Swanson Als ich erwachte
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-641-15541-4
Verlag: Diana
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 432 Seiten
ISBN: 978-3-641-15541-4
Verlag: Diana
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eines Morgens erwacht Katharyn in einem fremden Bett. Neben ihr liegt ein gut aussehender Mann, der behauptet, ihr Ehemann zu sein. Doch sie ist nicht verheiratet, sondern alleinstehend und stolze Inhaberin einer Buchhandlung. Auch die Kinder, die ins Schlafzimmer stürmen, kennt sie nicht. Dieser Traum lässt sie nicht los, denn immer wieder kehrt sie nachts zu der fremden Familie zurück. Katharyn bleibt keine Wahl: Sie muss herausfinden, in welches Leben sie gehört - doch wird sie die Wahrheit ertragen?
Cynthia Swanson ist Designerin und Inneneinrichterin mit einer Leidenschaft fürs Schreiben. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Denver, Colorado. Als ich erwachte ist ihr erster Roman.
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1
Das hier ist nicht mein Schlafzimmer.
Wo bin ich? Während ich mir eine fremde Bettdecke bis ans Kinn ziehe, versuche ich angestrengt, meine Gedanken zu ordnen. Doch ich kann mir nicht erklären, weshalb ich mich an diesem Ort befinde.
Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich Mittwochabend mein Schlafzimmer in einem hellen, satten Gelb gestrichen habe. Ich weiß noch, dass Frieda, die mir ihre Hilfe angeboten hatte, sich ziemlich kritisch über meine Farbwahl äußerte. »Zu viel Sonnenschein für ein Schlafzimmer«, stellte sie in dem ihr eigenen Besserwissertonfall fest. »Wie willst du an düsteren Tagen jemals ausschlafen?«
Ich tauchte den Pinsel in den Farbeimer, streifte sorgfältig die überschüssige Farbe ab und kletterte die Trittleiter hoch. »Genau darum geht es«, erklärte ich Frieda. Nach vorn gebeugt strich ich sorgfältig entlang der hohen, schmalen Fensterrahmen.
Sollte ich mich nicht daran erinnern, was als Nächstes passierte? Merkwürdigerweise tue ich das nicht. Ich erinnere mich nicht, wie wir den Abend mit Streichen verbrachten und schließlich von der Zimmermitte aus unser Werk bewunderten. Ich erinnere mich nicht daran, dass ich mich bei Frieda für ihre Hilfe bedankt und mich von ihr verabschiedet hätte. Ich weiß nicht mehr, wie ich in dem sonnenfarbenen Zimmer eingeschlafen bin, den stechenden Geruch von frischer Farbe in der Nase. Doch ich muss das alles getan haben, denn hier liege ich nun. Und angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem Hier nicht um mein Zuhause handelt, schlafe ich offensichtlich noch.
Allerdings ist das hier keiner meiner typischen Träume. Meine nächtlichen Ausflüge neigen ins Fantastische, es sind Träume, die sich über die herkömmliche Vorstellung von Raum und Zeit hinwegsetzen. Das kommt daher, so jedenfalls meine Überlegung, dass ich so viel lese. Zuletzt habe ich Das Böse kommt auf leisen Sohlen gelesen. Dieses wunderbare Buch ist erst letzten Juni veröffentlicht worden, man rechnet jedoch damit, dass es eines der meistverkauften Bücher des Jahres 1962 werden wird. Ich dränge den Roman jedem auf, der auf der Suche nach etwas »richtig Fesselndem« Friedas und meine Buchhandlung betritt.
