E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
Thornton Im Dienste der Comtesse
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7337-6944-4
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
ISBN: 978-3-7337-6944-4
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Paris, Juli des Jahres 1789: Pierce Cardew, Viscount Blackspur, tritt unerkannt in die Dienste der Comtesse Mélusine. Er will sie ausspionieren, denn alles spricht dafür, dass sie seine Familie erpresst! Nur ein Beweis fehlt ihm noch. Doch dass diese zarte Schönheit tatsächlich eine habgierige Verbrecherin ist, kann Pierce mit jedem Tag weniger glauben. Im Gegenteil: Sie selbst wird seit dem mysteriösen Tod ihres Gatten bedroht. Und während die Revolution das Land in blutige Unruhen stürzt, rettet Pierce Mélusines unschuldiges Leben - und stürmt in einer leidenschaftlichen Nacht kühn ihr Herz ... ...
Claire Thornton ist in der englischen Grafschaft Sussex geboren und aufgewachsen. Schon früh wurde Lesen für sie zum wichtigsten Lebensinhalt. Später studierte sie Geschichte an der Universität von York, wusste jedoch immer, dass ihr Herz der Schriftstellerei gehört. Ihr erster historischer Liebesroman erschien 1992 mit großem Erfolg. Seitdem hat Claire Thornton viele leidenschaftliche Romances verfasst, die weltweit die Leserinnen begeistern.
Weitere Infos & Material
2. KAPITEL
Mittwochnachmittag, 8. Juli 1789
Pierce stand teilnahmslos da, während der Anwalt den Brief von Mélusine und die Zeugnisse durchlas.
„Ihre Papiere scheinen in Ordnung zu sein“, sagte Barrière endlich. Er lehnte sich zurück und sah Pierce an. „Der verstorbene Gatte der Comtesse hat mich damit beauftragt, ihre Interessen wahrzunehmen. Seien Sie versichert, Sie wären schlecht beraten, Ihre Situation in irgendeiner Weise auszunutzen.“
Pierce betrachtete den Anwalt gleichermaßen interessiert, aber weniger auffällig. Er gewann den Eindruck, dass Barrière ein scharfsinniger, intelligenter Mann war. Etwas anderes hätte er aber auch nicht erwartet von einem Mann, den Bertier mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hatte. Aber war der Anwalt auch in dieses Komplott verwickelt?
Der Erpresserbrief war auf Latein geschrieben und von einem Mann überbracht worden, den man als Diener der Comtesse de Gilocourt identifiziert hatte. Während des Bewerbungsgesprächs hatte sich Mélusine geweigert, über ihren früheren Diener zu reden, aber Pierce wusste, dass sein Vorgänger in London als Bote des Erpressers gesehen worden war. Pierce vermutete, dass der Brief deswegen in Latein verfasst worden war, um den Inhalt vor dem überbringenden Diener geheim zu halten. War es der Anwalt gewesen, der den Brief für Mélusine aufgesetzt hatte?
„Warum hat der letzte Diener der Comtesse gekündigt?“, wollte Pierce wissen.
Barrière runzelte die Stirn. „Madame de Gilocourt wurde im letzten November Witwe“, erwiderte er. „Jetzt, da sie wieder in Paris ist, braucht sie Personal für ihr neues Etablissement. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“
Etablissement war eine ziemlich hochtrabende Bezeichnung für eine nicht möblierte Wohnung im ersten Stock, aber Pierce verzichtete auf eine entsprechende Bemerkung. „Also arbeiten Sie erst seit dem Tod ihres Ehemanns für die Comtesse“, stellte er fest, was ihm ein neuerliches Stirnrunzeln eintrug. „Ich möchte nur sichergehen, dass mein Gehalt auch bezahlt wird“, fügte Pierce hinzu, weil jetzt offensichtlich war, dass Barrière nicht dazu zu verleiten war, über seine vornehme Mandantin zu plaudern.
