Taylor | Mr. Booker und ich | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Taylor Mr. Booker und ich

Roman
19001. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8437-2075-5
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-2075-5
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Im Nachhinein konnte Martha nicht sagen, wann sie Mr. Booker das erste Mal küsste Vernünftig wäre es gewesen, den verheirateten Mann nicht zu begehren. Doch Martha ist sechzehn und lebt in einer Kleinstadt, die in ihren Augen ein Friedhof mit Beleuchtung ist. Sie wartet darauf, dass der Rest ihres Lebens endlich beginnt. Mr. Booker erhellt ihre Welt mit Stil, Abenteuer, Whiskey, Zigaretten und Sex. Die Wucht ihres Verlangens zerstört und ermächtigt sie. Nur hat Martha die Konsequenzen nicht bedacht. 'Mr. Booker und ich' erzählt von dem Gefühl, erwachsen zu sein, wenn man jung ist, und sich jung zu geben, wenn man es nicht mehr ist. 'Eine beinahe zärtliche Geschichte von Liebe, Sex, Macht und dem Erwachsenwerden.' Australian Bookseller 'Der Roman erinnert uns daran, dass Jugendliche so schnell erwachsen werden, weil sie von Erwachsenen umgeben sind, die sich wie Kinder benehmen.' Sydney Morning Herald

Cory Taylor (1955 - 2016) gehört zu den renommiertesten Schriftstellern Australiens. Sie war Drehbuchautorin und hat zudem zwei Romane veröffentlicht, die beide ausgezeichnet wurden. Ihr erster Roman 'Me and Mr. Booker' erhielt den Commonwealth Writers Prize (Pacific Region) und ihr zweiter Roman 'My Beautiful Enemy' war nominiert für den Miles Franklin Literary Award. 5. Juli 2016 kurz nach Erscheinen ihres Memoirs 'Sterben'.
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Die Seele der Party


Zu der ganzen Geschichte kam es nur deshalb, weil ich bereit dafür war. Vielleicht nicht konkret dafür, aber für etwas in der Art. Es liegt jetzt eine Weile zurück, aber meine Devise war damals, dass ein Mädchen schlicht eine Frau ohne Erfahrung ist. Ich weiß, was Mr. Booker zum Thema Erfahrung sagen würde. Er würde sagen, wenn bei den Schiffschaukeln nichts läuft, brummt’s bei den Karussells umso mehr.

Da war zunächst die Altersfrage. Ich war sechzehn, als ich Mr. Booker kennenlernte, was je nach Person jung oder alt sein kann. In meinem Fall war es alt. Ich fühlte mich schon alt, seit ich zehn war, also grob geschätzt seit der Zeit, als meine Eltern zu dem Schluss gekommen waren, dass sie ihr Leben in den Sand gesetzt hatten. Das wusste ich, weil sie es jedem erzählten, der es hören wollte, mich eingeschlossen. Ihre Enttäuschung gehört zu den Dingen, die sie mir beide gemeinsam vererbt haben, wie auch ihr welliges Haar und die Tischmanieren. Im Speziellen, so glaube ich, verdanke ich es Victor, dass ich meine Erwartungen so früh herunterzuschrauben lernte.

Auf den ersten Blick wirkte mein Vater noch ganz annehmbar, zwar aufgeblasen und verbohrt, aber das sind viele Männer und kommen damit durch. Es gibt Schlimmeres als Verbohrtheit und Aufgeblasenheit. Sogar ich fand ihn halbwegs annehmbar, bis ich alt genug wurde, um ihn zu durchschauen. Ab da sah ich Victor als das, was er war: pures Gift. Wenn man das einmal kapiert hatte, hielt man sich nach Möglichkeit fern von ihm. Einen tollwütigen Hund streichelt man schließlich auch nicht, wenn man nicht lebensmüde ist.

Dann war da die Frage meines Aussehens. Die Leute reagierten auf mich, das stellte ich schon seit einiger Zeit fest. Ich war nicht hübsch, dazu war ich zu melancholisch und blass, an meinem Gesicht konnte es also nicht liegen. Aber etwas an mir brachte die Leute – und mit Leuten meine ich eigentlich die Männer, die mit den Freundinnen meiner Mutter verheiratet waren – dazu, mir nachzuschauen. Das hatte mit meinem Bereitsein zu tun, meinem Warten. Ich wusste es schon, ehe sie es wussten, und deshalb mochten sie mich und küssten mich zur Begrüßung auf die Wange. Diejenigen, die Kinder hatten, fanden es auch gut, wenn ich bei ihnen babysittete, weil sie mich dann anschließend heimfahren konnten. Mich störte das nicht. Es waren nette Männer. Sie redeten mit mir wie mit einer Freundin, und keiner wurde zudringlich, bis auf den Gitarrenlehrer, der Italiener war, also hörte ich auf, seine Kinder zu hüten, und hängte die Gitarrenstunden an den Nagel.

