E-Book, Deutsch, Band 21, 368 Seiten
Thaler Jahrbuch Franz-Michael-Felder-Archiv 2020
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7065-6119-8
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
21. Jahrgang 2020
E-Book, Deutsch, Band 21, 368 Seiten
Reihe: Jahrbuch Franz-Michael-Felder-Archiv
ISBN: 978-3-7065-6119-8
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Jahrbuch 2020 enthält die Felder-Rede, die der Architekt Roland Gnaiger unter dem Titel „Dem Nächsten und Konkreten zugewandt“ gehalten hat. Es enthält eine Edition von bislang unbekannten Gedichten und Tagebüchern von Yvan Goll durch Barbara Glauert-Hesse. Barbara Wiedemann kann ausgehend von unbekannten Briefen neue Aspekte zur sogenannten „Goll-Affäre“ präsentieren. Claudio Bechter schreibt über Paula Ludwigs Beiträge in den Kunst- und Literaturzeitschriften ihrer Zeit. Helga Zitzlsperger folgt den Spuren der sogenannten „Schwabenkinder“ in der Literatur. Mit Johann Koderle, einem Freund Franz Michael Felders, der vor allem auch durch seinen Erfindungsreichtum und seine naturwissenschaftlichen Schriften in Erinnerung geblieben ist, beschäftigt sich Günter Felder. Ulrike Längle schreibt über Wilhelm Furtwänglers Beziehung zu Dornbirn und Heiden in der Schweiz. Mit dem Verhältnis von Werner Kofler zu Vorarlberg setzt sich Wolfgang Straub auseinander. Harald Weigel gibt einen Einblick in den bislang beinahe unbekannten Nachlass von Joseph von Bergmann. Im letzten Teil des Jahrbuchs werden Beiträge zur Literatur des Bodensees veröffentlicht: Marcus Twellmann schreibt am Beispiel von Annette von Droste-Hülshoff über den Zusammenhang von Literatur und Tourismus. Andrea Capovilla beschäftigt sich mit Büchern von Eva Schmidt und Anna Stern. Literarische Blicke auf Konstanz analysiert Hermann Gätje und Irmgard M. Wirtz schreibt über Thomas Hürlimanns Stück „Grossvater und Halbbruder“. Veröffentlicht wird auch die Grabrede, die Ulrike Längle auf den Schriftsteller und Ausstellungsmacher Oscar Sandner gehalten hat. Das Protokoll der 52. Jahreshauptversammlung des Franz-Michael-Felder-Vereins sowie der Arbeitsbericht des Franz-Michael-Felder-Archivs der Vorarlberger Landesbibliothek runden diesen vielfältigen Jahrgang wie gewohnt ab.
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BARBARA GLAUERT-HESSE Yvan Goll.
