Theiss | Das Darmstädter Mörderliebchen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Reihe: Wahre Verbrechen im GMEINER-Verlag

Theiss Das Darmstädter Mörderliebchen

Ein wahrer Kriminalfall
2024
ISBN: 978-3-8392-7836-9
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ein wahrer Kriminalfall

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Reihe: Wahre Verbrechen im GMEINER-Verlag

ISBN: 978-3-8392-7836-9
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Darmstadt, 1847. Gräfin Emilie von Görlitz stirbt bei einem Brand in ihren Gemächern. Während Polizei und Justiz von einem Unfall ausgehen, wittert die Öffentlichkeit einen Gattenmord. Kurz darauf wird Kammerdiener Johann verhaftet, ihm droht die Todesstrafe. Seine Braut Christina ist von seiner Unschuld überzeugt, gerät aber als Mörderliebchen selbst an den Pranger. Dann bricht die Revolution aus, und die Welt steht Kopf. Christina wittert eine Chance für Johann und schließt sich dem Radikaldemokraten Paul an. Aber ist dem tollkühnen Kerl zu trauen?

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Wasser
Alles rennet, rettet, flüchtet, Taghell ist die Nacht gelichtet … Hoch im Bogen spritzen Quellen, Wasserwogen … Mussten ihm in jeder Lebenslage, in wirklich jeder, diese Gedichte durch den Kopf schießen, die er während seiner Gymnasialzeit zu pauken und fließend auswendig vorzutragen hatte? Von wem war das nun? Goethe oder Schiller? Andere Dichter ließ der Deutschlehrer am Pädagog ja nicht gelten. Sei’s drum! Alexander postierte sich am Fuß einer Leiter, die zur Beletage führte, schaute hinauf, betrachtete die schwarzen Rauchfäden, die durch die Ritzen heraustraten, und schob die Frage beiseite. Er war ein gut benoteter Student der Juristerei. Nun galt es, den Schulkram endlich von sich zu schütteln und seinen Scharfsinn walten zu lassen. So dramatisch wie in dem Gedicht ging es rund um das Haus des Grafen von Görlitz ohnehin nicht zu. Es schien ein Schwelbrand zu sein, kein lodernder, sondern ein vor sich hin glimmender Brand, wie er von einer einzelnen nachlässig gelöschten Lampe herrührte. Oder durch den Funkenflug von einem Rest Glut im Kamin. Unter Luftabschluss entwickelten sich Schwelbrände langsam, und man konnte sie bändigen – es sei denn, man erstickte zuvor am Rauch. Schon zweimal war Emilie von Görlitz bei brennender Kerze eingeschlafen, so erzählte man sich. Doch immer war es glimpflich ausgegangen und bei einem Zimmerbrand geblieben, den die Bediensteten hatten löschen können. Diesmal jedoch mochte die Gräfin in Gefahr sein, ihre Tür war abgeschlossen, und sie antwortete nicht, wenn man rief oder klopfte. So hatte der Diener berichtet, der als Erster den Rauch bemerkt hatte. Wollte die Gräfin sterben? Oder hatte sie das Haus verlassen und die brennende Kerze vergessen? Das war nicht wahrscheinlich. Eine angesehene Frau ging am Abend nicht ohne ihren Gemahl aus. Sonst wäre sie anderntags keine angesehene Frau mehr. Nun gut, die Gräfin konnte am Nachmittag zu einer Verwandten oder Freundin gereist und dort geblieben sein, ohne ihrem Mann Bescheid zu geben. Um sich auszuweinen, weil sie mit dem Grafen Streit hatte, zum Beispiel. Es wurde gemunkelt, dass es mit der Ehe des Paares nicht zum Besten stehe. Was wiederum, besonders in Adelskreisen, keine Seltenheit war. Nur Klatsch und Tratsch? Vielleicht. Doch Überlegungen dieser Art gehörten zu Alexanders Kerngeschäft. Er wollte Advokat werden. Und das bedeutete, jedem Verdacht nachzugehen, allen Spuren zu folgen, auch dem Geschwätz der Leute zuzuhören. Durch der Hände lange Kette Um die Wette fliegt der Eimer … Einen Unsinn hatte Goethe da gedichtet! Oder Schiller. Wassereimer flogen nicht. Mit