»Es wird Sie in Ihren Träumen heimsuchen«, versichere ich unseren Kunden. Eine selbsterfüllende Prophezeiung: Vorgestern Nacht träumte ich, ich stolperte hinter Will Halloway und Jim Nightshade her, den beiden jungen Hauptfiguren aus Bradburys Buch, als sie mitten in der Nacht von einem Jahrmarkt angelockt wurden, der eben seine Zelte in Green Town aufgeschlagen hatte. Ich versuchte, sie zu überreden, auf der Hut zu sein – doch wie dreizehnjährige Jungen nun einmal sind, achteten sie einfach nicht auf mich. Ich erinnere mich noch, wie schwierig es war, Schritt mit ihnen zu halten, wie meine Füße einfach nicht richtig funktionieren wollten. Will und Jim verschwanden im Schatten, ihre Gestalten wurden zu dunklen Punkten und lösten sich schließlich im Nichts auf, und ich konnte nur verärgert heulen.
Demnach bin ich nicht die Art Frau, die etwas derart Simples träumt, wie im Schlafzimmer eines anderen Menschen aufzuwachen.
Das Traum-Schlafzimmer ist ein gutes Stück größer und schicker als mein eigenes Schlafzimmer. Die Wände sind graugrün, ganz anders als das satte Gelb, für das ich mich bei mir zu Hause entschieden hatte. Bei dem Mobiliar handelt es sich um ein komplettes Schlafzimmerensemble, elegant und modern. Die Tagesdecke ist ordentlich am Fußende des Bettes gefaltet. Meinen Körper umhüllt weiche, farblich abgestimmte Bettwäsche. Es ist reizend, wenn auch auf eine etwas zu gewollte Art.
Ich rutsche unter die Decke und mache die Augen zu. Wenn ich die Augen geschlossen halte, werde ich mich doch gewiss bald beim Walfischfang im Südpazifik wiederfinden, schäbig gekleidet und mit den Kerlen auf meinem Schiff Whiskey saufend. Oder ich fliege hoch über Las Vegas dahin, die Arme in gewaltige Flügel verwandelt, während mir der Wind die Haare ins Gesicht klatscht.
Doch nichts dergleichen geschieht. Stattdessen vernehme ich eine Männerstimme. »Wach auf. Katharyn, Liebes, wach auf.«
Ich öffne die Augen und blicke in tiefblaue Augen, so tiefblau, wie ich noch nie welche gesehen habe.
Und dann schließe ich meine eigenen wieder.
Ich spüre eine Hand auf der Schulter, die bis auf den dünnen Träger meines Satinnachthemds nackt ist. Es ist schon eine gute Weile her, seit mich zuletzt ein Mann intim berührt hat. Doch manche Gefühle sind unverkennbar, ganz egal, wie selten man sie erlebt.
Ich weiß, dass ich verängstigt sein sollte. Das wäre eine angemessene Reaktion, oder nicht? Selbst im Schlaf sollte man entsetzt sein, wenn man die Hand eines fremden Mannes auf der nackten Haut spürt.
Stattdessen empfinde ich die Berührung dieses imaginären Kerls merkwürdigerweise als ausgesprochen angenehm. Der Griff ist sanft, aber fest, die Finger liegen um meinen Oberarm, der Daumen streichelt mir sanft über die Haut. Ich halte die Augen geschlossen und genieße das Gefühl.
»Katharyn. Bitte, Liebes. Es tut mir leid, dass ich dich wecke, aber Missys Stirn fühlt sich warm an – sie verlangt nach dir. Du musst bitte aufstehen.«
Mit geschlossenen Augen lasse ich mir diese Informationen durch den Kopf gehen. Ich frage mich, wer Missy ist und weshalb mich ihre warme Stirn etwas angehen sollte.
Ohne jeden Zusammenhang, wie es für Träume typisch ist, werden meine Gedanken von einem Songtext abgelöst, der vor ein paar Jahren viel im Radio gespielt wurde. Ich kann zwar die Melodie hören, bin mir aber sicher, dass der Text nicht stimmt. Rosemary Clooney sang das Lied, es ging darum, auf Wolken zu schweben. Und sich nicht von der Liebe zum Narren halten zu lassen. Bei der Vorstellung muss ich lächeln. Offensichtlich verhalte ich mich hier so närrisch, wie es nur eben geht.