„Madame de Gilocourt hat veranlasst, dass Ihnen das Gehalt der ersten Woche im Voraus ausbezahlt wird“, teilte der Anwalt ihm eisig mit. „Sollten Sie ihre Großzügigkeit ausnutzen, werde ich dafür sorgen, dass Sie strengstens zur Rechenschaft gezogen werden. Rufen Sie Ladoux aus dem Vorzimmer herein.“
Ladoux war wesentlich eher zu Klatsch und Tratsch aufgelegt als sein Arbeitgeber, und so erfuhr Pierce, dass Monsieur Barrière Mélusine erst zweimal begegnet war. Das erste Mal, als er sie gleich nach dem Tod ihres Mannes aufgesucht hatte, unmittelbar bevor sie von Paris nach Bordeaux zog; das zweite Mal erst ganz kürzlich nach ihrer Rückkehr nach Paris. Es war zwar alles möglich, doch Pierce hielt es eher für unwahrscheinlich, dass die beiden einen kriminellen Bund nach nur so flüchtiger Bekanntschaft geschlossen haben sollten.
Nachdem alle Vereinbarungen für seine neue Livree getroffen waren, machte Pierce sich auf den Weg zum Palais Royal. Schon vor seiner Ankunft in Frankreich hatte er gewusst, dass sich das Land mitten in einer politischen und finanziellen Krise befand. Aber erst in Paris war ihm klar geworden, wie unberechenbar die Stimmung im Volk war. Das Palais Royal befand sich im Besitz des Duc d’Orléans, eines Verwandten des Königs, und lag im Brennpunkt heftigsten Widerstands gegen die Regierung. Pierce war zwar in erster Linie daran gelegen, den Erpresser zu entlarven und nicht, sich in die Feinheiten französischer Politik zu vertiefen, aber er hatte keine Lust, sich von den Ereignissen überraschen zu lassen. Daher machte er sich daran, die aktuellsten Pamphlete zu lesen und die neuesten Gerüchte zu erfahren.
Es schien, als drängte sich die Hälfte der Pariser Bevölkerung im Garten und unter den Arkaden des Palais Royal. Hier gab es Buchverkäufer, Cafés, Hutmacher, ja, sogar ein Wachsfigurenkabinett. Pierce schlenderte durch die Menge und hielt wachsam Ausschau nach Taschendieben.
„Nelken, Monsieur! Kaufen Sie meine wunderschönen Nelken!“
Pierce betrachtete die kümmerlichen Blumen, die ihm vor die Nase gehalten wurden, und sah dann in die Augen des Blumenmädchens. Er brauchte keine Blumen, aber das Mädchen war sehr dünn, und in seinem Blick lag etwas Verzweifeltes. Brot war selten und überdies sehr teuer geworden, wahrscheinlich litt das Mädchen Hunger. Er warf einen Blick in den Blumenkorb. „Hm, lassen Sie mich mal sehen. Ich glaube, ein Strauß reicht nicht aus, um die Gefühle für meine Liebste richtig zum Ausdruck zu bringen. Ich nehme einen, zwei, drei … ja, vier kann ich gut in einer Hand tragen. Nein, die Vier ist keine gute Zahl, ich nehme fünf Sträuße.“
Das Mädchen sog geräuschvoll die Luft ein. „Monsieur!“
„Ich muss sie nur einen Moment ablegen, damit ich mein Geld hervorholen kann“, erklärte er und legte die Sträuße zurück in den Korb. „So, hier ist das Geld.“ Es amüsierte ihn ein wenig, dass er sich von seinem Dienergehalt als Erstes eine Handvoll Nelken kaufte. Er steckte seine Geldbörse wieder ein und wandte sich zum Gehen.
„Monsieur!“, rief das Mädchen ihm nach. „Sie haben Ihre Sträuße liegen gelassen!“
„Wenn ich es genau bedenke, fürchte ich, sie könnte mich für übereifrig halten, wenn ich ihr fünf Sträuße schenke, einer reicht“, erwiderte er bedauernd. „Behalten Sie die anderen, ich hole sie mir ein anderes Mal, nicht heute.“ Er lächelte die junge Frau an und konnte bemerken, dass sie verstanden hatte. Er würde die Blumen niemals abholen, es stand ihr frei, sie erneut zu verkaufen.
„Vielen Dank, Monsieur“, wisperte sie, und ihre Augen schimmerten plötzlich feucht. „Möge das Glück immer auf Ihrer Seite sein.“
„Dasselbe wünsche ich Ihnen auch.“ Er ging weiter und fragte sich, was er mit dem Strauß Nelken anfangen sollte, den er behalten hatte.
