E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
Thornton Feuerprobe der Liebe
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7337-6676-4
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
ISBN: 978-3-7337-6676-4
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
London 1666: Die Stadt steht in Flammen! Hilflos scheint Lady Desirée einem grausamen Tod ausgeliefert zu sein. Ihre Dienstboten haben das Haus verlassen - nur sie harrt verzweifelt auf dem Dachgarten aus. Hilfe naht im letzten Augenblick: Der kühne Fremde, der sie noch vor wenigen Tagen entführen wollte, erweist sich jetzt als Retter in der Not. Mutig bringt er sie beide durch das Flammenmeer in Sicherheit. Und in Desirée erwachen leidenschaftliche Gefühle, die sie jedoch erneut in Gefahr bringen können. Denn noch weiß sie nicht, ob der attraktive Fremde Freund oder Feind ist ...
Claire Thornton ist in der englischen Grafschaft Sussex geboren und aufgewachsen. Schon früh wurde Lesen für sie zum wichtigsten Lebensinhalt. Später studierte sie Geschichte an der Universität von York, wusste jedoch immer, dass ihr Herz der Schriftstellerei gehört. Ihr erster historischer Liebesroman erschien 1992 mit großem Erfolg. Seitdem hat Claire Thornton viele leidenschaftliche Romances verfasst, die weltweit die Leserinnen begeistern.
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1. KAPITEL
London, The Strand
Sonnabend, den 1. September 1666
Lady Desirée Godwin stand in der Mitte des Dachgartens und begutachtete das Ergebnis ihrer nachmittäglichen Arbeit. Dieses kleine Paradies war ihr Reich und ganz allein von ihr erschaffen worden. Die Dienstboten achteten darauf, dass die Zisterne für sie gefüllt war, und bald würden die Träger ihre Orangenbäume ins Gewächshaus bringen, um sie vor dem ersten Frost zu schützen. Doch die übrige Arbeit verrichtete sie ohne fremde Hilfe.
Jetzt am frühen Abend war die Luft erfüllt von der schwülen Hitze des Spätsommers. Desirée nahm ihren breitrandigen Strohhut ab und wischte sich mit einer schmutzigen Hand über die feuchte Stirn. Zufrieden, dass in ihrem Refugium alles in Ordnung war, hob sie endlich den Kopf und blickte über die Brüstung hinweg.
Die untergehende Sonne tauchte den Himmel im West en in leuchtendes Gold und Scharlachrot. In Richtung Osten erstreckten sich Londons Dächer und Kirchtürme und wirkten im honigfarbenen Licht des Abends täuschend friedlich.
Desirée versuchte sich vorzustellen, wie die Leute dort durch Straßen und Gassen eilten. Auf Erfahrung konnte sie sich dabei kaum berufen, niemals war sie Teil dieser wimmelnden Massen gewesen, und nur selten verließ sie die Sicherheit von Godwin House. Zum letzten Mal war das vor fünf Jahren geschehen, als sie dem Krönungszug des Königs von einem Dachfenster in Cheapside aus zugesehen hatte.
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie einen Sperling, der heranflog, um in einer flachen Schüssel zu baden, die nur für die Vögel bereitstand. Sie drehte den Kopf, um ihn besser sehen zu können, und lächelte über den niedlichen Anblick, der sich ihr bot. Über den Blütenköpfen summte träge eine Biene. Der Sperling tauchte seinen Kopf ins Wasser und verspritzte Myriaden von schimmernden Tropfen über seinen Rücken und die leicht gespreizten Flügel.
Plötzlich störte ein kratzendes Geräusch von der anderen Seite der Mauer her die Stille. Verwirrt runzelte sie die Stirn und trat näher, um dem fremden Geräusch zu lauschen. Dabei erschreckte sie den Sperling, der davonflog.
Über der Brüstung erschien der Kopf eines Mannes. Erschrocken wich Desirée zurück. Gleich darauf wurden die Schultern des Mannes sichtbar, und ungläubig sah sie zu, wie ein Fremder das Dach erklomm, nur ein Stück weit von ihr entfernt.
Überrascht und mit heftig klopfendem Herzen betrachtete sie den Eindringling, zu verblüfft, um sich zu fürchten – oder auch nur ihr Gesicht zu verbergen.
