E-Book, Deutsch, 300 Seiten
Reihe: Reihe Technik
Verfahren und Anlagen
E-Book, Deutsch, 300 Seiten
Reihe: Reihe Technik
ISBN: 978-3-8169-0046-7
Verlag: expert verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
AWT - Arbeitsgemeinschaft Wärmebehandlung und Werkstofftechnik e.V. - Fachausschuss 4
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1Grundlagen der Verfahrenstechnik
1.1Einsatzhärten
Das Einsatzhärten besteht aus Aufkohlen oder Carbonitrieren und anschließendem Härten (DIN EN 10 052). Durch diese Wärmebehandlung erhalten Werkstücke einen Werkstoffzustand mit unterschiedlicher Gefügeausbildung über den Querschnitt: einer hohen Härte und Festigkeit am Rand und im Inneren, je nach Werkstoffzusammensetzung und Werkstückquerschnitt, ebenfalls eine gegenüber dem Ausgangszustand höhere Härte und Festigkeit. Außerdem liegt ein entsprechendes Eigenspannungsprofil über den Werkstückquerschnitt vor. 1.1.1Aufkohlen
Beim Aufkohlen wird die Werkstückrandschicht im austenitischen Zustand mit Kohlenstoff angereichert /Wys83/, /Wys90/, /AWT97/, /Neu94-1/, /Neu94-2/, /Nue94-3/, /Lie94/. Zum Aufkohlen stehen feste Mittel wie Pulver oder Granulat, Gase oder Salzschmelzen zur Verfügung. Das Gasaufkohlen kann bei Normaldruck durchgeführt werden oder in einem Niederdruckbereich ohne oder mit Plasmaunterstützung. Das Aufkohlen erfolgt in mehreren Teilschritten: 1. Reaktionen im Aufkohlungsmittel 2. Diffusion im Aufkohlungsmittel 3. Phasengrenzflächenreaktionen zwischen Aufkohlungsmittel und Stahl 4. Diffusion im Stahl 5. Reaktionen im Stahl Voraussetzung für einen sicheren Erfolg des Aufkohlens ist die Kenntnis der thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten der Reaktionen im Aufkohlungsmittel und in der Werkstückrandschicht sowie der Einsatz geeigneter Mess- und Regelverfahren. Ausführliche Beschreibungen hierzu sind in „Die Prozeßregelung beim Aufkohlen und Einsatzhärten“ zu finden /AWT97/. Nachfolgend werden die wesentlichen Gesichtspunkte daraus wiedergegeben. 1.1.1.1Verfahren Der Transport der Kohlenstoffspender - in der Regel sind dies Kohlenwasserstoffe wie Methan, Propan u. a. oder deren Sauerstoffderivate - erfolgt über das so bezeichnete Trägergas. Dieses bildet die Grundgaszusammensetzung der Ofenatmosphäre und ermöglicht, je nach Art der Herstellung der Atmosphäre, eine Einteilung in die verschiedenen industriell gebräuchlichen Gasaufkohlungs-Verfahren. Die heute industriell üblichen sind in Tabelle 1-1 aufgelistet, vgl. auch /Ede94/, /Ede01/. Tabelle 1-1:Derzeit übliche Gas-Aufkohlungsverfahren Mit Endogas-Generator Ohne Gas-Generator Trägergas-Verfahren: - Unvollständiges Verbrennen von Propan, Erdgas oder Methan mit Luft und Zugabe von Propan, Methan oder Erdgas ? Trägergasverfahren Trägergas-Verfahren: Spalten von Methan ? Spaltgas, Mischen mit Stickstoff (60 : 40) und Zugabe von Propan, Erdgas oder Methan - Erdgas, Methan, Propan oder Butan und Kohlendioxid und Zugabe von Propan, Erdgas oder Methan Eintropf-Verfahren: - Eintropfen von flüssigem Methanol und Stickstoff und Zugabe von Propan, Erdgas oder Methan - Eintropfen von flüssigem Methanol und Aceton, Alkohole oder Ethylacetat Direktbegasung: - Methan, Erdgas, Propan oder Butan und Kohlendioxid und Zugabe von z. B. Propan - Propan, Erdgas oder Methan und Luft - Isopropanol oder andere Alkohole und Luft - Methanol und Stickstoff und Zugabe von Propan Maßgebende Kenngrößen für das Aufkohlen sind neben der Temperatur die Kohlenstoffaktivität aC, der Kohlenstoffpegel CP, die Kohlenstoffübergangszahl ß und die Kohlenstoffverfügbarkeit. 