Stuart Mitternachtsschatten
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-95576-277-3
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Romantic Suspense
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-95576-277-3
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein geheimnisvoller Doppelselbstmord überschattet das Leben der jungen Architektin Jillian Meyer. Als jedoch die ganze Wahrheit ans Licht kommt, muss sie um ihr Leben fürchten. Mutig stellt sich die junge Architektin Jillian ihrem skrupellosen Vater Jackson Meyer entgegen. Er will so schnell wie möglich das Land verlassen, da ihm die Polizei auf den Fersen ist. Und sein Mitarbeiter Zacharias Coltrane soll ihm dabei helfen, Jillian und ihre Geschwister auszuschalten, damit sie ihm nicht in die Quere kommen können. Doch Coltrane verfolgt einen ganz anderen Plan. Er hat mit Jackson noch eine alte Rechnung zu begleichen. ...
Anne Stuart liebt Japanische Rockmusik, tragbare Kunst, ihre beiden Kinder, Clairefontaine - Papier, ihren Hund Rosie, ihren Ehemann, mit dem sie schon über 30 Jahre verheiratet ist, befreundete Autoren, ihre beiden Katzen, Geschichten zu erzählen und in Vermont zu leben. Sie ist nicht sehr politisch, mag Diäten nicht gern und Winter die niemals aufhören sind ihr auch ein Graus. Wenn Sie mehr über sie erfahren möchten, besuchen Sie sie auf ihrer Website www.anne-stuart.com.
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2. KAPITEL
Jackson Meyers Tochter hatte Angst vor ihm! Coltrane war fasziniert von dieser Entdeckung. Er wünschte, es gäbe einen Weg, den Aufzug anzuhalten, damit sie noch länger mit ihm in einem engen Raum eingesperrt war.
Er hatte sie beim Schlafen beobachtet, erstaunt darüber, dass sie ganz anders war, als er sie sich vorgestellt hatte. Er hielt nicht viel von Dean und hatte sich deshalb ein ganz bestimmtes Bild von dessen Geschwistern gemacht. Hinzu kam, was er über Rachel-Anns unersättlichen Appetit auf Drogen und Sex gehört hatte. Er war davon ausgegangen, dass Jillian ebenso genusssüchtig und selbstzerstörerisch veranlagt sein und ihrem Vater mehr ähneln würde.
Jilly Meyer war keine der typischen Blondinen, wie man sie überall in Kalifornien sah. Sie hatte eine braune Mähne, einen kräftigen Körper und endlos lange Beine. Sie war wahrlich keine zierliche Blume. Ihre körperliche Präsenz war aggressiv und erregend zugleich, selbst jetzt, als sie sich in die hinterste Ecke des Aufzugs presste.
Es überraschte ihn, dass sie klug genug war, Angst vor ihm zu haben, schließlich war er sehr gut darin, sich als lässiger, harmloser Südkalifornier auszugeben. Niemand hatte auch nur die geringste Ahnung, wie gefährlich er in Wirklichkeit sein konnte.
Ausgenommen Jilly Meyer, die aussah, als wünschte sie, dass der Boden sich vor ihr auftäte und sie verschlänge. Ihre Kleidung war zerknittert, ihr Haar zerzaust, und sie wirkte schläfrig, vorsichtig und feindselig zugleich. Das war wirklich eine unwiderstehliche Kombination.
Coltrane gab sich kurz der anschaulichen Fantasie hin, wie er den Notfallknopf drücken, sie gegen die Fahrstuhlwand pressen und ihren viel zu kurzen Rock hochschieben würde. Er stellte sich vor, wie sie ihre langen, starken Beine um seine Hüften schlingen und endlich aufhören würde, ihn so fragend anzuschauen.
Im Erdgeschoss öffnete sich die Fahrstuhltür mit einem leisen Zischen, und seine Fantasie löste sich auf – unerfüllt. Sie gingen zu der Tür, die zu den Garagen führte. Er tippte den Code für die Garage ein, worauf ein Brummen ertönte. Als er die Tür aufstieß, schob sich Jilly an ihm vorbei, und er wünschte sich fast, dass sie versuchen würde wegzurennen. Es würde Spaß machen, sie aufzuhalten.