Unveröffentlichte Gedichte
und Tagebücher
1918 – 1940
Aus dem Nachlass von
Robert Warnebold Gedichte 1918 – 1930 Abstieg Jung schwang ich mich empor Im Knochengebirg Nach Göttern zu graben: Viele Väter vor mir Viele Söhne nach mir Lockt der Granit. Zum Übermut. Doch bald Wirft sie’s zurück In leuchtendes Vergessen: Rasch mit dem Wasserfall Reisst sie’s hinab – – Weise vom Sturz Reich vom Verlust Such ich die Menschen Die ich zurückliess: Ruhig Erwart ich ihre dunkle Karawane Ihre langsame Karawane Am Hügel lehnend Den Kopf im roten Klee Und – mit den Füssen im Bach Des Himmels Bild Zerschlagend * Und wende mich um Ein Mensch unter Menschen Von all dem Treiben Nur einen roten Klee Im Knopfloch Bergwald O Wald, du leuchtender lächelnder Freund Mit grünem Moosbart Von Sonne triefend und von Harz Mit tausend Armen umarmend, Mit tausend Händen verschwendend: Ich brauche deine Güte! Gib Du Reichgeborener, Goldäugiger, der wie ein Patriarch Mit kleiner Erdbeerliebe sich umgibt Und ein Ballett von Rehen unterhält In der Waldmeisterlichtung – Geheimniskundiger Der mit den Wölfen und den Hexen verkehrt Und greiser Eulen Weisheit lernte: Du gib mir das Geleit Bis ans Gebiet der Steine – Und der Einsamkeit Und zuversichtlicher Beschreit ich dann den Weg Des Einsamen. Fels-Grat Steig, steig Und wär's umsonst! Zehnmal gekreuzigt von der Sonne Nägeln Und immer kleiner vor den Türen des Himmels Du hängst am Rand der Erde – – Und fehlt dein Fuss – fällst du ins Nichts hinauf. Ein Tänzer musst du sein Auf Spitzen balancierend Nackt zwischen Tod und Tod Der Stein ist los Der Fels ist fremd Du Mensch: was klopfst du an den Türen des Himmels? Stumm Fluch Und überwind dein Herz Gekreuzigt von der Sonne Nagel Noch einmal fluch Und überwinde Gott! Gesang des Mädchens 1. Streichle mich, Frühwind, Betöre mich mit deinen Amseln, Beströme mich mit deinem Lächeln. Da steh ich Schmal zitternd Ein Mandelbäumchen Mit blassen Blättchen, Und unter deinen heimlichen Küssen, Mannwind, Reift mein rosa Gefühl Und Durchduftet das Tal. 2. Umschwalbe mich, Frühling, Umlerche mich, Süsswind, Ich bin deine Wiese Erblüht und erkleet! Ich minze den Bach, Ich bächle das Wäldchen, Ich nachte und monde Dem Liebenden zu. 3. Der Wölkinnen rosigste Der Rosen wolkigste Will ich dir sein! Ganz hin geduftet Deinem Rauschen, O dass du mich umdornest Und dunkel dich entadlerst Und mir lächelst: Unhimmlischer Gott! Gletscher In der pariser Morgue Sah ich einmal die Toten eines Tags, In Eissärgen zur Schau gestellt: Ich suchte einen Freund Und fand ein Dutzend … So stand vor mir der Gletscher Mit seinen Totenkammern: Hier war der Götter Grabstatt Hier sah ich vieler Morgenröten Altgewordene Leichen Und früher Riesen dauernde Skelette Und dort auf einem weissen Felde Vom Frühlingsföhn des Schnees gelockt Lag eine Saat von kleinen grauen Vögeln Die trunken aus dem Tal Mit irren Schwingen An ihren Traum Geglaubt Und dafür starben Nachthütte Erst in der Hütte Ward’s wieder menschenwarm: Es duftete nach herbem Holz Nach liebem Feuer Nach Frauenhaar! Nun, seinen Sieg vergeuden! Wie nur ein Gletscher im März Hinrieseln Hinsinken Hinschmelzen Aus allen Munden tropfen Aus allen Augen weinen Zergehen zu Tal Zerrinnen zu Tiefe Essen Schlafen Mensch sein An der Schulter Die vergänglich ist Und zittert Schlucht Sind die Menschen für das Aug der Sterne Das mit Feuerblicken Sie erprobt: Sind die Menschen mehr als ein Gekröse Ein schattiges Geschlecht Im Tanz der Wälder und der Städte? Krone der