Thoreau | Kap Cod | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Thoreau Kap Cod


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7017-4458-9
Verlag: Residenz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-7017-4458-9
Verlag: Residenz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Erstmals auf Deutsch: Thoreaus meisterliche Reiseerzählung Zahlreiche Reisen führten H. D. Thoreau ab 1849 auf die Halbinsel Kap Cod in Massachusetts.Seine Aufzeichnungen zu Land und Leuten, Tieren und Pflanzen, zur Landschaft und ihrer herben Schönheit bilden die Grundlage für das posthum erschienene Buch 'Kap Cod'. Es legt Zeugnis ab von der immensen wirtschaftlichen Bedeutung des Walfangs, von der Abholzung der Wälder, der Gewalt des Ozeans, der Kargheit des Landes und der Ausdauer seiner Bewohner. Erstmals erscheint eine der großartigsten Reiseerzählungen des 19. Jahrhunderts auf Deutsch. Ilija Trojanow, der das heutige Kap für dieses Buch bereiste, bereichert dieses literarische Juwel um seine persönliche Perspektive.

Henry David Thoreau geboren 1817 in Concord, Massachusetts, 1833-1837 Studium an der Harvard University. 1845 bezieht er eine Blockhütte am Walden-See, dann arbeitet er als Landvermesser und engagiert sich öffentlich gegen die Sklaverei. Thoreau stirbt 1862 an Tuberkulose. Klaus Bonn geboren 1958, studierte Literaturwissenschaft, Anglistik und Philosophie in Mainz, freier Übersetzer, Autor und Lehrbeauftragter. Er übersetzte Thoreaus 'Briefe an einen spirituellen Sucher' (2012).

