E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Reihe: Edition 211
Stucke Gute Besserung
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-937357-51-5
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Reihe: Edition 211
ISBN: 978-3-937357-51-5
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ausgerechnet das Leinebergland, der idyllische Originalschauplatz von Schneewittchen, wird erneut Schauplatz eines Verbrechens. Eine junge Frau wird tot am Ufer der Leine aufgefunden. Trotz manch dunkler Punkte in der Vergangenheit des Opfers tippt die Polizei zunächst auf den pensionierten Polizisten Nikolaus Schrader als möglichen Täter. Selbstverständlich macht sich die ambulant arbeitende Fußpflegerin Kornelia Lorenz sofort daran, den guten Namen ihres Patienten von jeglichem Verdacht zu befreien und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Tatkräftig unterstützt wird sie dabei von Amalie Pfingsten, einer Zimmernachbarin von Nikolaus Schrader im Gronauer Altersheim.
Angelika Stucke führt mit 'Gute Besserung' die mit 'Gute Absicht' begonnene Krimireihe um die schnüffelnde Fußpflegerin Kornelia Lorenz fort.
Sympathisch-schrullige Charaktere und eine Heldin, die mitten im Leben steht. Schwarzhumorig und spannend!
Angelika Stucke, geboren 1960 im niedersächsischen Eddinghausen, arbeitete zunächst als Dip.-Sozialpädagogin in Leverkusen. Da ihr Herz aber immer schon für das Schreiben schlug, gab sie die feste Stelle auf und arbeitete als freie Mitarbeiterin beim Bastei Verlag. 1986 Stipendium der Carl Duisberg Gesellschaft, um Erfahrung als Autorin im Ausland zu sammeln. Sie berichtete für die Fernsehwoche aus Hollywood. Ende 1987 ging sie nach Spanien, wo sie bis heute als freie Autorin für deutsche und spanische Medien tätig ist.
Autoren/Hrsg.
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Prolog
Freitag, 27. April
Wilhelm Knackstedt, von den Nachbarn seit Neuestem ? genauer gesagt, seit er sich seinem neuen Hobby, dem Angeln, hingab ? nur noch Fischkopp genannt, stand an den grünlich schimmernden Fluten der Leine und frönte seiner neu entdeckten Leidenschaft. Breitbeinig hielt er sich an der schlüpfrigen Böschung aufrecht. In der Nacht hatte es geregnet. Zwischen vereinzelten hohen Grashalmen moderte teilweise noch Laub vom vergangenen Herbst, welches das abschüssige Ufer nach dem nächtlichen Guss feucht und rutschig machte. Hier am Westufer säumten hohe Laubbäume, vor allem Pappeln den Fluss. Ihre jungen, zartgrünen Blätter leuchteten weithin. Am gegenüberliegenden Ufer wuchs dichtes Unterholz: Weißdorn, Schlehen, Haselnusssträucher und Hundsrosen bildeten ein ziemlich undurchdringliches Dickicht, auf dessen Boden Amseln und Rotkehlchen nach Nahrung suchten. Immer wieder hörte Wilhelm ihr Rascheln. Er mochte besonders die zutraulichen Rotkehlchen gern, die, wenn er sich ganz still verhielt, manchmal sogar direkt vor seinen Stiefelspitzen unter den faulenden Blättern des Vorjahres stöberten. Der alte Knackstedt befand sich etwas oberhalb der Staustufe, dort wo der Fluss von Banteln kommend zweigeteilt floss. Die Hälfte der Wassermassen strömte der kleinen Hansestadt Gronau über die Kuhmasch entgegen, der andere Arm schlängelte sich träge parallel zum Bantelner Weg dahin, ehe er rauschend die Staustufe hinunterstürzte, um sodann mit neu gewonnenem Schwung am Johanniter Krankenhaus und der Realschule vorbei unter dem Leintor hinweg in das Naturschutzgebiet unterhalb des Uthberges zu schießen. Wilhelm spuckte zum wiederholten Male in das trübe Gewässer und sah nachdenklich den winzigen, weißen Schaumkronen hinterher, die sich dabei bildeten. Je näher sie der Staustufe kamen, desto schneller wurden sie. Er überlegte einmal mehr, warum er das