Schöpfung! Mit eckigen Köpfen Mit Herzfehlern Hungersnöten ausgesetzt Und den schlimmeren Instinkten! Dumpfe Gruppen mit Trommeln, Müde Massen des Schweigens Füllen die Plätze Füllen die Häuser Und arbeiten Und arbeiten Und arbeiten Und wenn sie nicht arbeiten Klagen sie Klagen das Aug der Sterne an Das sie ansieht Und verlangen dass es ihnen helfe, Und wissen nicht Wozu es ihnen helfen soll Wald O Wald, mein bärtiger, reichgeborener Freund Der funkelnd von Goldsmaragd Mit tausend Armen und tausend Händen Sein Alles ausstreut Und immer freundlich ist. Du Vie[l]gewaltiger Der sich mit Kleinstem abgibt Die Erdbeeren zu liebenden Herzen erzieht Aus jedem Reh eine Tänzerin macht In der waldmeisterduftenden Lichtung Geheimniskundiger auch Der mit den Wölfen und den Hexen verkehrt Jedoch am glücklichsten Wenn ein dummes Rotkehlchen Die Tonleitern übt Dass du mein Freund bist Und mich den ersten Weg begleitest Bis ans Gebiet der steinernen Einsamkeit Wie zuversichtlich Schreit ich aus! Wald (2) Du wirfst deinen nächtigen Mantel um mich Legst Moos um meine Füsse Legst Moos um meinen Mund Und hältst den Schlag meines Herzens an! Und doch gibst du mir keine Ruh: Du Tausendäugiger! Unheimlich ist mir deine Freundschaft! Unheimlich deine väterliche Art: Denn spielst du nicht mit der Angst der Rehe? Verschweigst du nicht, du Tausendstimmiger, Ein schreckliches Geheimnis Mit deiner Eulen flügellosem Flug? Geschehn nicht Morde Am Mittaghang Der rot von Erdbeeren brennt? Was will die Wurzel, Die nach mir rennt? Ich fürchte mich vor deinem goldenen Lächeln Vor deiner tiefen Tiere Gottlosen Augen. Gedichte 1930 – 1937 Ans Kreuz des Südens Hast du mich angeschlagen Nun leucht ich weiss – doch tot – diese deine Nächte *
* *
* Plötzlich erschrak mein Körper Inmitten der brennenden Rosen Brannte er mit – ohne dich Auteuil, 27.8.1933 Einen Tag und eine Nacht brauchte ich Um zu begreifen Dass Du es warst der an mein Herz klopfte Stark war ich und gross Wie im Gebirge Wuchsen meine Schmerzen über die Welt hinaus Das Linnen der Begrabenen presste meinen Leib Die Starre der Vergessenen dörrte meine Glieder Meine Augen waren leer wie die der Denkenden Da traf dein Atem mich Und ich erzitterte auf meiner Erde Zarter als der Krokus auf den Gräbern im Frühlingswind Leise rührtest du mich an Setztest sanft mir neue Augen ein Meine Brüste wurden spitz von der Berührung des Engels. Schwach bin ich nun Erschrocken und stumm Starr ich mit deiner Sehkraft Ins Antlitz der Verheissung Zögere nicht länger Du der über mich schwebt Spüre mein tödliches Zittern Stoss herab o mein Gott Komm! Hochsommerlied O dein Mohnblut Im Gewoge des Hafers Blaue Krone des Korns Die zum König mich kürt O du silberner Rittersporn Der die Lenden mir schürt Blühende Dornenhecke Dach meines Schlafes Dein Sommersonnengesicht Mir Atem mir Speise mir Licht Iwan 21. Juni 1938 Hügelwiese Nur einmal noch – Bevor der Berg beginnt – Den Kopf an deine traumduftende Hüfte schmiegen Das Haar mit Veilchengras vermischt Und im Geruch der Urgeburt versunken – Mutter! Mutter! Die ich verschrie, Niedere, Dienende, Die ich verschmähte, Die Wäsche wusch Im Acker grub Und nach dem Regen fragte – Mutter, Demutsmutter, Demeter Hier hier vor meinem Gang zu Gott Knie ich zu deinen Knien Und esse deinen Staub Weib, Leib, Erde! Ich lass fallen von mir Jahr um Jahr Wie der Platanenbaum seine Rinden. Langsam von der Stirn Löst sich das seidne Gelock Und der Geliebten Rötliches Lied entweht. Immer nackter wird meine...