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E-Book, Deutsch, Band 1, 400 Seiten
Reihe: Legends of Askja
Thyndal Legends of Askja 1. A Kiss of Ice and Blood
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-96981-071-2
Verlag: Moon Notes
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 400 Seiten
Reihe: Legends of Askja
ISBN: 978-3-96981-071-2
Verlag: Moon Notes
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Neben der Arbeit als Wissenschaftlerin widmet Amy Erin Thyndal ihre Zeit der Lesesucht und dem Verfassen von Geschichten. Ihre gefühlvollen Romane laden dazu ein, von anderen Realitäten zu träumen.
Autoren/Hrsg.
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Lautlos wie der Schneefall
Frin
Manche Menschen verdienen es allein aufgrund ihrer Unvorsichtigkeit, zu sterben. Die Reisenden haben tatsächlich ein Feuer entzündet. Ein Lagerfeuer im Gebiet der Eiskönigin, am Tag des heiligsten Festes der Eisdämoninnen. Es leuchtet immer heller, je näher wir kommen. Die Menschen schreien geradezu danach, hier ihren bittersüßen Tod zu finden.
Vorfreude erfüllt mich bei dem Gedanken, dass von diesem Dutzend Menschen die Hälfte mir allein gehört. Ich werde so stark sein wie lange nicht mehr, und die Sorge um Solvig dürfte damit vorerst in den Hintergrund rücken. Die Kraft jeder Eisdämonin könnte mit sechs starken Männern und Frauen, die in der Blüte ihres Lebens stehen, vollständig aufgefüllt werden.
Wie können diese Menschen so gedankenlos sein, heute Nacht in unsere Heimat einzudringen? Womöglich glauben sie, dass ihre schiere Anzahl oder die scharfen Klingen ihrer Schwerter uns abschrecken würden. Das bedeutet allerdings, dass sie es nie mit einer der Unsrigen zu tun hatten. Stahl kann uns ebenso wenig etwas anhaben wie andere physische Gefahren. Wenn wir es wollen, sind unsere Körper kaum mehr als Nebel im Wind. Wir sind unverwundbar.
Ihre Sorglosigkeit ist ein Beweis dafür, wie wenig die Menschen über uns wissen. Dabei sollten sie sich längst damit abgefunden haben, dass sie uns in allen Punkten unterlegen sind.
Wie Solvig habe ich die Gestalt einer Schneeflocke angenommen, eine Transformation, die nicht permanent ist, solange wir genügend Kraft für die Rückverwandlung haben.
Der Wind, den wir beschworen haben, weht uns immer näher an ihr Lager. Einige Zelte stehen in der Nähe des Feuers, was ich bedaure. Die Schlafenden darin wären sicher die leichteste Beute, doch so nah will ich den heiß flackernden Flammen nicht kommen. Wenn es etwas gibt, das uns Eisdämoninnen gefährlich werden kann, ist es die Hitze des Feuers. Das Risiko ist zu groß: Ein falscher Windstoß, und ein Funke könnte auf uns überspringen. Solvig und ich werden warten, bis das Feuer etwas heruntergebrannt ist, oder eine andere Lösung finden müssen … Lange wird es uns nicht fernhalten.
Ich zähle mindestens zwei Wachposten, ein Mann und eine Frau, die am Rand des Lagers stehen und mit gezogenen Schwertern die Umgebung beobachten. Bei dem Anblick würde ich am liebsten in Gelächter ausbrechen, denn trotz ihrer Kampfbereitschaft sind sie gegen uns völlig wehrlos.
Mit einem kleinen Stoß meiner Magie lasse ich Solvig und mich näher fliegen. Die Wachen halten den Blick starr ins Tal gerichtet, womöglich sind sie bereits gefangen vom Zauber des Tanzes meiner Schwestern. In den Zelten regt sich nichts, doch da Fjora von einem Dutzend Reisender gesprochen hat, müssen sie gerade darin ruhen. Erst als wir in die unmittelbare Nähe treiben und ich im Schatten eines Felsens wieder zu meiner Gestalt als Eisdämonin wechsle, entdecke ich einen weiteren Mann, der etwas abseits sitzt und sein Schwert poliert. Seine dunklen Haare schimmern im flackernden Polarlicht, und sein schwarzer Umhang ist mit einzelnen Schneeflocken bedeckt.
