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E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Strand Blister

Thriller
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-86552-875-9
Verlag: Festa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Thriller

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-86552-875-9
Verlag: Festa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Jason Tray ist ein erfolgreicher Karikaturist, der von seinem Agenten für ein paar Tage in eine Hütte am See verbannt wurde, um Ruhe zu finden. Als er eines Nachts mit ein paar Einheimischen in einer Kneipe rumhängt, bieten sie ihm an »Blister zu sehen«. Ohne zu ahnen, wovon sie reden, nimmt Jason ihr Angebot an. Und so späht er kurz darauf durch das Fenster eines Schuppens auf das Albtraumhafteste, was er jemals gesehen hat: Blister ist eine fürchterlich entstellte junge Frau, die sich vor der Welt versteckt. Am nächsten Morgen bedauert Jason sein Verhalten. Er muss sich bei der Frau entschuldigen ... Doch diese kleine Stadt hat ihre Geheimnisse und Bewohner, die vor nichts zurückschrecken, um sie zu hüten. Eine Geschichte voller menschlicher Monster.

Jeff Strand (geboren 1970) ist Amerikaner. Er hat viele Romane und Kurzgeschichten geschrieben, aber auch Drehbücher und Sketche für Comedy-Shows. Seine Werke sind geprägt durch einen eigenwilligen makabren Humor. Als Einflüsse auf sein eigenes Schreiben nennt er Autoren wie Douglas Adams, Richard Laymon, Dave Barry oder Jack Ketchum.
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1

Ich bin zwar grundsätzlich ein Lügner, aber das hier ist die Wahrheit.

Vielleicht lasse ich diese verkorkste Geschichte nach meinem Tod veröffentlichen. Oder auch nicht. Hab mich noch nicht entschieden.

Vorerst schreibe ich sie nur für mich auf.

Falls sie je veröffentlicht wird, möchte ich festhalten, dass jedes Wort von mir geschrieben wurde. Ich erwähne das nur, weil Sie vermutlich annehmen, dass irgendein Ghostwriter dafür bezahlt wurde. Oder dass es sich um einen solchen Deal handelt, bei dem ich auf Band geplappert habe und jemand meine Gedanken zu etwas Zusammenhängendem und Vermarktbarem organisiert hat. So ist es nicht. Auf den Seiten stehen meine Worte. Auf die Tastatur tropft mein Blut.

Ich bin Jason Tray. Ja, dieser Jason Tray. Vielleicht wissen Sie ja bereits, was passiert ist. Lieber wäre mir, Sie wüssten es nicht – vorgefasste Meinungen sind ein Hund. Aber ganz gleich, was Sie gesehen, gehört oder gelesen haben, es ist nicht die vollständige Wahrheit. Das hier schon. Samt allen unschönen Warzen. Und glauben Sie mir, meine Damen und Herren, wenn Sie auf Warzen aus sind, erwarten Sie auf diesen Seiten einige reizende Hexenwarzen, die Sie bestaunen können.

Keine Sorge. Ich verspreche Ihnen, es wird keine weinerliche Abfolge von Rechtfertigungen mit dem Grundtenor »Oh, ich armes, armes Unschuldslamm«, bei denen Sie sich am liebsten den Finger in den Hals stecken würden. Ich heische nicht posthum Mitleid. Ich will lediglich aufzeichnen, was genau passiert ist und warum.

Ich schreibe das 1986, aber für die eigentlichen Ereignisse müssen wir in den September 1985 zurückspulen, wo meine kleine Geschichte mit zwei der Kids aus der Nachbarschaft beginnt. Greg und Dennis. Die Schule hatte vor ein paar Wochen angefangen, und als ich eines Nachmittags aus dem Wohnzimmerfenster schaute, sah ich sie vor meinem Hinterhof stehen und am Maschendraht des Zauns rütteln, um meinen Schnauzer zu ärgern. Keine große Sache. Als ich zehn Jahre alt war, hatte ich auch den einen oder anderen Hund gehänselt. Ich wandte mich wieder der Arbeit zu.

Am nächsten Tag taten sie es wieder. Ignatz rannte wild kläffend hin und her, während die Kids lachten und Dinge riefen, unter anderem, aber nicht nur: »Du kriegst uns nicht, dämlicher Köter!« Obwohl ich nicht bestreiten konnte, dass sie mit ihrer Einschätzung seiner Intelligenz richtiglagen – Ignatz war der süßeste Hund, den ich je hatte, allerdings nicht unbedingt der Hellste –, beschloss ich, dem Treiben ein Ende zu setzen.

Ich trat durch die Hintertür hinaus und schenkte den Jungs ein freundliches Lächeln. »He, ich muss euch auffordern, meinen Hund nicht zu ärgern. Die Leute nebenan regen sich auf, wenn er zu viel bellt.«

Greg zeigte mir den Stinkefinger. »Fick dich, Alter!« Lachend rannten die Kids davon.

Alter? Alter? Ich war 38! Noch dazu gerade erst 38 – meinen Geburtstag hatte ich vergangenen Monat gefeiert. Kleine Pissnelken. Ein paar Minuten lang spielte ich mit Ignatz Fangen, dann nahm ich ihn mit hinein und zeichnete weiter an der aktuellen Episode von Unausgeglichen, dem Comicstrip, den ich seit einem Jahrzehnt veröffentlichte. Diesmal gehörte zur Pointe, dass Zep, dem Käfer, ein Wasserspeier aus Stein die Nase hochgeschoben wurde, was sich als künstlerisch schwierigere Herausforderung entpuppte, als ich gedacht hatte.