Meine Schulnoten waren so lala. Es gab nur ein Fach, das mir wirklich Spaß machte, und das war Französisch. Für Jessica, meine Mutter, stand bereits fest, dass ich nach der Schule studieren und Lehrerin werden würde wie sie, aber das hatte ich nicht vor. Der einzige Grund, warum ich Französisch mochte, war, dass wir Mr. Jolly als Lehrer hatten und es mir vollkommen gereicht hätte, bis an mein Lebensende nur Mr. Jolly anzustarren und ihm zuzuhören, wie er französische Vokabeln vorlas. Aber das sagte ich meiner Mutter nicht. Ich sagte ihr, dass ich warten und erst einmal meine Optionen ausloten wollte, bevor ich eine Entscheidung über meine Zukunft traf.

»Du kannst alles schaffen, was du nur willst«, sagte meine Mutter. »Vorausgesetzt, du klemmst dich richtig dahinter.«

Was eine reichlich seltsame Aussage aus ihrem Mund war, denn sie hatte es als Einziges geschafft, ihre besten Jahre an einen hoffnungslosen Fall wie Victor zu verschwenden. Nicht dass ich ihr das hätte sagen müssen – sie wusste es selbst am besten. Das war das Problem bei meiner Mutter. Sie redete sich ein, sie könnte mich davor bewahren, die gleichen Fehler wie sie zu machen, aber im Grunde ihres Herzens glaubte sie an Vorbestimmung, an Schicksal.

Deshalb würgte ich sie auch meistens sehr schnell ab, wenn sie davon anfing, wie viel Potenzial ich doch hätte, denn das klang immer so, als würde ich absichtlich hinter meinen Möglichkeiten zurückbleiben, und das stimmte nicht. Wie schon gesagt, ich wartete; ich war bereit.

Ich träumte außerdem davon, von daheim wegzugehen, aber das sagte ich ihr erst recht nicht, weil es sie nur noch trauriger gemacht hätte. Meine Mutter war an einem ziemlichen Tiefpunkt, und sie wollte nicht allein sein. Das wusste ich, auch ohne dass sie es aussprach. Ich merkte es an der Art, wie sie manchmal schaute, als wäre sie ihr Leben lang nur von allen verlassen worden und ich würde die Nächste sein.

»Was täte ich bloß ohne dich?«, fragte sie.

Ich sagte ihr, dass diese Frage rein hypothetisch und darum sinnlos war. Aber sie stellte sie trotzdem immer wieder.

Ich glaube, das, was passierte, hatte auch eine Menge mit der Stadt zu tun, in der wir damals wohnten, die nichts Großstädtisches an sich hatte, aber auch nichts Ländliches. Es war eine Art Niemandsland, ein Ort viele Meilen entfernt von allem, was zählte, von allem mit irgendeiner Art Eigengeruch. Und alle dort waren wie ich, alle wollten nur weg und etwas erleben, völlig egal was, selbst wenn das Scheitern quasi schon vorprogrammiert war.

Nur darum saß ich ja Ende dieses ersten Sommers statt in der Schule, wo ich hingehörte, im Five Ways Hotel in Sydney und wartete auf Mr. Booker.

Mr. Booker hatte mir versprochen, sich von seiner Frau zu trennen und zu mir nach Sydney zu kommen. Und so, wie er es sagte, glaubte ich ihm. Es war ein fiebrig-heißer Februarabend, und er saß mit mir auf der dunklen Terrasse, die Hand an meinem nackten Arm.

»Lass uns einfach weglaufen«, sagte er. »Irgendwohin, wo uns keiner findet.« Und dann lachte er, nicht weil er es nicht ernst meinte, sondern weil er betrunken war. Das war ich auch. Ich nahm noch einen Schluck von seinem Whisky und spürte ein stechendes Gefühl hinter den Augen. Der Garten meiner Mutter verschwamm immer mehr.

Das ist auch so etwas, das ich erwähnen muss, nämlich dass alle, die wir in dieser Stadt kannten, zu viel tranken. Es war, als könnte keiner den Tag ohne Alkohol durchstehen.

