E-Book, Deutsch, 108 Seiten
E-Book, Deutsch, 108 Seiten
Reihe: Fortschritte der Psychotherapie
ISBN: 978-3-8409-2834-5
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Mentalisieren wird in der MBT als etwas grundsätzlich Erlernbares angesehen. Im Störungsmodell für Persönlichkeitsstörungen gehen die Autoren davon aus, dass die Kernprobleme der BPS – interpersonelle Probleme, Affektdysregulation und Impulsivität – mit Schwierigkeiten der Patienten zusammenhängen, Mentalisierung in emotional bedeutsamen Beziehungen aufrechtzuerhalten. Das Ziel der Therapie besteht in der Stabilisierung oder Förderung von Mentalisierung besonders in interpersonell affektiven Kontexten, wofür sich zunächst die Beziehung zum Therapeuten besonders eignet. Bei dem hier vorliegenden Werk handelt es sich um eine verdichtete Fassung des aktuellen MBT-Manuals in deutscher Sprache, in dem das therapeutische Vorgehen zudem anhand eines ausführlichen Fallbeispiels veranschaulicht wird.
Zielgruppe
Ärztliche und Psychologische Psychotherapeuten, Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinische Psychologen, Psychologische Berater, Sozialpädagogen, Studierende und Lehrende in der psychotherapeutischen Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychotherapie / Klinische Psychologie Psychopathologie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Psychosomatische Medizin
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Psychiatrie, Sozialpsychiatrie, Suchttherapie
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis und Vorwort;7
2;1Was ist Mentalisieren?;12
2.1;1.2 Mentalisieren als multidimensionales Konstrukt;13
2.2;1.3Indikation für MBT;16
2.3;1.4Veränderungstheorie der MBT;16
3;2Die Mentalisierungstheorie und abgeleitete klinische Theorien;18
3.1;2.1Mentalisierungspole;19
3.2;2.2Prämentalisierende Denkmodi;23
3.3;2.3Klinische Befunde zur Mentalisierung;29
4;3Diagnostik von Mentalisierung;34
4.1;3.1Methoden der Mentalisierungsdiagnostik;35
4.2;3.2Mentalisierungsprofile;40
5;4Die Behandlung mit MBT;42
5.1;4.1Fokusformulierung und Krisenplan;45
5.2;4.2Psychoedukation: MBT-Inhaltskurs (MBT-I);47
5.3;4.3Die therapeutische Haltung;54
5.4;4.4Interventionen;57
5.5;4.5 Typische Probleme durch die Aktivierung des Bindungssystems und Vermeidung von therapierelevanten Themen;72
5.6;4.6MBT-Gruppentherapie (MBT-G);76
5.7;4.7Zusammenfassung der zentralen Prinzipien der MBT;80
6;5Die Wirksamkeit von MBT;82
7;6 Fallbeispiel einer MBT mit einer BPS-Patientin;86
7.1;6.1 Fokusformulierung und nicht mentalisierende Interaktionsmuster;87
7.2;6.2MBT-Inhaltsgruppe (MBT-I);89
7.3;6.3Die MBT Einzeltherapie;90
7.4;6.4 Affektiver Fokus der Sitzung und Mentalisieren in Beziehungen;93
8;7Fazit und Ausblick;97
9;8Weiterführende Literatur;98
10;9Literatur;98
11;10 Anhang;104
12;Einsteckkarte;107
1 Was ist Mentalisieren?
1.1 Geschichte und Definition des Begriffs
Das Mentalisierungskonzept wurde Anfang der 1990er Jahre entwickelt (Fonagy, 1991). Zunächst diente das Konzept dazu, den sogenannten „Transmission Gap“ der Weitergabe von Bindungsmustern von Eltern an ihre Kinder zu schließen. Die englische Arbeitsgruppe konnte an einer Stichprobe von 100 Londoner Elternpaaren zeigen, dass selbstreflexive Kompetenzen der Eltern die Bindungssicherheit ihrer Kinder besser vorhersagen konnten als die Bindung der Eltern allein (Fonagy, Steele, Steele, Moran & Higgitt, 1991). In der Folge wurde das Konzept erweitert und stellt aktuell eine der empirisch begründeten Weiterentwicklungen der Psychoanalyse, der Bindungstheorie und der empirisch-orientierten Entwicklungspsychologie dar. Mentalisieren bezeichnet eine imaginative Fähigkeit, sich mentale Gründe des eigenen Verhaltens und des Verhaltens anderer vorstellen zu können.
Mentale Gründe für Verhalten können Emotionen, Wünsche, Kognitionen und Ziele sein. Über das Mentalisieren wird also hinter dem eigenen und fremden Verhalten ein psychischer Prozess vermutet, der Verhalten erklärbar und auch zu einem gewissen Grad vorhersagbar macht. Frühere Konzepte stammen von der französischen Psychoanalyse. So beschrieb Marty (1991) Mentalisieren als eine Fähigkeit, Trieb-Affekt-Erfahrungen in höher organisierte psychische Erfahrung zu transformieren und zu elaborieren, d. h. die Fähigkeit zur Repräsentation und Symbolisierung körpernahen, affektiven Erlebens in etwas Mentales.
Das Mentalisierungskonzept kann als eine Ergänzung und Erweiterung der Theory-of-Mind (ToM)-Forschung und anderer Ansätze zur Kompetenz des „Perspektivenwechsels“ angesehen werden, unter besonderer Berücksichtigung der Verarbeitung biografisch relevanter Beziehungserfahrungen. Daher greift die Mentalisierungstheorie besonders den sozial-interaktionellen Ansatz der ToM-Forschung auf und erweitert diesen um die Perspektive des Entwicklungskontextes von Bindungsbeziehungen. Die Mentalisierungstheorie knüpft also unmittelbar an die ToM-Forschung an und verbindet diese mit Überlegungen und Erkenntnissen der Bindungstheorie. Auch wenn fast jedes Kind im Alter von fünf Jahren eine kognitive ToM aufweist, die mit Tests zu falschen Überzeugungen („false belief“) erfasst werden können, so unterscheiden sich Individuen stark in dem Ausmaß ihrer Fähigkeit, akkurat über affektiv bedeutsame Beziehungen nachdenken zu können.