Ich öffne die Augen und setze mich im Bett auf, bereue diesen Positionswechsel aber sogleich, da er den blauäugigen Mann dazu veranlasst, seine warme Hand von meiner Schulter zu nehmen.
»Wer sind Sie?«, frage ich ihn. »Wo bin ich?«
Er erwidert meinen fragenden Blick. »Katharyn, geht’s dir gut?«
Der Ordnung halber sei gesagt, dass mein Name nicht Katharyn ist. Ich heiße Kitty.
Na gut – ich heiße tatsächlich Katharyn. Aber ich habe meinen Vornamen nie gemocht. Er kam mir stets zu förmlich vor. Kath-a-ryn rollt nicht von der Zunge, so wie Kitty es tut. Außerdem haben mir meine Eltern eine ungewöhnliche Schreibweise eines ansonsten gewöhnlichen Namens verpasst, und ich finde es zu mühsam, ihn jedes Mal, wenn ich danach gefragt werde, buchstabieren und erläutern zu müssen.
»Ich glaube, es geht mir gut«, erkläre ich Blau-Auge. »Aber ich meine es ernst, ich habe keine Ahnung, wer du bist oder wo ich mich befinde. Es tut mir leid.«
Er lächelt, und seine schönen Augen funkeln. Abgesehen von den Augen sieht er recht durchschnittlich aus. Mittelgroß, mittel gebaut, ein leichter Rettungsring um die Hüften. Rotbraunes, lichtes Haar, das allmählich ein bisschen grau wird. Ich würde ihn auf um die vierzig schätzen, ein paar Jahre älter als ich. Ich atme ein und bemerke einen waldigen Seifengeruch an ihm, als hätte er sich eben rasiert und geduscht. Er riecht köstlich, und mein Herz setzt einen Moment aus. Du meine Güte, kann dieser Traum noch absurder werden?!
»Du musst sehr tief geschlafen haben, Liebes«, sagt er. »Du weißt doch, wer ich bin. Ich bin dein Ehemann. Du bist in unserem Schlafzimmer in unserem Haus.« Er macht eine ausladende Bewegung mit dem Arm, wie zur Bestätigung seiner Worte. »Und im Moment hat unsere Tochter – deren Name übrigens Missy lautet, falls du das auch vergessen haben solltest – wahrscheinlich Fieber und braucht ihre Mutter.«
Er hält mir die Hand entgegen. Instinktiv lege ich meine hinein.
»Okay?«, fleht er. »Bitte, Katharyn.«
Ich runzele die Stirn. »Es tut mir leid, du hast gesagt, du bist …?«
Er seufzt. »Dein Ehemann, Katharyn. Ich bin dein Ehemann Lars.«
Lars? Sonderbarer Name. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einem Menschen mit diesem Namen begegnet zu sein. Unwillkürlich muss ich ein wenig über mein ach so erfinderisches Gehirn lächeln. Es konnte nicht einfach einen Harry oder Ed oder Bill ins Leben rufen. Nein, Ma’am, mein Hirn hat einen Ehemann namens Lars fabriziert.
»Na gut«, sage ich. »Ich komme gleich.«
Er drückt meine Hand und lässt sie los, beugt sich dann zu mir, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben. »Ich werde schon mal Fieber messen, während wir auf dich warten.« Er erhebt sich und verlässt das Zimmer.
Wieder schließe ich die Augen. Jetzt wird es in meinem Traum doch gewiss einen Schauplatzwechsel geben.
Aber als ich die Augen wieder öffne, bin ich immer noch dort. Immer noch in dem grünen Schlafzimmer.
Da es wohl sein muss, stehe ich auf und durchquere das Zimmer. Anhand der Fenster hoch über dem Bett, der gläsernen Schiebetür, die aussieht, als führe sie auf eine Art Terrasse, und des großen angrenzenden Badezimmers schließe ich, dass dieses Zimmer, wäre es denn real, sich in einem recht modernen Wohnhaus befindet. Moderner –...