Thiede Jesus und Tiberius
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-641-01126-0
Verlag: Luchterhand Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zwei Söhne Gottes
E-Book, Deutsch, 416 Seiten
ISBN: 978-3-641-01126-0
Verlag: Luchterhand Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Carsten Peter Thiede, 1952-2004, war Historiker und Papyrologe. Er lehrte als Professor für Umwelt und Zeitgeschichte des Neuen Testaments in Basel (STH) und hatte einen Lehrauftrag an der Ben-Gurion Universität des Negev, Beer-Sheva.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;5
2;1 Einleitung: Die Söhne Gottes und die Quellen;7
2.1;Fragezeichen;8
2.2;Zerrei proben und Untergänge;12
2.3;Bruderkriege und Gottessöhne;20
3;2 "Wegen ausschweifenden Lebenswandels"•: Skandale und Propheten;30
3.1;Im Dickicht der Familien;32
3.2;Bildungswege: Tiberius und der Vatergott;37
3.3;Weisheit aus Gadara: Theodorus, Tiberius und Jesus;45
3.4;Unglückliche Jahre: Die Frauen des Tiberius;60
3.5;Bethsaida und die doppelte Julia;63
3.6;Familienbildung - Jesus, die Ehe und die Enthaltsamkeit;71
4;3 Im Osten nur Neues: Varus, Tiberius und die Jugend des Jesus;88
4.1;Ein Gang durch Nazareth;90
4.2;Jesus und die Soldaten der Römer;110
4.3;Galil‚a und der Teutoburger Wald: Ein Freund des Tiberius siegt und stirbt;120
5;4 Meuterer und Rebellen: Der Kaiser und seine Gegner von Gallien bis Jud‚a. Ein Zwischenspiel.;146
5.1;Götter und fromme Herren;148
5.2;Ein Mordfall und andere Unannehmlichkeiten;159
5.3;Meinungsbildung: Eine Umfrage wird ausgewertet;163
5.4;Machtverteilung und Schlüsselgewalt;169
5.5;Schreiben und Trinken;175
6;5 "Der Frieden sollte gewahrt bleiben": Gegen Jesus und Sejan;180
6.1;Die Beliebtheit und das Gesetz: Ein Gespräch mit dem Kaiser;182
6.2;Geschichten und Geschichte;195
6.3;Das Rätsel Sejan;209
7;6 Nach dem Leben ist vor dem Leben: Wie stirbt ein Sohn Gottes?;236
7.1;Der Stein des Pilatus;238
7.2;Tödliche Beleidigungen?;250
7.3;Der Caprifischer: Das Netz des Tiberius wird enger;258
7.4;Schuld und Unschuld: Vom Händewaschen zum Judenhass;277
7.5;Jesus, Augustus und Tiberius: Letzte Worte der S‡hne Gottes;287
8;7 Epilog: "Weh mir, ich glaube, ich werde ein Gott!";302
8.1;Unruhige Jahre;304
8.2;Die vierzig Tage des Jesus Christus;311
8.3;Tiberius und ein Altar für den Messias Jesus;329
9;Anmerkungen;337
10;Personen- und Ortsregister;406
(S. 237-238)
Pontius Pilatus ist der römische Präfekt, von dem wir mehr wissen als von jedem anderen. Das liegt nicht nur an den vier Evangelien, die ihm in der Leidensgeschichte des Jesus von Nazareth viel Platz einräumen. Philo von Alexandria, Flavius Josephus und Tacitus erwähnen ihn, zum Teil ausführlich und mit negativen Urteilen, die das Neue Testament bestätigen. In der Zeit nach diesen Autoren des 1. und (Tacitus) frühen 2. Jahrhunderts wird er bald von Geschichten umgeben, die mit den alten Quellen nicht mehr viel zu tun haben.
So habe Pilatus einen Bericht über die Hinrichtung Jesu an Kaiser Tiberius geschickt – das ist an sich nicht unwahrscheinlich, denn es ging aus römischer Sicht um einen Hochverratsprozeß, und solche Prozesse hatte Tiberius, mit Sejans tatkräftiger Hilfe, reichsweit gefördert und aufmerksam verfolgt.1 Justin, der frühchristliche Autor aus Sichem (dem heutigen Nablus), der um 165 n. Chr. unter Kaiser Mark Aurel in Rom hingerichtet wurde, wollte diese Akten noch gekannt haben und wies in seiner ersten Apologie, ca. 155 n. Chr., gerade die Gegner des Christentums darauf hin:
Hier könne sich jeder davon überzeugen, daß die Evangelien wahrheitsgemäß berichten.2 Gut vierzig Jahre später bestätigte ein weiterer frühchristlicher Autor, der aus Karthago stammende Tertullian, die Auskunft Justins.3 Tertullian zeigte sich sogar überzeugt, daß Pilatus nicht lange nach der Kreuzigung Christ wurde.4 Die äthiopische Kirche, eine der ältesten der Christenheit, machte ihn – man möchte sagen, folgerichtig – zum Heiligen. Sein Tag im äthiopischen Heiligenkalender ist der 25. Juni, und wer sich an diesem Tag in Jerusalem aufhält, kann noch heute, nur wenige Schritte von der Hinrichtungsstätte Jesu entfernt, das Schauspiel der Verehrung seines Henkers als eines Heiligen miterleben.
Was auch immer Pilatus an Tiberius geschrieben haben mag, es ist wie alle Berichte aller Präfekten und Prokuratoren verlorengegangen. Die heute noch zu lesenden sogenannten Pilatusakten sind frühestens im 4. nachchristlichen Jahrhundert entstanden. 5 Auch ein Brief des Pilatus an den späteren Kaiser Claudius hat sich als Fälschung erwiesen, und so gilt nach heutigem Kenntnisstand, daß kein von Pilatus selbst autorisiertes Schriftstück erhalten geblieben ist. Ein Briefwechsel mit Sejan wurde auffälligerweise nie behauptet oder gefälscht, so scheinen auch die alten Autoren, die von einem direkten Kontakt des Pilatus mit Tiberius wußten oder ihn jedenfalls vermuteten, den Prätorianerpräfekten nicht für die maßgebliche Kraft hinter Pilatus gehalten zu haben.
Um so wichtiger war für die Altertumswissenschaftler – und nicht zuletzt für all jene Hyperskeptiker, die historischen Berichten über eine Person der Antike erst dann trauen wollen, wenn es auch archäologische Belege über sie gibt – eine Entdeckung, die 1961 in Caesarea gelang. Dieses Caesarea hatte Herodes der Große als prachtvolle Hafenstadt ausgebaut und nicht zuletzt mit einem Tempel des Gottes Augustus versehen. 7 Seit 6 n. Chr. war es Verwaltungssitz der judäischen Provinz. Hier trat der erste Präfekt, Coponius, von 6 bis 9 n. Chr. sein Amt an, und hier residierten seine Nachfolger Ambibuchus (9–12 n. Chr.), Annius Rufus (12–15) und der bereits von Tiberius berufene Valerius Gratus (15–26), bis schließlich 26 n. Chr. der von Sejan und Tiberius protegierte Pontius Pilatus an der Reihe war.