Ein Flugblattverteiler drückte ihm das neueste boshafte Pamphlet gegen die Königin in die Hand. Bei seiner Ankunft in Paris war Pierce erstaunt gewesen, dass so reißerisch obszöne Darstellungen von Marie Antoinette ganz offen in den Straßen verkauft wurden. Englische Illustratoren verspotteten auch prominente Mitglieder der Gesellschaft, und diese Karikaturen konnten bisweilen grausam sein. Aber in London hatte Pierce noch nie Schmähreden gesehen, die ihr Opfer so hoffnungslos verderbt und verkommen porträtierten. Obwohl Marie Antoinette mehr als die Hälfte ihres Lebens in Frankreich verbracht hatte und mit Ludwig XVI. verheiratet war, nannte das Volk sie immer noch l’Autrichienne, die Österreicherin, und belegte sie häufig mit noch weitaus schlimmeren Bezeichnungen.
Aber die Feindseligkeit der Königin gegenüber war nur ein Teil der unberechenbaren Stimmung in Paris. Frankreich befand sich in einer Krise. Der vorangegangene Winter war streng und die Ernte schlecht gewesen, weshalb Brot nun so teuer geworden war, dass viele es sich einfach nicht mehr leisten konnten. Vor nicht langer Zeit war der König gezwungen gewesen, die Generalstände einzuberufen – die Bezeichnung für die aus den drei Ständen der französischen Gesellschaft bestehende Versammlung –, und zwar zum ersten Mal nach fast zweihundert Jahren.
Noch vor der ersten Zusammenkunft der Generalstände hatte es Streit über das Votum gegeben. Wenn jeder Stand über eine gleiche Anzahl von Stimmen verfügte, konnten die ersten beiden den dritten Stand jederzeit übertrumpfen. Die Eröffnungsfeier, bei der die beiden ersten Stände, die Geistlichkeit und der Adel, ihre prunkvollsten Roben trugen, während sich der dritte Stand, das Volk, mit schlichtem Schwarz begnügen musste, hatte dem allgemeinen Unmut noch neue Nahrung gegeben. Seither hatte es unaufhörlich Auseinandersetzungen zwischen dem dritten Stand und den beiden anderen gegeben. Der Konflikt war eskaliert, als dem dritten Stand der Zutritt zur Versammlungshalle verweigert worden war. Die Vertreter des Volkes erklärten sich daraufhin zur Nationalversammlung. Sie kamen geschlossen im nahe gelegenen Ballhaus zusammen – einer Halle, in der sonst eigentlich Tennis gespielt wurde – und legten einen Schwur ab, sich niemals zu trennen, bis man eine annehmbare Verfassung verabschiedet hatte.
Über all das war in England berichtet worden, aber es war eine Sache, über die dramatischen Ereignisse in der Zeitung berichtet zu bekommen, eine ganze andere jedoch, sich im Herzen dieser Geschehnisse zu befinden. Pierce war fasziniert von allem, was er las und hörte.
Der Ballhausschwur war am 20. Juni abgelegt worden. Mittlerweile war der 8. Juli, und die Spannungen hatten immer weiter zugenommen. Die Generalstände tagten in Versailles, und Neuigkeiten über die Ereignisse dort wurden dem Palais Royal berichtet, wo man heftig darüber debattierte. Der König hatte darauf reagiert, indem er Truppen rund um und in die Stadt entsandte. Dadurch wuchsen natürlich das Misstrauen und der Unmut der Menschen. Pierce blieb eine Weile stehen, um einem Mann zuzuhören, der auf einen Tisch gesprungen war und die Menge mit einer leidenschaftlichen Rede davon überzeugte, wie wichtig es war, den dritten Stand jetzt zu unterstützen. Viele der Anwesenden scharten sich um ihn und gaben lauthals Bemerkungen dazu ab. Pierce kam es so vor, als wäre jeder in Paris zum Politiker geworden, der eine eigene Meinung hatte. Von seinem Naturell her galt seine Sympathie dem dritten Stand,...