Umsicht mussten sie weitergereicht werden, damit auf dem Weg vom Brunnen bis zur Brandstätte wenig verschüttet wurde. Mit Rücksicht auf seine Schuhe nahm Alexander einen vergleichsweise trockenen Platz in der Rettungskette ein, dafür einen hochwichtigen: Er hielt die Leiter fest, die zum Wohnzimmer der Gräfin hinaufführte, wo die Feuerquelle vermutet wurde. Und es galt, diese Leiter gewissenhaft zu stabilisieren, denn am oberen Ende balancierte ein tollkühner Kerl, der einen hinaufgereichten Eimer nach dem anderen ergriff und das Wasser durch die zerborstene Scheibe schleuderte. Die Leiter zitterte, bebte, wackelte. Alexander umfasste die Holme mit beiden Händen, er spannte die Bizepse an, atmete in die Flanken, um Brust und Arme ruhig zu halten. Alles ungeachtet des Rinnsals, das unter seiner Mütze hervortrat und ihm beißend in die Augen sickerte. Von der Stirne heiß rinnen muss der Schweiß … Dennoch war Alexander dankbar für die ihm zugekommene Aufgabe, denn viele andere Helfer waren durchnässt, besonders der am oberen Ende der Leiter. Dem tropfte es aus den Schuhsohlen, seine Hemdsärmel schienen sich im Wasser aufzulösen. Und doch glühten seine Wangen vor Eifer. Von den Gesichtszügen her mochte er Mitte dreißig sein, seine Arbeiterkluft ließ ihn älter erscheinen, sein Elan jünger. Alexander kam nicht umhin, ihn im Stillen zu bewundern. Andererseits erschien ihm der Mann … nun ja, rätselhaft. Dieser üppige Bart, das Zottelhaar, die rote Halsbinde zur abgetragenen sandfarbenen Weste, dazu eine schlecht sitzende, von der Sonne geblichene, vormals vermutlich schwarze Hose – eine unauffällige Kombination der Revolutionsfarben Schwarz, Rot und Gold also. So kleideten sich gern die radikalen Demokraten, die Sozialisten und Kommunisten, die Wühler, wie sie im Volksmund genannt wurden. Und riskierten damit das Interesse der Geheimpolizei. Wer seine umstürzlerische Gesinnung nach außen kehrte, der lebte gefährlich. Wenn dieser Mann aber ein Wühler war, was um Himmels willen tat er hier? Dies war das Haus eines Hochadligen, bitte sehr. Friedrich Graf von Görlitz war ein ordensreicher Geheimrat und hochbesoldeter Zeremonienmeister Seiner Majestät des Großherzogs von Hessen-Darmstadt. Und überdies mit allerlei Weihen gesegnet. Ein echter Wühler würde inmitten der gaffenden Menge vor dem Haus stehen und sich ins Fäustchen lachen, dass das Mobiliar des hochherrschaftlichen Hauses, für das schlecht bezahlte Manufakturarbeiter mit Schwielen an den Händen und Holzstaub in den Lungen geschuftet hatten, zu Asche zerfiel. Eher noch würde ein wahrer Wühler sich mit desinteressierter, wenn nicht verächtlicher Miene abwenden und seiner Wege gehen. Warum sollte er nur einen Gedanken verschwenden an eine der Melancholie anheimgefallene Gräfin, die sich mit Absicht oder aus Unachtsamkeit oder aufgrund einer Mischung aus beidem einen Fluchtweg aus ihrem goldenen Käfig ins Jenseits verschaffen wollte? Statt das Spektakel zu ignorieren, riskierte der Kerl seine gesunden Gliedmaßen. Denn wenn er aus dieser Höhe fiele, wäre ein Arm- oder Beinbruch das Mindeste. Ein Schnupfen drohte ihm sowieso. Andererseits … warum sollte ein Wühler kein guter Christ sein? Einer, der in seinem politischen Gegner in erster Linie den Menschen sieht, dem geholfen werden muss, wenn er in höchster Not ist. Vielleicht ist dieser Mann ein Feind der Vornehmen, aber nicht der Feind von Menschen, die doch nur der historische Zufall zu Vornehmen gemacht hat. So zumindest hatte Georg gedacht, der große Bruder, der ein stadtbekannter Radikaler gewesen war und vor der Geheimpolizei ins Ausland hatte fliehen müssen, wo er letztlich starb. Alexander war keine neun Jahre alt gewesen, als er ihn das letzte Mal sah. »Vom Fenster aus ist nix mehr möglich«, rief der Wühler und riss ihn aus seinen Überlegungen, kletterte wieselhaft die Sprossen herunter, schüttelte seine Mähne, dass die Tropfen flogen und alle Umstehenden zurückwichen. »Wir müssen ins Haus.