Aber sie war viel zu gut erzogen. Sie streckte ihm ihre schmale Hand entgegen, und er bemerkte, dass sie elegante, schlichte Ringe aus Silber trug. Seine Hand verschluckte ihre geradezu, und er drückte sie so fest, dass sie ihn nicht länger übergehen konnte. Sie schaute ihn durch ihre langen Wimpern hindurch an.
„Ich bin naturgemäß nicht in der Lage, mit Ihnen einen Pinkel-Wettbewerb auszutragen, Mr. Coltrane“, murmelte sie.
Er gab ihre Hand frei. „Wo wollen wir zu Abend essen?“
„Keine Ahnung, wo Sie zu Abend essen. Ich jedenfalls gehe nach Hause.“
„Können Sie gut kochen?“
„Nicht für Sie.“
Es machte ihm Spaß, sie zu ärgern. Er hatte noch nicht beschlossen, wie es weitergehen sollte; es war so einfach, ihr auf die Nerven zu gehen, viel einfacher, als sie zu verführen.
Oder auch nicht. Das würde er schnell herausfinden.
Nur noch wenige Autos standen in der verlassenen Garage. Er fragte sich, ob ihr das rote BMW-Cabriolet oder der Mercedes gehörte. Doch dann sah er die Corvette, Baujahr 1966 vermutete er, liebevoll restauriert, ein Kunstwerk!
Er machte nicht noch einmal den Fehler, sie zu berühren, sondern steuerte einfach auf das Auto zu.
„Hübsche Corvette“, sagte er.
Sie warf ihm einen vorsichtigen Blick zu. „Wie kommen Sie darauf, dass das mein Auto ist?“
„Es passt zu Ihnen. Lassen Sie mich fahren?“
Genauso gut hätte er ihr vorschlagen können, gemeinsam seine Fahrstuhlfantasie auszuleben. „Auf gar keinen Fall!“
„Sie brauchen sich keine Sorgen um Ihr Auto zu machen. Ich bin ein guter Fahrer, und ich kann mit einer Gangschaltung umgehen. Ich werde dem Getriebe bestimmt keinen Schaden zufügen.“
Ihr Gesichtsausdruck war unbezahlbar. „Mr. Coltrane, wenn Sie meine Corvette mit demselben Geschick behandeln wie mich, dann wird sie kaputt sein, bevor sie auch nur den ersten Gang eingelegt haben“, sagte sie. „Sie werden weder mein Auto noch mich bekommen. Ist das klar genug?“
„Kristallklar“, antwortete er gedehnt. Ich gebe ihr eine Woche, dachte er. Eine Woche, bevor sie sich mir hingibt, zwei Wochen, bis ich ihr Auto fahren darf.
„Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie mich auch nicht nach Hause bringen wollen?“
„Wo ist denn Ihr Auto?“
„Noch beim Händler. Zurzeit fahre ich einen Geschäftswagen, aber Sie haben mich abgelenkt, und ich habe oben den Schlüssel vergessen.“
„Dann fahren Sie doch wieder hoch und holen ihn.“
Er schüttelte den Kopf. „Die Tür hat ein Zeitschloss. Sobald der letzte Mitarbeiter gegangen ist, kann keiner mehr vor dem nächsten Morgen rein.“
„Was zum Teufel versteckt mein Vater denn da oben? Das Gold von Fort Knox?“ fragte sie irritiert.
„Nur private Unterlagen. Ihr Vater ist in einige sehr komplizierte und heikle Geschäfte verwickelt. Es wäre nicht sinnvoll, wenn jeder einfach reinlaufen und die Akten einsehen könnte.“
„Jemand wie seine Tochter vielleicht? Die offenbar viel zu einfältig ist, um diese komplizierten und heiklen Geschäfte zu verstehen?“ spottete sie.
Er ignorierte das. „Ich wohne in der Nähe von Brentwood. Das wäre für Sie kein großer Umweg.“
„Woher wissen Sie, in welche Richtung ich fahre?“
„Sie sagten, Sie wollten nach Hause. Sie leben in diesem alten Mausoleum mit Ihrem Bruder und Ihrer Schwester. Und meine Wohnung liegt fast auf dem Weg.“
„Rufen Sie sich doch ein Taxi.“
„Mein Handy funktioniert nicht.“
„Dann nehmen Sie meines.“ Sie wühlte in ihrer Handtasche, fest entschlossen, ihn endlich loszuwerden. Einen Moment später hielt sie ihm ein Telefon entgegen.
