich! Wartet, bleibt noch einen Moment so!«
Er holt sein Handy hervor und fotografiert uns.
Oh Mann. Lehrerhumor. Den werde ich wohl nie verstehen. Von daher passt das mit der Sechs schon. Aber die wird doch nicht wirklich im Zeugnis stehen, oder? Werden wir auch für unseren Humor benotet? Ich habe noch nie ein Zeugnis gekriegt, keine Ahnung, was da so alles drinsteht. Ist mir eigentlich auch egal, zumindest jetzt gerade. Es gibt Wichtigeres als Zeugnisse. Seinen verschollenen Vater zu suchen, zum Beispiel.
»Ihr habt mir nicht wirklich zugetraut, dass ich euch am letzten Schultag so etwas antun würde, oder?«, fragt der Holzapfel kichernd.
Die ganze Klasse atmet erleichtert auf.
»Natürlich schreiben wir heute keinen Test. Wir machen noch nicht mal Unterricht. Stattdessen möchte ich von euch erfahren, wie ihr Weihnachten verbringen werdet. Ich nehme an, die meisten fahren nach Hause. Aber vielleicht gibt es ja auch jemanden, der in den Ferien irgendetwas Ungewöhnliches vorhat? Gustav, zum Beispiel. Ich habe gehört, du feierst nicht zu Hause?«
»Äh … ja«, sagt Gustav und wirft mir einen kurzen Blick zu. »Ich werde die Ferien in Ungarn verbringen.«
»Bei Vitus, nicht wahr?«, ergänzt der Holzapfel und lächelt mich an.
Genau, Vitus, das bin ich. Zumindest hier in St. Fidibus. Vitus von Turbsnatas, Sohn eines reichen ungarischen Adelshauses. Dass ich in Wirklichkeit Luzifer junior heiße und der Sohn des Teufels bin, wissen hier nur exakt drei Leute – Gustav ist einer davon.
»Ja«, sagt er. »Vitus’ Vater hat mich eingeladen, Weihnachten auf seinem Schloss zu verbringen.«
Sehr gut, Gustav. Das klang überzeugend. Gustav befürchtet immer, ein schlechter Lügner zu sein, aber bisher macht er das sehr gut. Immerhin konnte er bereits seine Eltern dazu überreden, mit mir nach Ungarn fahren zu dürfen, und das auch noch an Weihnachten. Dieses Weihnachten scheint für die Menschen hier oben sehr wichtig zu sein, das war mir bis vor ein paar Tagen gar nicht klar. Gustav hat versucht, es mir zu erklären, aber so richtig verstanden habe ich das alles nicht. Da gibt es offenbar Geschenke und ganz viel zu essen und jede Menge Familienangehörige, die sich nicht leiden können, und überall läuft schrecklich kitschige Musik. Und, was ich selbst unten im Dorf beobachtet habe: Plötzlich tauchen überall alte Männer mit weißen Bärten in roten Klamotten und mit einem äußerst begrenzten Wortschatz auf – wahrscheinlich reden sie deshalb fast ausschließlich mit kleinen Kindern. Woher diese seltsamen Typen kommen und welche Funktion sie haben, ist mir noch nicht ganz klar geworden, aber es muss auch irgendwas mit Weihnachten zu tun haben. Bei uns unten gibt es zwar auch so eine Art Weihnachten, aber das ist viel unspektakulärer. Wahrscheinlich, weil Papa es hasst. Er stellt diesen Weihnachtsbaum nur auf, weil der CEO ihn erfunden und die Verwendung befohlen hat. Der CEO, unser Chronisch Einzigartiger Oberchef. Wenn es stimmt, was alle erzählen, hat er nicht nur den Weihnachtsbaum, sondern ALLES erfunden – ich habe da so meine Zweifel. Der Hammer ist ja, dass ich sogar mit ihm verwandt bin. Eigentlich müsste ich ihn Opa nennen. Ich habe nämlich vor ein paar Wochen zufällig erfahren, dass er Papas Vater ist. Trotzdem hat er seitdem nicht ein einziges Wort mit mir gewechselt. Ich meine, ich bin sein Enkel, da kann man doch mal vorbeikommen oder anrufen oder wie auch immer er vorzugsweise kommuniziert. Aber nein, nichts, das große Schweigen. Und wo mein Vater steckt, seit er aus der Hölle flüchten musste, scheint ihn ebenfalls nicht zu interessieren. Dabei heißt es immer, er sieht und weiß alles, da könnte er doch mal kurz runterkommen und Bescheid sagen, wo genau sich sein Sohn versteckt, dann müssten wir nämlich nicht extra nach Frankreich, um ihn zu suchen, und alle möglichen Leute deswegen anlügen. Ganz ehrlich: Der kann mir mal gestohlen bleiben, mein blöder Opa.
