Thoreau | Tagebuch V | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 5, 379 Seiten

Reihe: Die Tagebücher von Henry David Thoreau

Thoreau Tagebuch V


1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7518-1008-1
Verlag: Matthes & Seitz Berlin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 5, 379 Seiten

Reihe: Die Tagebücher von Henry David Thoreau

ISBN: 978-3-7518-1008-1
Verlag: Matthes & Seitz Berlin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Henry D. Thoreaus Hauptwerk ist nicht »Walden« oder »Über den zivilen Ungehorsam«, sondern sein Tagebuch, das er als 20-jähriger begann und bis wenige Tage vor seinem Tod 1861 führte. Darin notierte er Beobachtungen, die zu den bedeutendsten Naturschilderungen der Weltliteratur zählen, aber auch Gedanken und Refl exionen, die ihn als ganz eigenständigen philosophischen Kopf erkennen lassen. Durch die Lektüre wird deutlich, dass Natur und Politik wie Zurückgezogenheit und der Wunsch nach gesellschaftlicher Veränderung eine Einheit bilden. Stille, Unabhängigkeit, Antimaterialismus, Armut, Antiprüderie, Askese, Selbstdisziplin und mystische Suche sind neben überwältigend präzisen und gleichzeitig poetischen Beschreibungen des Lebens, der Natur, der großen und kleinen Lebewesen die bestimmenden Themen dieses Werks. Während dieses große Tagebuchwerk in Amerika Generationen von Künstlern und Schriftstellern beeinflusste und heute eine überwältigende Renaissance erlebt, ist es in Deutschland nahezu unbekannt. Unsere Ausgabe lädt ein, dieses Meisterwerk zu entdecken und Thoreau unzensiert zu erleben.

Henry David Thoreau, 1817 in Concord, Mass. geboren, studierte von 1833 bis 1837 an der Harvard University. 1838 gründete er mit seinem Bruder eine Privatschule. 28-jährig zog er sich für zwei Jahre in eine Hütte am Walden Pond zurück und schrieb sein berühmtestes Buch. Als er 1846 verhaftet wurde, verfasste er den Essay Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat. Ab 1849 verdingte er sich als Tagelöhner, Anstreicher, Tischler, Landvermesser und Vortragsreisender. Bereits seit 1835 litt er unter Tuberkulose, der er 1862 erlag.