« Sein Blick heftete sich ans Seitenportal mit der Sandsteintreppe. »Wir müssen durch die Tür da, wenn das geht.« Er riss einem Halbwüchsigen den Wassereimer aus der Hand, sprang die Stufen hinauf, drückte die Klinke herunter … Die massive Tür öffnete sich, eine Rauchwolke trat aus, verzog sich. Keine Flammen. Löschwasser sickerte als Rinnsal eine gewundene Steintreppe herab. Er drehte sich um und winkte. »Ich glaub, wir können rein.« Aus einem Pulk, der sich in einer efeuberankten Ecke des Innenhofs versammelt hatte, trat Graf von Görlitz in orientalisch gemustertem Schlafrock. Mit schlaffen Schultern und der Andeutung eines Kopfnickens tappte er an dem Wühler vorbei ins Haus. Ein Diener folgte ihm mit der Lampe. Der übrige Pulk – bestehend aus zwei weiteren Schlafrockträgern und einigen Männern und Frauen, die nach Dienstpersonal aussahen – ging zögerlich hinterdrein. Der Wühler nickte Alexander auffordernd zu. Ohne ein Wort zu wechseln, schlossen sie sich der Prozession an, jeder mit einem Eimer Wasser bewehrt, und stiegen die Steintreppe hinauf in den ersten Stock. Hinter einer doppelflügeligen Tür, ab Brusthöhe mit Glasintarsien versetzt, herrschten Dunkelheit und Stille. Kein Schreien, kein Wimmern, kein Klopfen. Auch kein Feuerlodern, kein Lichtflackern. Nichts. »Mein Gott, wenn die Frau Gräfin nur nicht verbrannt ist«, sagte eine Frau mit Schürze, Haube und Damenbart. Der Wühler drückte die Klinke herunter. »Verschlossen.« »Das wissen wir schon«, sagte der Diener mit der Lampe. Der Graf rieb sich die Tränensäcke mit Daumen und Zeigefinger. Er werde unverzüglich nach einem Schlosser schicken, erklärte er und straffte sich ein wenig. Der solle einen Dietrich mitbringen und die Tür öffnen. Ein Schlosser? Warum auf einen Schlosser warten? Alexander und der Wühler sahen einander verdutzt an. Einer der Schlafrockträger – den Gesichtszügen nach konnte es jemand von der benachbart wohnenden und äußerst betuchten Sippe derer von Riedesel sein – legte dem Grafen die Hand auf die Schulter. »Wir müssen die Tür aufbrechen, lieber Friedrich.« »Wir müssen die Tür aufbrechen«, wiederholte der Graf mit belegter Stimme. Doch wie bei hochwohlgeborenen Herrschaften häufig, war mit »wir« nicht unbedingt »wir« gemeint. Manchmal bedeutete »wir« so viel wie »ich«, war also ein Pluralis Majestatis. Manchmal aber hieß »wir« im Gegenteil »nicht ich«, sondern die anderen. In diesem Fall griff die zweite Auslegung. Tätig werden sollten nach Ansicht des Grafen seine Bediensteten. Die damenbärtige Frau, als Marie angesprochen, sollte den Vorschlaghammer aus dem Keller holen, damit die Lakaien Fritz und Johann damit hantieren konnten. Der Kutscher Franz wurde angewiesen, den Hausarzt aufzusuchen und ihn herzubefördern. »Es...


Theiss, Ella
Ella Theiss ist das Pseudonym von Elke Achtner-Theiss, die in der Nähe von Darmstadt lebt. Sie hat Germanistik und Sozialwissenschaften studiert und anschließend rund 35 Jahre lang als Redakteurin, PR-Texterin und Sachbuchautorin gearbeitet, insbesondere in den Themenbereichen Ökologie und Bio-Lebensmittel. Heute schreibt sie vor allem Romane und Erzählungen, von denen bereits mehrere ausgezeichnet wurden. Unter anderem belegte sie mit einem Histo-Krimi den zweiten Platz beim Gerhard-Beier-Preis, und eine ihrer Kurzgeschichten gewann den Quo-Vadis-Preis für historische Kurzgeschichten.



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