1.1.1.1.1Die Aufkohlungsreaktionen, ihre Gleichgewichtsbeziehungen und die für das Prozessregeln spezifischen Indikatoren Grundlage für das Regeln des Gasaufkohlens bei Normaldruck sind die in Tabelle 1-2 aufgeführten vier Reaktionen und die dazu gehörenden Indikatoren und Regelgrößen. Die Indikatoren errechnen sich aus der Beziehung der Partialdrucke der Gaskomponenten gemäß der Gleichungen in Tabelle 1-2, die mit dem Kohlenstoffgehalt [C] an der Stahloberfläche ein Gleichgewicht anstreben. Der Partialdruck entspricht bei einem Normaldruck von 1 bar dem Volumenanteil in Prozent dividiert durch 100 (20 Vol-% CO z. B., entsprechen 0,2 bar). Die sich daraus ergebenden Messgrößen gelten für die Reaktionen (1-1) und (1-3) bei konstantem CO-Gehalt in der Aufkohlungsatmosphäre und für die Reaktion (1-2) bei konstantem Produkt (%CO)•(%H2). Methan kommt infolge seiner relativ trägen Reaktionsgeschwindigkeit als Regelgröße nicht in Frage. Bei Verfahren mit variablem CO-Gehalt muss dieser kontinuierlich mit gemessen und im Prozessrechner berücksichtigt werden. Tabelle 1-2:Reaktionen, Indikatoren und Regelgrößen beim Gasaufkohlen Bild 1-1:Beziehung zwischen C-Pegel (%C), Ofentemperatur und CO2-Gehalt bei verschiedenen CO-Gehalten der Atmosphäre /AWT97/, /Neu94-2/ Die Bilder 1-1, 1-2 und 1-3 enthalten Nomogramme, aus denen zu vorgegebenen C-Pegeln, CO-Gehalten und Ofentemperaturen die entsprechenden Messgrößen entnommen werden können. Im rechten Teil der Bilder 1-1 und 1-2 ist für die verschiedenen C-Pegel der erforderliche Indikatorwert als Funktion der Ofentemperatur dargestellt. Im jeweils linken Teilbild ist die Verbindung der Regelgrößen CO2 (Bild 1-1) bzw. Taupunkt (Bild 1-2) zur Gaszusammensetzung: CO-Gehalt, Produkt (%CO)•(%H2), dargestellt, so dass ausgehend von Ofentemperatur und C-Pegel die betreffenden Regelgrößen abgelesen werden können. Bild 1-2:Beziehung zwischen C-Pegel (%C), Ofentemperatur und Taupunkt bei verschiedenen CO- und H2-Gehalten der Atmosphäre /AWT97/, /Neu94-2/ In Bild 1-3 ist in gleicher Weise die Funktion des Indikators der Reaktion (3) berücksichtigt. In der Praxis wird der Sauerstoffpartialdruck mit Sauerstoffsonden als eine elektrische Spannung (EMK) gemessen. Diese ist über das angesetzte linke Teilbild unter Einbeziehung des CO-Gehalts der Atmosphäre zum temperaturbezogenen C-Pegel in Verbindung zu bringen. Der Zusammenhang zwischen dem Sauerstoffpartialdruck und der Sondenspannung ist in /AWT97/ und /Neu94-2/ beschrieben. Bild 1-3:Beziehung zwischen C-Pegel (%C), Ofentemperatur und O2-Sondenspannung (mV) bei verschiedenen CO-Gehalten der Atmosphäre /AWT97/, /Neu94-2/ 1.1.1.1.2Die Kohlenstoffaktivität/C-Aktivität aC Die Wirksamkeit von Elementen in Gasreaktionen oder Legierungen kann durch einen Aktivitätskoeffizienten beschrieben werden. Dieser ist temperatur- und druckabhängig und dimensionslos. Triebkraft für die Kohlenstoffaufnahme im Eisen ist die Potentialdifferenz, die sich aus den unterschiedlichen Aktivitäten des Kohlenstoffs in der Gasphase und im Austenit (?-Mischkristall) ergibt und die einen Ausgleich der Aktivitätsunterschiede anstrebt. Was also die Reaktionen einer Werkstoffoberfläche mit einer Aufkohlungsatmosphäre angeht, tritt keine Reaktion auf, wenn der Kohlenstoff in der Atmosphäre und der im Werkstoff die gleiche Aktivität aufweisen. Ist die Kohlenstoffaktivität in der Atmosphäre höher als im Werkstoff, findet ein Aufkohlen statt, ist sie kleiner, wird der Werkstoff entkohlt. Die Aktivität aC kann aus der Konzentration des im Austenit gelösten Kohlenstoffs in Masse-% und der Temperatur in Kelvin wie folgt mit den Daten in /Koh63/ berechnet werden: Dieser Zusammenhang ist in Bild 1-4 für das Löslichkeitsgebiet des Kohlenstoffs im Austenit mit Linien gleicher Kohlenstoffaktivität dargestellt /Neu94-1/. Die Linie S‘-E‘ entspricht der Aktivität aC = 1,0. Wird sie überschritten, werden Carbide gebildet. Bild 1-4:Eisen-Kohlenstoff-Zustands-Diagramm mit den Iso-Aktivitätslinien für Kohlenstoff /Hor85/ 1.1.1.1.3Der Kohlenstoffpegel/C-Pegel CP Als Maß für die Aufkohlungswirkung einer Atmosphäre wird der Kohlenstoffpegel CP verwendet. Er kennzeichnet das Aufkohlungspotential der Atmosphäre gegenüber Reineisen und ist definiert durch den sich einstellenden Massenanteil Kohlenstoff in %. Nach DIN EN 10 052 ist der C-Pegel der Kohlenstoffgehalt, angegeben in Massenanteilen Kohlenstoff in %, den eine Probe aus Reineisen innerhalb des Löslichkeitsgebiets des Austenits bei einer bestimmten Temperatur im Gleichgewicht mit einem umgebenden Mittel annimmt. 1.1.1.1.4Der Legierungsfaktor kL Bei legierten Eisenwerkstoffen wird durch die Legierungselemente die Kohlenstoffaktivität...