Angeln nicht schon früher entdeckt hatte. So viele gottverdammte, vertane Jahre, in denen er Kilo, ach was, Tonnen von Fisch aus der Leine hätte ziehen können, statt sie immer wieder freitags teuer vom ambulanten Fischhändler zu erstehen. Die Dörfer der Samtgemeinde Gronau wurden nach wie vor an mehreren Wochentagen von verschiedenen Lebensmittelhändlern angefahren; Bäcker Maas aus Betheln machte sogar dreimal in der Woche seine Runde, damit auch ältere Menschen, die kein Fahrzeug hatten, in den Genuss frisch gebackenen Brotes und Kuchen kamen. Von den kleinen Tante-Emma-Läden, die es früher in jeder noch so winzigen Ortschaft des Leineberglandes gegeben hatte, hatte sich kaum einer gegen die schnell wachsenden Supermarktketten durchsetzen können. Wie Pilze schossen die in den letzten Jahren aus dem Boden, hatte Wilhelm gedacht, als er am Morgen von Roßbach kommend auf seinem Rad in die Kleinstadt eingefahren war und entsetzt hatte feststellen müssen, dass dort, wo der schöne Gebäudekomplex der Genossenschaft gestanden hatte, dessen hellgrüner Turm für ihn nicht weniger als ein Wahrzeichen der Stadt gewesen war, eine riesige Baugrube gähnte. Ein Holzschild vor dem dunkelbraunen Loch informierte die Passanten, dass auch an dieser Stelle eine Lebensmittelkette einen Ableger plante. Traurig schüttelte der alte Mann jetzt den Kopf, als er sich an die so mir nichts, dir nichts plattgemachte Genossenschaft erinnerte. Wie oft hatte er dort günstig Hafer für seine Kaninchen geholt. In dem neuen Baumarkt an der Bethelner Landstraße war das Tierfutter doch viel zu teuer. Nur einmal hatte Wilhelm sich dort nach Kaninchenstreu erkundigt. Der Preis hatte ihn schockiert. Den konnte man vielleicht bezahlen, wenn man einen einzigen Zwerghasen als Haustier hielt, aber doch nicht, wenn man die Nager züchtete, um sie selbst einmal zu verspeisen. Da lohnte ja die ganze Haltung nicht! Wilhelm holte sich seinen Hafer nun gratis in Betheln, wo kürzlich ein für das Dorf recht eleganter Reiterhof seine Tore geöffnet hatte. Dem Pferdeknecht dort genügte eine gelegentlich zugesteckte Flasche Lockstedter als Gegenleistung für den abgezwackten Hafer. Und die Besitzer der untergestellten Ponys und Pferde merkten gar nicht, dass sie die Knackstedtsche Kaninchenzucht mit durchfütterten. Trotz der unerwarteten Ersparnis in der Tierfutterbeschaffung gefielen Wilhelm die Veränderungen in seiner Heimat wenig. Zwar sah er ein, dass manche vermutlich unumgänglich waren, dennoch glaubte er, dass die Gegend mehr und mehr an Gesicht verlor. Irgendwann sehen hier alle Kleinstädte gleich aus, dachte er, das wird noch so kommen wie in Amerika. In den frühen Achtzigerjahren hatte er einmal einen Kriegskameraden besucht, den es nach Nevada verschlagen hatte. Damals hatte er diesen Eindruck gehabt, nicht wirklich von der Stelle zu kommen, obwohl er Hunderte von Kilometern zurücklegte. Ein Ort hatte ausgesehen wie der andere: ein Supermarkt, eine Tankstelle, ein Videoverleih und ein Hamburgerrestaurant an der Hauptkreuzung, drumherum endlos scheinende Reihen gleich aussehender Einfamilienhäuser mit Vorgärten von der Größe eines Badehandtuches. In einem Neubaugebiet in Hildesheim hatte Wilhelm erst kürzlich ähnlich uniformierte Behausungen entdeckt. Verächtlich spuckte er ins Wasser. Prüfend zog er dann an seiner Angel, aber noch hatte kein Fisch angebissen. Er holte das Seil ein und wechselte den Köder. Am Ostufer suchten die Vögel noch immer nach Würmern oder Larven. Wie lange sie schon an immer derselben Stelle picken, wunderte sich der alte Mann. Er kniff die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, woran seine gefiederten Freunde sich labten, aber ohne Brille konnte er nur einen hellen