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September
1. September, Mittwoch. Eine Tragödie, zumindest ein Verweilen bei der tragischen Seite des Lebens – oder ihre Übertreibung gar, ist nötig, um das Bild zu kontrastieren oder hervortreten zu lassen. Der Genius des Schriftstellers kann ein solches wie von Gilpin beschriebenes getöntes Glas sein1, dessen Nutzen darin besteht, »den Schatten eine größere Tiefe zu geben; wodurch die Wirkung kraftvoller gezeigt wird«. Das gesamte Leben wird von manchen durch dieses dunklere Medium gesehen – hat am Tragischen teil –, und sein helles und glänzendes Licht wird auf diese Weise fahl. 4 Uhr nachmittags. – Zum Walden Pond. Als ich über ihn paddle, sehe ich große Schwärme von Barschen, die nur einen Zoll messen, aber an ihren Querstreifen leicht zu erkennen sind. Groß ist die Schönheit eines bewaldeten Ufers vom Wasser aus gesehen, denn die Bäume haben viel Platz, sich auf dieser Seite auszudehnen, und jeder streckt seinen kräftigsten Ast aus, um den See zu säumen und zu zieren. Selten sieht man einen so natürlichen Waldsaum. Deshalb ist ein See wie dieser, der bis zum Wasserrand von bewaldeten Hügeln umgeben ist, der beste Ort, um die Färbungen des Herbstlaubs zu beobachten. Darüber hinaus verändern sich Bäume, die im Wasser oder in seiner Nähe stehen, früher als anderswo. Dies ist ein sehr warmer und heiterer Abend, und der Wasserspiegel des Sees ist vollkommen glatt, außer dort, wo Wasserläufer ihn kräuseln; denn sie sind in gleichmäßigen Abständen über die ganze Wasserweite verstreut, und wenn man nach Westen schaut, bewirken sie ein zartes Funkeln in der Sonne. Ab und zu treibt da auch eine Disteldaune, auf die sich die Fische stürzen und so das Wasser kräuseln – ein zarter Hinweis auf den nahenden Herbst, wenn sich im Wald auf eine glatte Seeoberfläche voller Spiegelungen die erste Disteldaune senkt, Zeichen für die Fische, dass das Jahr reift. Diese weißen, feenhaften Luftfahrzeuge werden alljährlich über die Wölbung ihres Himmels geweht. Besinne dich darauf, o Mensch, wenn die erste Disteldaune in der Luft ist. Frei schwebend treibt sie hoch in der Luft über Hügel und Felder den ganzen Tag und jetzt, vielleicht vom Abendtau hinabgedrückt, sinkt sie sacht auf die Seeoberfläche. Nichts kann die Disteldaune zurückhalten, wenn sie mit Septemberwinden unweigerlich Segel setzt. (…) Die Disteldaune ist in der Luft. Sag mir, ist deine Frucht auch dort? Erreichst du Reife? Schüttelt der Wind Fallobst von deinem Baum? Doch sehe ich keinen Staub hier wie auf dem Fluss. (…) 3. September, 1 Uhr nachts – abnehmender Mond, nach Conantum. Eine milde Nacht. Ein dünner Überzieher reicht aus. Als ich an der Straße entlanggehe, höre ich einen Apfel fallen. Treffe einen Mann, der so früh zum Markt geht. Keine Nebel lockern die Nacht auf. Ihre Grundzüge sind sehr einfach. Ich höre keinen Ziegenmelker oder anderen Vogel. Sehe keine Glühwürmchen. Sah einen Ziegenmelker (?) über den Weg flattern. Höre das Plumpsgeräusch der Frösche auf der Flussaue und gelegentlich eine Art Krächzen wie von einer Rohrdommel dort. Es ist ganz taufeucht, und ich bringe eine Menge Dreck auf meinen Schuhen nach Hause mit. Dies ist eine Besonderheit der Nacht. Ihr Tau, Wasser nimmt seine Herrschaft wieder auf. Kehre vor Morgengrauen zurück. – Morgen und Abend sind reizvoller als Mitternacht. Ich will mich bemühen, die Flut in meinen Gedanken oder das, was sich dem Einfluss des Mondes verdankt, von den gängigen Zerstreuungen und Schwankungen abzutrennen. Die von der Sonne erweckten Winde legen sich abends, dann mag der Mondeinfluss entdeckt werden. Neulich habe ich nicht die Walddrossel gehört. 5. September, nachmittags. – Zu den Klippen. Die Blütenblätter der purpurnen Gerardia übersäen die Bäche. Die ovalen Ähren von ungefähr birnenförmigen Beeren des Aronstabs sind vielleicht zinnoberrot jetzt – ihre Schäfte biegen sich zu Boden. Durch ihre Farbe haben sie bestimmt die Aufmerksamkeit des Indianers auf sich gezogen. Die Bäche sind voll von roten Würzelchen der Erlen usw. Die Landschaft bekommt allmählich ein trockenes und gelbliches Aussehen – die Maisfelder, die Grasfluren usw. –, und wenn es windet, ist ein leichtes Rascheln zu hören. Ich beobachtete auf dem Ufer nahe dem Wasser winzige rote Ahorne, nur einen Zoll hoch und gänzlich rot. Ich habe bemerkt, dass die Distelwolle schon einige Tage in der Luft ist, die Seidenpflanze aber noch nicht, auch wenn noch einige Distelblüten zu sehen sind. Manche Eichengallen von einem Zoll Durchmesser sehen wie die Kugeln von Olivenölseife aus)2, ganz hübsch. Einige kleiner und roter. Eine interessante Art schmarotzender Früchte, vielleicht nicht so ansehnlich wie die Rosenäpfel des Frühlings. (…) 6. September, Montag. (…) Mädchen ernten Hopfen in Townsend. Manche Felder sind völlig gelb von der Goldrute – eine gelbe Masse. Es ist die vorherrschende Blüte, die der Wanderer antrifft. Ging von Mason Village über die Bergkuppen nach Peterboro. Sah etwa um 10 Uhr vormittags über Mason Village einen Adler schweben, der einen weißen Kopf, einen weißen Schwanz und schwarze Flügel hatte – ein großartiger Anblick. (…) Begegnete einem Verrückten, der wahrscheinlich in ein Krankenhaus gebracht wurde; er musste uns beide bei der Hand nehmen und uns erzählen, der Geist Gottes sei auf ihn herabgekommen und habe ihm die ganze Welt geschenkt, und er würde jetzt jedem eine halbe Million schenken usw. Hohe Brombeeren am Wegesrand, immer noch reichlich Frucht tragend, die langen, süßen, maulbeerförmigen, die hauptsächlich auf die Straße beschränkt und dem Wanderer sehr willkommen sind. Ein Stein am Wegesrand in Temple, weiß getüncht mit einer schwarzen Inschrift, welche die Rüpelhaftigkeit der Yankees bekundet: »Hier wurde Jesse Spofford getötet« usw., ohne dass gesagt wird wie. So berichten wir nur von dem banalen, nicht dem bedeutsamen Ereignis, als dem Gelangen zu einem Gedanken. Wen kümmert es, ob Jesse Spofford getötet wurde oder nicht, wenn er nicht wusste, ob er es überhaupt verdiente, zu leben? (…) Ein Mann in Peterboro berichtete mir, sein Vater habe ihm erzählt, dass der Monadnock3 gewöhnlich mit Wald bedeckt sei, dass Feuersbrünste durch ihn fegten und die Grasnarbe vernichteten; dann würden die Bäume umgestürzt und ihre Wurzeln nach oben gekehrt, sodass sie ein dichtes und undurchdringliches Dickicht bildeten, in dem es von Wölfen wimmelte. Sie kamen in der Nacht herab, rissen Schafe usw. und kehrten in ihre Lager zurück, wohin man sie bis zur Früh nicht verfolgen konnte; bis man schließlich dieses Dickicht in Brand setzte und die größte Feuersbrunst entfachte, die das Land je erlebt hatte; und so vertrieben sie alle Wölfe, die sie seitdem nicht mehr behelligt haben. Er selbst hatte als Junge erlebt, dass dort ein Wolf getötet worden war. Jetzt töte man dort Waschbären, Igel und Wildkatzen. (…) 9. September Genügend Leute schmeicheln mir mit süßen Worten, und dann wieder verwenden sie bittere, um jene auszugleichen, doch sie sind nicht meine Freunde. Einfache Aufrichtigkeit und Wahrheit sind in der Tat selten. Ein Bekannter kritisiert mich ins Gesicht hinein und erwartet in jedem Augenblick, dass ich sein Freund werde, um’s zu vergelten. Ich höre meinen Bekannten, wie er seine Kritik laut denkt. Wie reden gern mit solchen, die uns gut einschätzen können, nicht mit denen, die mit uns reden, als seien wir die ganze Zeit jemand anderes. Unsere Nachbarn fordern uns auf, ihren Lastern gegenüber nachsichtig zu sein. Wie einfach ist das Gesetz der Liebe! Einer, der uns liebt, handelt dementsprechend, und sogleich kommen wir zusammen und sind unbehindert erfolgreich. (…) 11. September Der Genius wird, wie die Alligatorschildkröte4, mit einem zu groß entwickelten Kopf geboren. Unser Gehirn macht bei der Geburt angeblich ein Sechstel des Köpergewichts aus. (…) 13. September Gestern regnete es den ganzen Tag, im Verein mit beträchtlichem Wind – wodurch der Boden mit Äpfeln und Pfirsichen übersät wurde, und landesweit sammeln die Leute emsig das Fallobst auf. – Auch ist mehr Laub gefallen. Regen hat ebenso dazu beigetragen wie Wind. (…) Der goldene Herbstglanz in geballter Form, goldener als die Sonne. Wie gewiss kommt dieses Gelb längs der Bäche hervor, wenn man es dem chemischen Test der Herbstluft unterzogen hat! Es gelbt längs des Bachs. Die Erde trägt zu verschiedenen Jahreszeiten verschiedene Farben oder Trachten. Wenn ich zu dieser Jahreszeit...