Es war Jahre her, seit sie das letzte Mal einem Fremden begegnet war. Und nie zuvor hatte sie einen solchen Mann getroffen. Ein Engel, der menschliche Gestalt angenommen hatte.
Seine Augen waren so blau wie der Himmel, sein Gesicht das schönste, das Desirée je gesehen hatte, mit fein geschnittenen und doch männlichen Zügen. Das blonde Haar trug er der Mode entsprechend lang, und im Schein der untergehenden Sonne wirkten seine Locken wie flüssiges Gold, das sich über seine Schultern ergoss.
Er sah aus wie einer der Erzengel, die Desirée einst in einem Kirchenfenster gesehen hatte. Damals hatte die Sonne den Farben einen himmlischen Schein verliehen. Dieser Mann erinnerte sie an jenes überirdisch strahlende Bild. Er war zu perfekt, um ein Mensch aus Fleisch und Blut zu sein.
Seine Haut war glatt und fest, und die Sonne verlieh ihr einen Bronzeton, als wäre er der Gott Apollo persönlich. Er besaß die Makellosigkeit der Jugend, gepaart mit der Kraft und Stärke des erwachsenen Mannes.
Gekleidet war er nur in ein Leinenhemd und eine dunkle Hose. Unter dem Hemd sah Desirée die Umrisse eines muskulösen Körpers. Am Hals stand das Hemd offen und entblößte seine breiten Schultern. Desirée ließ den Blick weiter abwärts gleiten und bemerkte seinen flachen Bauch, die schmalen Hüften, die langen, muskulösen Beine.
Noch einmal sah sie sein makelloses Gesicht an …
Und dann stockte ihr der Atem vor Entsetzen, als sie sich endlich an das erinnerte, was sie nur so selten vergaß.
Der Mann, der hier vor ihr stand, war perfekt.
Aber sie war es nicht.
Scham und Verzweiflung überkamen sie. Sie hob die Hand, um ihr Gesicht zu bedecken, wandte sich stattdessen jedoch ab. Jetzt erst begann sie zu zittern. Tausend Fragen gingen ihr durch den Kopf, aber sie traute ihrer Stimme nicht genug, um ihn zur Rede zu stellen und herauszufinden, was der Grund für sein Eindringen in ihr privates Reich war.
Jakob war selbst überrascht. Man hatte ihm gesagt, dass Lady Desirée Godwin in ihrem großen Haus im Stadtteil Strand ein zurückgezogenes Leben führte. Er hatte vermutet, dass diese Zurückgezogenheit mit einer besonderen Vorsicht zu tun hatte, denn allem Anschein nach besaß sie weder einen Vater noch einen Vormund, der sie beschützen könnte. Man hatte ihm außerdem berichtet, dass Lady Desirée gewöhnlich in ihrem Dachgarten anzutreffen war. Daraufhin hatte er sich vorgestellt, wie sie in einem schattigen Gartenhaus saß, ganz in Seide und Satin gehüllt.
Stattdessen sah er sich unerwartet einer Frau gegenüber, die offensichtlich gearbeitet hatte und einfache, wenig modische Kleider trug. Es war nicht zu übersehen, dass ihr Rock in der Vergangenheit mehrfach zerrissen und wieder geflickt worden war. Erfreut nahm er zur Kenntnis, wie der weiche Stoff ihres Mieders die natürlichen Formen ihres schlanken, wohlgestalteten Körpers betonte. Allem Anschein nach verzichtete die Dame bei der Arbeit auf das unbequeme Fischbeinkorsett. Jakob bewunderte ihren gesunden Menschenverstand, fragte sich allerdings, ob sie wohl die Frau war, die er suchte.
Ihre Hände waren voller Erde, ihr Gesicht war schweißbedeckt, und auf ihrer Stirn zeigte sich ein Schmutzstreifen. Lady Desirée sollte dreißig Jahre alt sein, doch diese Frau hier wirkte erheblich jünger. Das haselnussbraune Haar trug sie locker aufgesteckt, in einem Stil, der mehr den Anforderungen der Gartenarbeit als der Mode folgte. Die tiefstehende Sonne verlieh ihren Locken einen rötlichen Schimmer. Ein paar lose Strähnen waren dunkel von Schweiß und klebten an ihrer Haut.