»Oh, Weihnachten in einem Schloss im Ausland«, sagt der Holzapfel. »Das klingt sehr aufregend. Was ist mit dir, Aaron? Fährst du auch mit?«
Ja, Aaron muss auch mit nach Frankreich, unbedingt. Die Frage ist nur, wie wir das hinkriegen.
»Nein«, antwortet Aaron. »Ich muss leider wie immer in den Ferien ins Krankenhaus. Mein Gehirn wird zum dreiundachtzigsten Mal untersucht, weil meine Eltern denken, dass damit etwas nicht stimmt. Nicht stimmt.«
Was absoluter Blödsinn ist. Aaron hat zwar ein paar Ticks, aber ich kenne niemanden, dessen Gehirn besser funktioniert. Das mit dem Krankenhaus ist allerdings wirklich ein Problem. Wie sollen wir ihn da bloß unauffällig rauskriegen, damit er mit uns nach Frankreich kommen kann, ohne dass es jemand bemerkt? Ich habe bereits in meinem Handbuch für junge Dämonen nach einem passenden Spruch gesucht, aber keinen gefunden. Irgendetwas muss uns noch einfallen, nur leider wird die Zeit langsam knapp – morgen früh soll es nämlich schon losgehen.
»Stimmt, das hab ich vergessen, du musst ja wieder ins Krankenhaus«, sagt der Holzapfel. »Und das auch noch an Weihnachten. Das tut mir leid für dich.«
»Nicht so schlimm«, sagt Aaron seufzend. »Das ist ja jedes Jahr so, ich bin dran gewöhnt. Gewöhnt.«
Dieses Jahr nicht. Dieses Jahr wirst du Weihnachten in Frankreich verbringen, Aaron. Irgendwie kriegen wir das schon hin. Wir müssen es hinkriegen. Ich brauche meine Freunde, wenn ich meinen Vater finden will – und zwar alle drei.
»Euch beiden wünsche ich trotzdem viel Spaß in Ungarn«, sagt der Holzapfel und wendet sich an mich. »Kommt noch jemand mit?«
»Ja«, sage ich. »Lilly.«
»Lilly Rosenberg? Die Nichte unseres Hausmeisters? Ich wusste gar nicht, dass ihr befreundet seid.«
Doch, das sind wir, uns verbindet sogar mehr als Freundschaft. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass sie wie ich über dämonische Kräfte verfügt. Woher sie kommen, konnte uns bis jetzt leider niemand erklären – ein weiterer Grund, weshalb wir meinen Vater unbedingt finden wollen. Er weiß bestimmt, was mit Lilly los ist.
»Begleitet euch Herr Rosenberg dann?«, fragt der Holzapfel.
»Nein«, antworte ich.
Auf gar keinen Fall! Dann müssten wir ihm ja verraten, dass ich der Sohn des Teufels bin und wir in Wirklichkeit gar nicht nach Ungarn fahren, das würde ihm garantiert nicht gefallen. Es war schwierig genug, ihn zu überreden, dass er Lilly über Weihnachten allein wegfahren lässt. Er ist immer sehr besorgt um sie. Als wir alle zusammen in die Hölle gegangen sind, musste ich einen Dämonenspruch anwenden, damit er nichts mitkriegt. Das hat auch wunderbar funktioniert, aber dieser Spruch hält nur ein paar Tage lang, deshalb ging das diesmal nicht und wir mussten ganz viel tricksen, bis er es erlaubt hat. Er wollte unbedingt persönlich mit meinem Vater in Ungarn sprechen, den es so natürlich überhaupt nicht gibt. Lilly hatte dann zum Glück die Idee mit Auribus und dem Skype-Anruf. Auribus ist ein Dämonenspion, der mich ursprünglich im Auftrag meines Vaters hier in St. Fidibus bespitzelt hat. Mittlerweile ist er aber ein Freund und passt auf mich auf. Er kann seine Form verändern, hier oben ist er als Krankenschwester Miriam getarnt. Für das Skype-Gespräch mit Herrn Rosenberg hat er sich in einen erwachsenen Mann verwandelt und als mein Vater ausgegeben, das hat super funktioniert. Moment mal, wäre das nicht …? Ja, das könnte klappen! Da hätte ich auch früher draufkommen können. Das muss ich gleich nachher mit den anderen besprechen.
»Okay«, sagt der Holzapfel. »Dann wünsche ich euch viel Spaß in Ungarn. Ihr könnt mir ja mal eine Karte schreiben, ich freue mich immer über Post aus dem Ausland.«
»Klar, machen wir«, sage ich.
Das ist kein Problem, daran haben wir auch schon gedacht. Die Postkarten für Lillys Onkel und Gustavs Eltern sind bereits geschrieben. Fernbus, der neue Chef-Dämon für Logistik in der Hölle, sorgt dafür, dass die Karten von einem...