Schmidt, Rainer G.
Rainer G. Schmidt, 1950 im Saarland geboren, begann 1978 mit der Übersetzung des Gesamtwerks von Arthur Rimbaud und übersetzte seither viele Werke u. a. von Henri Michaux, Victor Segalen, Herman Melville. Er erhielt u. a. den Paul-Celan-Preis und übersetzt derzeit das 12bändige Tagebuch von Henry D. Thoreau.

Thoreau, Henry David
Henry David Thoreau, 1817 in Concord, Mass. geboren, studierte von 1833 bis 1837 an der Harvard University. 1838 gründete er mit seinem Bruder eine Privatschule. 28-jährig zog er sich für zwei Jahre in eine Hütte am Walden Pond zurück und schrieb sein berühmtestes Buch. Als er 1846 verhaftet wurde, verfasste er den Essay Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat. Ab 1849 verdingte er sich als Tagelöhner, Anstreicher, Tischler, Landvermesser und Vortragsreisender. Bereits seit 1835 litt er unter Tuberkulose, der er 1862 erlag.

Henry David Thoreau, 1817 in Concord, Mass. geboren, studierte von 1833 bis 1837 an der Harvard University. 1838 gründete er mit seinem Bruder eine Privatschule. 28-jährig zog er sich für zwei Jahre in eine Hütte am Walden Pond zurück und schrieb sein berühmtestes Buch. Als er 1846 verhaftet wurde, verfasste er den Essay . Ab 1849 verdingte er sich als Tagelöhner, Anstreicher, Tischler, Landvermesser und Vortragsreisender. Bereits seit 1835 litt er unter Tuberkulose, der er 1862 erlag.

Rainer G. Schmidt, 1950 im Saarland geboren, begann 1978 mit der Übersetzung des Gesamtwerks von Arthur Rimbaud und übersetzte seither viele Werke u. a. von Henri Michaux, Victor Segalen, Herman Melville. Er erhielt u. a. den Paul-Celan-Preis und übersetzt derzeit das 12bändige Tagebuch von Henry D. Thoreau.



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