Verblüffender aber noch als ihre Kleidung waren die Narben auf ihrem Gesicht, Entstellungen, die gar nicht zu passen schienen zu einer so jungen, attraktiven und offensichtlich blühenden Frau. Nur eine Wange war gezeichnet, die andere Seite zeigte die Schönheit, die ihr von Geburt her zugedacht war. Der Unterschied zwischen dem, was war, und dem, was hätte sein können, wirkte in seiner Schlichtheit grausam.
Jakob war so verwirrt, dass er einen Augenblick lang reglos dastand. Wie waren diese schweren Verletzungen entstanden? In allen Teilen der Bevölkerung waren Pockennarben verbreitet, aber diese Wunden ähnelten jenen, die ein Soldat in der Schlacht erhielt. Mitleid überkam ihn, während sein Verstand sich zu begreifen mühte, was er da sah. War dies die Erbin, die er suchte? Waren diese Narben der Grund für ihre Zurückgezogenheit? Oder stand vor ihm nur ein Dienstmädchen, das im Garten der Herrin arbeitete?
Die Frau sah ihn ebenso überrascht an, und das konnte er ihr tatsächlich schwerlich übel nehmen. In ihren warmen braunen Augen lag allerdings ein Ausdruck, den er nicht einordnen konnte. Eigentlich hätte sie ihn für sein Eindringen beschimpfen oder die Dienstboten rufen müssen, damit sie ihn hinauswarfen.
Stattdessen sah sie ihn an wie eine wundersame Erscheinung oder einen Geist. Jakob kam der Gedanke, dass der Unfall, der Spuren auf ihrem Körper hinterlassen hatte, vielleicht auch ihren Geist in Mitleidenschaft gezogen hatte.
In demselben Augenblick veränderte sich ihre Miene. Aus Staunen wurde Entsetzen, und eine ganze Reihe von Gefühlen spiegelte sich in ihrem Gesicht wider. Verzweiflung, Scham, Wut.
Sie hob die Hände und kehrte ihm dann den Rücken zu.
Als Soldat war er sehr erschrocken, dass sie eine Haltung wählte, die sie ihm gegenüber vollkommen wehrlos machte. Als Mann bemerkte er den anmutigen Schwung ihres schmalen Nackens, der unter ihrem aufgesteckten Haar sichtbar wurde. Ihre blasse, zarte Haut ließ sie noch verletzlicher wirken. Innerlich fluchend, ertappte Jakob sich dabei, dass er sie begehrte – und gleichzeitig das starke Bedürfnis empfand, sie in den Arm zu nehmen und zu trösten.
Entschlossen ließ er seine Arme dort, wo sie waren, und konzentrierte sich nur noch auf den einen Grund, der ihn dazu veranlasst hatte, die Mauern von Godwin House zu erklimmen. Die Zeit lief ihm davon. Er musste sich vergewissern, wen er vor sich hatte, und räusperte sich.
„Habe ich die Ehre, Lady Desirée Godwin gegenüberzustehen?“
Desirée zuckte zusammen. Der Fremde hatte sie angesprochen. Seine Worte klangen fremdartig, als wäre Englisch nicht seine Muttersprache. Vielleicht war er wirklich ein Engel des Herrn.
Es war lange her, seit Desirée Kontakte zur Außenwelt unterhalten hatte, so dass die Vorstellung, einen Engel vor sich zu haben, ihr nicht ungewöhnlicher erschien als das plötzliche Erscheinen eines Mannes in ihrem persönlichen Refugium.
Aber, dachte sie dann, wenn er wirklich ein Engel ist, dann hätte er auf mein Dach herniedersinken müssen – und nicht von unten heraufklettern. Vielleicht ist er ein gefallener Engel?
„Lady Desirée?“, wiederholte er ein wenig dringlicher.
Sie holte tief Luft. Es wurde Zeit, die Dinge wieder in die Hand zu nehmen. Dies hier war ihr Dach. Ob nun Engel oder nicht, sie wollte eine Erklärung für sein Eindringen hören. Langsam...