»Was ist der Plan?«, fragt Solvig atemlos, als auch sie sich zurückverwandelt hat.
Nachdenklich blicke ich vom Feuer zur Schneeschicht, die auf dem Berghang über dem Lager nur darauf wartet, die Flammen zu löschen. Dann mustere ich die Wachen, und meine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen.
»Wenn wir eine Lawine auslösen, dürfte das ihr Feuer ersticken«, erläutere ich mein Vorhaben und deute zum Hang. Solvigs Augen weiten sich vor Begeisterung. »Allerdings würde ich vorschlagen, zunächst die Wachen auszuschalten. Wenn sie etwas bemerken und die anderen wecken, könnten die Reisenden fliehen.«
Und wir müssten sie über das karge Gelände des Nyvollberges jagen, um zu bekommen, wonach es uns verlangt. Auch wenn wir sie inmitten von Schnee und Eis rasch einholen würden …
Natürlich könnten wir die Schlafenden in ihren Zelten ebenfalls wecken, wenn wir die Wachposten ausschalten, aber das ist deutlich unwahrscheinlicher. Der Kuss einer Eisdämonin ist für gewöhnlich lautlos wie Schneefall. Unter dem Druck der Lippen einer wunderschönen Frau in die Bewusstlosigkeit zu gleiten, ist mehr, als die meisten Menschen von ihrem Tod erwarten können.
»Ich übernehme die Wachen«, beschließt Solvig, was mich überrascht zu ihr blicken lässt.
Die beiden Wachposten stehen so dicht beieinander, dass sie beide gleichzeitig in ihren Bann ziehen muss, damit keiner sie verrät. Das ist keine leichte Aufgabe, doch ihr entschlossener Gesichtsausdruck zeigt mir, dass sie sich nicht davon abbringen lassen wird. Und das, nachdem ihr Zauber gestern scheiterte … Stolz wallt in mir auf, weil sie sich dennoch beweisen und ihre Fähigkeiten verbessern will. Obwohl es riskant ist, kann sie an dieser Herausforderung wachsen. Und falls sie scheitert, können wir unsere Beute immer noch durch den Schnee jagen.
Solvigs Grinsen wird breiter, als ich zustimme, und sie schleicht am äußeren Rand des Lagers zu den Wachen. Ich nehme die entgegengesetzte Richtung, um zum jungen Mann zu gelangen, der sein Schwert poliert, als hinge sein Leben davon ab. Kurz wundert mich, dass er auf dem schneebedeckten Stein, fernab des Lagerfeuers, nicht friert. Vermutlich haben sich auch die menschlichen Bewohner und Bewohnerinnen Askjas an das Klima gewöhnt.
Ich genieße die Kälte, die ich bei jedem Schritt unter meinen bloßen Füßen spüre, liebe den Eiswind, der mein schwarzes Kleid verweht. Jede meiner Bewegungen ist völlig lautlos. Ich muss mich nicht verstecken, denn für den Mann vor mir ist es längst zu spät.
Er blickt nicht auf, sondern starrt mit zusammengebissenen Zähnen auf sein Schwert, von dem er noch immer unsichtbaren Schmutz entfernt. Ich kenne diesen Ausdruck gut, denn auch ich fühle den Sog, der von meinen tanzenden Schwestern am See ausgeht. Es scheint, als wehrte er sich mit aller Kraft dagegen, dem Verlangen nachzugeben.
Sein Vorhaben ist vergebens. Auch wenn er dem unterschwelligen Ruf meiner Schwestern nicht folgt, werde ich ihm nun ein schnelles Ende bereiten. Der Mann merkt nicht, wie ich ihm näher komme, bis sich meine Gestalt schließlich in seiner Schwertscheide spiegelt. Dunkel rage ich darin auf, und meine Schönheit wirkt selbst für mich unwirklich. Meine dunklen Augen, die vollen schwarzen Lippen, das wallende Haar und das schattenhafte Kleid stehen in starkem Kontrast zu meiner blassen Haut. Ich bin eine Verführerin.