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CAPE COD – NACHGEREIST
Essay von Ilija Trojanow
Als ich eines Abends spät über die lang gezogene Landzunge von Cape Cod fuhr, vor mir einen fast vollen Mond und im Ohr einen Crooner aus längst vergangener Zeit, wurde ich von einem gleißenden Blaulicht mit Sirene gestoppt. Nachdem ich Führerschein und Fahrzeugpapiere überreicht hatte, fragte mich der Polizist, was ich auf Cape Cod vorhabe. Die Halbinsel erkunden, antwortete ich, in den Fußstapfen von Henry David Thoreau, der ist vor mehr als 150 Jahren von Sandwich nach Provincetown gewandert. Die ganze Strecke zu Fuß? Ich nickte. Was haben Sie’s dann so eilig, meinte der Polizist. Langsamer fuhr ich weiter. Im Autoradio wurde die Nachricht des Tages verkündet: Ein junger Mann sei mit zwei Kilogramm Marihuana erwischt worden. Später im Hotel, deutete der Manager auf den Safe, nicht ohne zu kommentieren, es gebe hier keine Kriminalität, nur wollten das die Gäste – aus einer anderen, bösen Welt kommend – nicht wahrhaben. Wie ich später herausfand, hatte der Mann nur eine Ausnahme unterschlagen, den endemischen Fahrradklau. Vielleicht weil das Jahr in den November gerutscht und niemand auf einem Zweirad unterwegs war. Der Unterschied zwischen Sommer und Winter ist auf Cape Cod noch ausgeprägter als anderswo. Zwischen Ende Juni und Anfang September sind die Parkplätze des Paradieses schon um zehn Uhr in der Früh belegt, die Strände gemäß einer prägnanten soziokulturellen Ordnung besetzt, manche den Männern vorbehalten, andere den Frauen. Es gelte die Regel, schreibt Michael Cunningham, dass die Schwulen nur in Badehose und mit einem Handtuch zum Strand gingen, die Lesben hingegen so viel Hausrat hinschleppten, wie sie nur könnten. Natürlich gibt es auch Strandabschnitte für Familien, für Sandburgenbauer und Grillmeister, für jene, die keinem Körperkult huldigen, und für jene, die sich eher nach Sonne als nach Sex sehnen. Freunde in New York hatten mich gewarnt: »Watch your arse!« Sie sprachen von angeblich 90 Prozent Homosexuellen in Provincetown. In der Fantasie manch eines braven Heteros sind die Dünen um das Städtchen herum Sodom und Gomorra en miniature, weil manche Einheimischen, aber auch Touristen zwischen Wasser und Gras wilden Sex treiben. An einem glasklaren Novembermorgen erwartete mich ein einziges Fahrzeug auf dem asphaltierten Areal hinter dem Herring Cove Beach. Ich parkte meinen Wagen ungefähr hundert Meter davon entfernt und machte mich auf, allein bis auf die Spuren eines Fuchses (es gibt auch Waschbären, Beutelratten und Kojoten – »Nicht füttern!« –, nachts ziehen Stinktiere durch die Straßen), die meinen Weg kreuzten, sobald mein Blick vom Pfad abschweifte. Denn an den Stadtgrenzen von Provincetown, Truro, Wellfleet und Eastham beginnt der Cape Cod National Seashore, ein unter der Ägide von John F. Kennedy eingerichtetes Reservat. Den Präsidenten verband eine intensive Beziehung zu Cape Cod, in Hyannis gibt es ein Museum zu seinen Ehren und auf der Halbinsel wurde des fünfzigsten Todestages seiner Ermordung besonders intensiv gedacht (und bei der Beerdigung von Jacqueline Kennedy Onassis wurde Edna St. Vincent Millays Gedicht »Memory of Cape Cod« vorgetragen). Der Tag, der am Hafen mit einer roten Explosion begonnen hatte, setzte sich in mondartiger Dünenlandschaft mit einer Reduktion der Farben fort. Vom unvergänglichen Grün der vereinzelten Nadelbäume abgesehen war alles karg, keine Blätter im Buschwerk, kein Boden außer dem dunklen Grau des asphaltierten Pfades und dem hellen Grau des Sands. Über all dem der klarste Himmel, der jemals über einen einsamen Wanderer gespannt wurde. Einst wuchsen größere Bäume, aber frühe Siedler haben sie gefällt und Kiefern gepflanzt, die in dieser Umgebung offensichtlich nur sehr zögerlich wachsen. Manchenorts gibt es Sand und nichts als Sand. Ich komme mir in meinem neongelben Jogginganzug laut vor und sehne mich nach Mimikry. Der Pfad, auch für Fahrradfahrer gedacht, ist nicht nur asphaltiert, sondern auch mit einem durchgängigen gelben Strich in der Mitte versehen. Unvermittelt stößt der Wanderer auf ein großes Warnschild, das die Verengung des Pfades verkündet, und dann auf eine riesige Ampel, die durch Sonnenkraft zum Leuchten gebracht wird – ein Übermaß an zivilisatorischem Reglement, das Thoreau mit Ingrimm verspottet hätte. Der Pfad führt am Flughafen vorbei (zu viel Freiraum darf man der Natur nicht lassen), der einzigen Möglichkeit, den sommerlichen Staus auf der Hauptstraße durch Cape Cod zu entgehen, und weiter zum Race Point Beach. Dort erschließt sich der merkwürdige Beginn dieser Reisebeschreibung von Henry David Thoreau. Am hölzernen Life Saver House, umringt von hohen