„Warum nur fühlen Sie sich in meiner Gegenwart so unwohl?“ fragte er und machte keine Anstalten, das Telefon zu nehmen.
„Darum geht es doch gar nicht“, sagte sie. „Ich habe eine Verabredung.“
Gleich zwei Lügen, dachte er, und sie log nicht einmal besonders gut. Ganz anders als ihr Bruder Dean, der nicht viel von der Wahrheit hielt. Und ihr Vater interessierte sich für die Wahrheit nur dann, wenn sie ihm hilfreich war, meistens also, wenn er andere manipulieren wollte. Jilly Meyer hingegen konnte nicht lügen, was er auf eigenartige Weise reizvoll fand. Doch auch davon würde er sich auf keinen Fall von seinen Plänen abbringen lassen.
„Na gut, dann müssen Sie aber doch bestimmt zuerst nach Hause und sich umziehen. Und, wie gesagt, meine Wohnung liegt auf dem Weg“, wiederholte er.
Sie warf ihr Handy zurück in die Handtasche und ging auf die Fahrertür zu. „Steigen Sie schon in das verdammte Auto ein.“
Er rechnete fast damit, dass sie einfach wegfahren würde, ohne ihn vorher einsteigen zu lassen, wobei sie nicht weit kommen würde – die Garagentür ließ sich ebenfalls nur mit dem Code öffnen. Doch sie setzte sich hinter das Lenkrad, lehnte sich über den Sitz, entriegelte die Beifahrertür und zog sich sofort wieder zurück, als er einstieg. Die Corvette war bestens erhalten, und einen Augenblick lang war er von purem Neid erfüllt. Er wollte dieses Auto haben!
Nicht dass er einfach eine Corvette besitzen wollte. Mit dem völlig überzogenen Gehalt, das Jackson Meyer ihm zahlte, konnte er sich jedes Auto leisten, das ihm in den Sinn kam. Aber es ging ihm nicht einfach um irgendeine Corvette aus dem Jahr 1966. Er wollte genau diese Corvette.
Jilly befestigte die Metallschnalle des Gurtes und warf Coltrane einen bedeutsamen Blick zu. Doch er machte keine Anstalten, sich anzuschnallen. „Ich lebe gerne gefährlich“, sagte er.
Ihr kurzer Rock rutschte noch ein Stück weiter hoch, aber er hatte beschlossen, ihr zunächst keine schönen Augen mehr zu machen. Sie hatte ihn bereits verstanden, er konnte sich ein wenig zurückhalten. Auf seinen Range Rover verschwendete er keinen einzigen Blick. Sie würde bestimmt nicht auf die Idee kommen, dass das Auto ihm gehörte, dazu war sie viel zu durcheinander.
Wie ein geölter Blitz schoss sie aus der Garage, die quietschenden Reifen schienen gegen seine unerwünschte Gegenwart zu protestieren. Als sie durch die Straßen von Los Angeles raste, klammerte er sich verstohlen an seinem Ledersitz fest und bemühte sich, völlig ausdruckslos zu blicken.
Sie fuhr wirklich gut, das musste man ihr lassen. Sie fädelte sich in den Verkehr ein, scherte aus, beschleunigte, wenn er es am wenigsten erwartete, und wich Fußgängern und Polizisten mit derselben Geschicklichkeit aus. Am liebsten hätte er ihr ins Lenkrad gegriffen. Es war klar, dass sie ihm mit ihrer Raserei Angst machen wollte, und sie hatte Erfolg damit. Sie war in L.A. aufgewachsen und hatte gelernt, wie man auf den Freeways und Boulevards fahren musste. Jetzt rächte sie sich dafür, dass er sie so eingeschüchtert hatte.
Während ihrer wilden Fahrt durch die belebten Straßen verschwendete sie keinen einzigen Blick an ihn. Sie konzentrierte sich ausschließlich auf die Fahrt, während er sich noch ein wenig fester hielt und kein Wort sagte. Er wünschte nur, er hätte sich angeschnallt.
Als sie mit quietschenden Reifen vor seinem Wohnblock anhielt, musste er sich am Armaturenbrett abstützen, um nicht durch die Windschutzscheibe zu fliegen. Sie wandte sich ihm zu und lächelte unschuldig,...