Und ich bin sein Tod. Das scheint der Mann vor mir zu wissen, denn als er abrupt vom Schwert zu mir aufsieht, steht nackte Panik in seinem Blick. Dann verfällt er meinem Bann. Seine Augen werden verklärt, träumerisch. Ich kann ihm ansehen, wie er jeden klaren Gedanken vergisst, als er sein Schwert fallen lässt und sich erhebt. Ich bleibe stehen und gestatte ihm, dass er wie in Trance zu mir kommt und seine Arme um meine Hüften schlingt. Sich an mich drängt, als wäre ich das Einzige, was er in diesem Leben noch begehrt.
Wie gesagt, es ist ein schöner Tod, den wir den Menschen bringen. Dieser Mann wird in den Armen der verführerischsten Frau sterben, der er je begegnet ist. Sein Blick ist voller Glück und Verlangen, als ich seine Umarmung erwidere und mich an ihn presse.
Ich spüre die Kraft seiner Arme um mich, das Leben, das mit jedem Herzschlag durch seine Adern fließt. Der Hunger macht mich gierig. Ohnehin ist es zwecklos, das hier hinauszuzögern, schließlich hält mein Zauber ihn längst gefangen. Deshalb lächle ich, lege die Hand an seinen dunkelhaarigen Kopf und ziehe ihn zu mir herunter, was er mehr als willentlich geschehen lässt.
Er hält die grünen Augen geöffnet, als wolle er meinen Anblick auskosten, und wir kommen uns immer näher. Das Grün sieht so warm aus, voller Freude und Licht. Obwohl es unsinnig ist, nach einem einzigen Blick in seine Augen darauf zu schließen, bin ich plötzlich überzeugt, dass er ein gutes Herz hat.
Aber viele Menschen, denen ich den Tod gebracht habe, waren rechtschaffen. Das ist es nicht, was mich zögern lässt, ihm mit meinem Kuss sein Leben zu stehlen. Nein, was mich ganz knapp vor seinen Lippen innehalten lässt, ist das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Etwas ist anders, fühlt sich falsch an.
Mein kurzes Zögern ist alles, was er braucht. Der Mann blinzelt plötzlich heftig, als würde er nach einem langen Tauchgang durch die Wasseroberfläche brechen, weicht vor mir zurück und schnappt hörbar nach Luft. Überraschung und Entsetzen spiegeln sich in seinem Blick, bevor sie einer unvergleichlichen Entschlossenheit weichen.
Dann geht alles viel zu schnell. Bevor ich meinen Zauber erneuern oder seine Lippen zurück an meine ziehen kann, hat er etwas Metallenes aus einer Tasche seines Umhangs gezogen. Presst es an die bloße Haut, die mein Kleid an meiner Taille frei lässt.
»Du!«, bringt er verärgert hervor, stockt dann, als hätte es ihm die Sprache verschlagen.
Ich will darüber lachen, wie naiv dieser Mensch ist, dass er glaubt, mir mit irgendwelchen irdischen Mitteln beizukommen. Selbst wenn er den schärfsten Dolch dieser Welt besäße, könnte er mich nicht damit verletzen …
Doch die Belustigung vergeht, als ich durch die Schneedecke unter mir einbreche. Mein schwereloser Körper, der für gewöhnlich kaum Spuren in dem Weiß hinterlässt, sinkt plötzlich eine ganze Handbreit tief ein, bevor ich wieder festen Boden unter den Fußsohlen spüre. Diesmal bin ich es, in der Panik aufsteigt, und der Mann gewinnt merklich an Fassung. Er runzelt die Stirn, dann heben sich seine Mundwinkel kaum merklich.
»Was bei den Eisgöttern …?«, murmle ich fassungslos.
Was passiert...