Dünen, wird dokumentiert, wie viele Schiffe vor Cape Cod zerschellt und versunken sind. Havarien gehörten zum Alltag. Die Bergung der Passagiere und Matrosen war eine gefährliche Aufgabe, denn die kleinen Rettungsboote mussten durch die gewaltige Brandung ins Meer hinausgeschoben werden. Manch ein Rettungsversuch scheiterte daran, dass die Boote immer wieder an den Strand geworfen wurden. Der letzte Teil des ordentlichen Pfads führt durch den Beech Forest – eine baumdichte Überraschung nach der bisherigen, kargen Landschaft. Die Buchen formen natürliche Alleen und Promenaden, an manchen Stellen sind Lichtungen entstanden, auf denen im Sommer geheiratet wird, umgeben von Bäumen, die vom Menschen markiert wurden, intime Brandmarkungen, Bob liebt Sue, Jack und Jill waren hier, und hinter jedem Stamm scheint sich ein Kind zu verstecken. Übernachtet hatte ich in Provincetown. P-Town (jeder, der dort war, darf das Städtchen so nennen, wurde mir versichert) ist auf Sand gebaut, wortwörtlich. Die Häuser – meist grau, weitaus seltener in Weißblau, mit Holzschindeln und einer lang gezogenen Veranda – haben kein Fundament, es würde einen nicht wundern, wenn sie hierher zur Sommerfrische von einem jener gewaltigen amerikanischen Trucks über das Land transportiert werden würden, wie ein Boot, das zu einer neuen Marina geschleppt wird. Die Erde selbst ist ein Einwanderer, hergebracht als Ballast in den Laderäumen von Schiffen, die schwer beladen mit Salz wieder gen Europa aufbrachen, sodass in manch einem alteingesessenen Garten die winterharten Rhododendren auf europäischer Scholle wachsen. Immer wieder haben sich die Einheimischen gefragt, ob es nicht ein Fehler war, sich hier anzusiedeln, und sind doch geblieben. Mitten im Städtchen erhebt sich ein Turm, einer jener Bauten, die so fehl am Platz sind, dass man hofft, sie würden sich im nächsten Augenblick voller Einsicht in diesen Sachverhalt aus dem Staub machen. Der Torre del Mangia aus Siena wurde in grauer Einfalt nachgebaut, erstaunlicherweise um die Pilgrim Fathers zu ehren. Denn P-Town ist Konkurrent in einem erinnerungskulturellen Kampf: so sehr allgemein bekannt ist, dass die Pilgerväter 1620 auf der Mayflower über den Atlantik segelten und Plymouth in Massachusetts gründeten, so wenig ist die Kunde verbreitet, dass sie zuerst in Cape Cod anlandeten, auch wenn Thoreau es ausgiebig beschreibt. Das ärgert die Lokalpatrioten schon seit Längerem, aber trotz des toskanischen Turms und einer aufwendigen Gedenktafel inmitten des Kreisverkehrrondells am äußersten Ende des Städtchens hat sich die korrekte historische Darstellung nicht durchsetzen können. Thoreau besaß einen siebten Sinn für Absurditäten. Wäre er einige Jahre später durch Cape Cod gewandert, hätte er gewiss diese Anekdote über die Wehrhaftigkeit von Provincetown erzählt: Als der Sezessionskrieg ausbrach, fürchteten die Bürger des Städtchens einen Angriff der Konföderiertenarmee, weswegen sie auf jenem Zeigefinger gegenüber dem Hafen namens Long Point zwei sandige Festungen errichteten, eine jede ausgestattet mit einer Kanone. Tag und Nacht wachten die Männer der Stadt, hielten Ausschau nach einem Feind, der nie auftauchte, weswegen die Festungen im Volksmund Fort Useless und Fort Ridiculous getauft wurden. Es gibt allerdings weder eine Erklärung noch eine Entschuldigung dafür, dass Thoreau den Friedhof in P-Town keines Wortes für würdig erachtet, obwohl es sich um einen der schönsten Friedhöfe der Welt handelt, die kleinen schmalen Grabsteine, die meist nur den Namen und die Lebensdaten mitteilen, über einige kleine Hügel verstreut. Kein Firlefanz, keine Eitelkeit. Zur sonnigen Mittagszeit wirkt es, als hätten sich die Toten zu einem Picknick eingefunden und sich mal in Grüppchen, mal in Pärchen, mal einzelgängerisch über den Rasen verteilt, den Namen nach überwiegend WASPs – Goodwin, Hopkins, Summer, Cooper, O’Neill, Whitney, Deyer, Butler, Cobb. P-Town ist weiterhin ein durch und durch weißes Städtchen. Ich habe durch die Schwingtür in der Küche meines Hotels einen einzigen Schwarzen erspäht und ihn später jamaikanisch fluchen gehört, aber ansonsten nur wettergegerbte Bleichgesichter erblickt; von...


Henry David Thoreau geboren 1817 in Concord, Massachusetts, 1833-1837 Studium an der Harvard University. 1845 bezieht er eine Blockhütte am Walden-See, dann arbeitet er als Landvermesser und engagiert sich öffentlich gegen die Sklaverei. Thoreau stirbt 1862 an Tuberkulose.

Klaus Bonn geboren 1958, studierte Literaturwissenschaft, Anglistik und Philosophie in Mainz, freier Übersetzer, Autor und Lehrbeauftragter. Er übersetzte Thoreaus "Briefe an einen spirituellen Sucher" (2012).



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