Ich hatte die Bookers Anfang des Sommers kennengelernt, im November. Ich war frisch mit den Prüfungen fertig, und vor mir lag ein letztes, wenig verheißungsvolles Schuljahr. Sie kamen zu einer Party bei meiner Mutter. Mein Vater war da schon ausgezogen. Er wohnte in einer Art Motel am anderen Ende der Stadt. Wenn ich ihn besuchte, zeigte er mir regelmäßig sein Gewehr. Es lag in eine Decke gewickelt ganz hinten in seinem Kleiderschrank. Zum Karnickel-Schießen, sagte er, aber für mich klang das etwas arg schwammig. Ihm gefiel es ganz einfach, das Ding zu haben. Es bewies, dass er noch ein paar Überraschungen für die Menschheit bereithielt. Meine Mutter war überzeugt, dass er es irgendwann gegen sie richten würde.

»Verrückt genug ist er«, sagte sie.

Wobei er ihr noch nie ernstlich etwas getan hatte, außer das eine Mal, als ihr Arm gebrochen war und mein Bruder Eddie sie ins Krankenhaus fahren und dort zwei Stunden warten musste, während sie geröntgt wurde. Es sei ein Unfall gewesen, hatte sie behauptet, und mein Bruder hatte es ihr geglaubt. Sie sei ausgerutscht und mit dem Arm gegen die Schreibtischkante geschlagen, sagte sie.

Eddie ging danach nach Neuguinea. Soweit ich weiß, arbeitete er auf einer Bohrinsel. Meine Mutter schrieb ihm jede Woche, aber er schrieb nie zurück.

Ich habe mich oft gefragt, was meine Mutter in Victor gesehen haben mag, zu Anfang, bevor Eddie und ich kamen. Gut, damals war er um einiges dünner. Sie hatte ein Foto von ihm aus der Zeit kurz nach ihrer Hochzeit, auf dem er in Anzug und Krawatte an einer Straßenecke stand und mit einem schlauen Lächeln in die Kamera blickte. Er sah gut aus auf dem Bild, auf so eine schmale, hohlwangige Art. Ich nahm das Foto immer wieder aus dem Album und studierte es. Schwer zu glauben, dass Victor und der Mann von der Fotografie ein und derselbe Mensch sein sollten. Welcher war der echte: der dünne Mann oder der aufgeschwemmte – der lächelnde Jüngling oder der mittelalte Choleriker? Meine Mutter muss das gleiche Problem gehabt haben. Sie hatte sich in den einen verliebt, nur um dann festzustellen, dass er in Wahrheit ein völlig anderer war.

»Er war ganz in Ordnung, bis Eddie kam«, meinte sie einmal zu mir. »Danach bekam er es mit der Panik.«

Meine Mutter brauchte ihre Partys fast so sehr wie die Luft zum Atmen. Sie halfen ihr, die Wochenenden zu überstehen, denn andernfalls dehnte sich die Zeit jeden Freitagabend vor ihr aus wie eine staubige Straße, die nie jemand entlangkommt. Meine Mutter war ein Mädchen vom Land, aus einer Gegend ohne Bäume und ohne Nachbarn, und hatte ihre Jugend hindurch nach Gesellschaft gelechzt wie ein Verdurstender nach einem Schluck Wasser.

Sie hatte außerdem starken Nachholbedarf, da mein Vater ihr jahrelang den Kontakt zu Leuten vermiest hatte, die er nicht mochte. Victor hatte sie viele Freundschaften gekostet. Jetzt ließ sie die Woche über alle wissen, dass es am Samstag Abendessen oder am Sonntag Mittagessen bei uns geben würde, zu dem jeder mitbringen konnte, wen er wollte. Auf diese Weise kamen immer neue Leute zu uns, die wir vorher noch nie gesehen hatten, Leute wie die Bookers.

Die Bookers kamen, weil Mrs. Booker...


Taylor, Cory
Cory Taylor (1955 – 2016) gehört zu den renommiertesten Schriftstellern Australiens.
Sie war Drehbuchautorin und hat zudem zwei Romane veröffentlicht, die beide ausgezeichnet wurden. Ihr erster Roman "Me and Mr. Booker" erhielt den Commonwealth Writers Prize (Pacific Region) und ihr zweiter Roman "My Beautiful Enemy" war nominiert für den Miles Franklin Literary Award. 5. Juli 2016 kurz nach Erscheinen ihres Memoirs "Sterben".



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