Fleck erkennen. Sieht fast aus wie ein Schweinebauch, dachte Wilhelm und wandte dann seine ganze Aufmerksamkeit erneut dem Fischfang zu. Seiner Schwester Else hatte er versprochen, mindestens vier Äschen aus der Leine zu ziehen. Vermutlich bin ich nicht eher zum Angeln gekommen, weil ich erst jetzt die Muße dafür habe, sinnierte er vor sich hin. Es gab ja immer so viel zu tun und kein bisschen Zeit zu verlieren. Allein die Fahrt von seinem Heimatdorf Roßbach bis an seine Lieblingsangelstelle, die zum Glück noch kein anderer entdeckt hatte, dauerte auf dem klapprigen Hollandrad eine knappe halbe Stunde. Er hatte zwar auch noch ein altersschwaches Moped in einer nicht mehr benutzten Schweinebox im Stall stehen, aber das war seit Jahren nicht mehr angemeldet. Wilhelm benutzte es nur noch nachts und auch dann ausschließlich auf Strecken, zumeist Feldwegen, auf denen er sicher sein konnte, nicht in eine Kontrolle zu geraten. »Ist doch merkwürdig«, murmelte er vor sich hin, als er nun hörte, wie zwei Elstern sich zeternd am gegenüberliegenden Ufer stritten. Die beiden großen, schwarzweißen Vögel mussten gerade erst angeflogen gekommen sein. Sie führten ein regelrechtes Spektakel auf. Bei dem Lärm würde sicher kein Fisch anbeißen. Resigniert beschloss Wilhelm, doch einmal genauer nachzusehen, um welchen Leckerbissen die Vogelschar so lautstark buhlte. Seine erste Assoziation, dass es sich um einen Schweinebauch handeln könnte, hatte er schnell wieder abgetan, obwohl der Fleck, wie Wilhelm fand, durchaus die Farbe von gammelndem Fleisch hatte. Doch wie sollte ein Stück Schweinefleisch auf das andere Ufer gekommen sein? Das war doch völlig unberührt, über die Kuhmasch näherte sich nie jemand dem Fluss. Es schien dem alten Mann auch unwahrscheinlich, dass ein Bauer einen Tierkadaver ausgerechnet in dem unzugänglichen Gelände des Ostufers entsorgt hätte. Da gab es doch ganz andere Möglichkeiten, den Futternapf eines Hofhundes zum Beispiel. Vorsichtig legte er seine Angel auf einer zuvor besorgten und in das weiche Erdreich gebohrten Astgabel ab. Langsam mühte er sich dann das glatte Ufer hinauf und näherte sich vorsichtig seinem an dem dicken Stamm einer Pappel angelehnten Fahrrad. Er wollte die Vögel möglichst nicht verschrecken, denn er war sich nicht sicher, ob er den merkwürdigen Fleck auch vom anderen Ufer kommend würde ausmachen können. Die sich zankenden Vögel würden ihm den genauen Punkt zeigen. Entschlossen schob er sein Rad den Bantelner Weg entlang, bis er an die Weggabelung vor der Friedhofsmauer kam. Erst da saß er auf. Der Bantelner Gottesacker lag etwas außerhalb der Ortschaft. Wilhelm trat kräftig in die Pedale, die Neugier hatte ihn gepackt. Er wollte nun unbedingt wissen, was es mit diesem hellen Fleck auf sich hatte. Die geteerte Landstraße führte ihn rechter Hand an den letzten Ruhestätten der Bantelner vorbei bis zur Burganlage. Gleich hinter der weiten Burgwiese lagen die Brücken. Die erste führte über einen kurzen, gekrümmten Seitenarm der Leine, die zweite überquerte den Fluss selbst. Am anderen Ufer endete der Weg in der Oberen Masch. Von hier aus würde Wilhelm sich zu Fuß durch das Dickicht schlagen müssen. Wie er später den Seitenarm in der Kuhmasch überqueren würde, wusste er noch nicht. Er hoffte, auf einen gefallenen Baumstamm zu treffen. Wilhelm Knackstedt hielt an, stieg ab und lehnte sein Fahrrad gegen die Hecke. Zunächst wollte er es wie gewohnt ohne es abzuschließen stehen lassen, aber dann besann er sich eines Besseren. Schließlich lag die Stelle, an die er wollte, gut einen Kilometer flussabwärts. Am Lenker seines Rades baumelte eine ziemlich große, lederne Tasche, in der er die Sicherheitskette aufbewahrte. Er hatte sie seit Monaten...