Am dritten Tag warfen die verkommenen Rotzlöffel Steine. Ich kam gerade rechtzeitig draußen an, um ein Jaulen zu hören, als ein Geschoss Ignatz an der Seite traf. Greg und Dennis rannten davon. Ignatz schien zwar nicht verletzt zu sein – er leckte mir freudig das Gesicht, als ich ihn hochhob –, trotzdem fand ich, es wäre an der Zeit, die Eltern einzuschalten.

Wenn ich mich recht erinnerte, wohnte Greg in dem roten Haus an der Ecke, zwei Blocks entfernt. Ich brachte Ignatz hinein, trat den Weg zu der Adresse an und klopfte an die Tür. Eine müde wirkende, korpulente blonde Frau öffnete.

»Hi«, grüßte ich. »Sind Sie Gregs Mutter?«

»Ja.«

»Ich bin Jason Tray. Ich wohne in dem weißen Haus ungefähr zwei …«

»Das mit dem Friedhof davor?«

Ich lächelte. »Nur an Halloween.«

Sie erwiderte mein Lächeln nicht. »Eigentlich den ganzen Oktober.«

»Richtig. Na, jedenfalls haben Ihr Sohn und sein Freund meinen Hund mit Steinen beworfen.«

»Vielleicht in Notwehr.«

»Er ist innerhalb eines Zauns.«

»Vielleicht hatten sie Angst, er könnte es nach draußen schaffen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Wenn sie Angst gehabt hätten, er könnte es nach draußen schaffen, hätten sie nicht dort gestanden und ihn mit Steinen beworfen. Hören Sie, ich bin keiner dieser Nachbarn, die gleich brüllen: ›He, Kids, sofort runter von meinem Rasen!‹«

»Mhm.«

»Ehrlich, bin ich nicht. Es geht nur nicht, dass Ihr Sohn meinen Hund verletzt. Wenn Sie also mit ihm reden und ihm Bescheid stoßen könnten, dass es nicht cool ist, Tiere mit etwas zu bewerfen, wär ich Ihnen sehr verbunden.«

»Warum halten Sie ihn nicht drinnen?«

»Ich hab genau deshalb einen Zaun, damit Ignatz draußen sein kann. Ich verlange ja auch nicht von Ihnen, dass Sie Ihren Jungen im Haus behalten. Ich verlange nur, dass Sie ihm sagen, er soll aufhören, sich wie ein Psychopath aufzuführen.«

Meine Äußerung ließ mich selbst zusammenzucken, da Eltern tendenziell schlecht darauf reagieren, wenn man ihr Kind als Psychopathen bezeichnet. Aber diese Lady fing echt an, mich zu verärgern.

Gregs Mutter zeigte kaum eine Regung. Sie nickte bloß halbherzig und zuckte dazu genauso halbherzig mit den Schultern. Einen Moment lang stand ich da und wartete auf eine verbale Erwiderung.

»Danke«, sagte ich schließlich, als ich mir zusammenreimte, dass die Unterhaltung wohl zu Ende war.

»Okay.«

Ich ging zurück zu meinem Haus. Zuvor war ich schwer in Versuchung gewesen, der Frau zu sagen, dass ihr Zehnjähriger Erwachsenen den Stinkefinger zeigt, aber ich wollte nicht als quengelige Petze rüberkommen. Solange nichts zu Bruch ging oder Tiere litten, hatte ich kein Problem damit, dass Kinder nun mal Kinder waren. Seit fast drei Jahren wohnte ich in dieser Nachbarschaft ohne irgendwelche Schwierigkeiten.

Am nächsten Tag ging ich so in meiner Arbeit auf, dass ich die Zeit aus den Augen verlor, bis ich Ignatz vor Schmerz jaulen hörte. Ich stürmte in dem Moment zur Tür hinaus, als die kleinen Scheißer jeweils einen weiteren Stein durch den Zaun auf ihn warfen. Beide verfehlten ihn. Lachend rannten sie davon. Ich ging neben Ignatz in die Hocke und fuhr mit den Fingern durch sein Fell. Am Rücken ertastete ich einen kleinen Hubbel.

Also, mir ist schon klar, dass ich den reifen Erwachsenen verkörperte, während sie die Kinder waren, und dass ich über den Dingen hätte stehen sollen.

Nur war ich dazu so gar nicht in der Stimmung. Ich zeichnete schnell und wurde deutlich vor dem Abgabetermin für Unausgeglichen fertig. Damit blieb mir während des restlichen Tages reichlich Zeit, meine Rache zu planen.

Zuerst brauchte ich eine Kettensägenattrappe. Kein billiges Ding aus Gummi – ich wollte etwas, das total echt aussah und klang, nur eben nicht wirklich, na ja, Kinder in Stücke schneiden würde. Nach ein paar Telefonaten wurde ich bei einem Kostümverleih fündig, der anderthalb Stunden entfernt lag. Ich genoss die Fahrt.

Zu gern hätte ich noch einen falschen abgetrennten Kopf aufgespürt, der aussah, als könnte er einem Zehnjährigen gehören, ich konnte aber keinen finden, der sich bis zum nächsten Nachmittag beschaffen ließ. Also begnügte ich mich mit einem Erwachsenenkopf – auch ziemlich cool, mit aus dem Mund baumelnder Gummizunge und einem Teil der vom Hals baumelnden Wirbelsäule.

Am nächsten Tag ließ ich Ignatz hinaus in den Garten und spritzte mir etwas Kunstblut ins Gesicht und auf die Kleidung. Ich betrachtete mich im Spiegel. Nee, nicht genug. Zufrieden war ich erst, als ich vor Blut triefte. Hihi.

Pünktlich wie die Maurer tauchten die fiesen kleinen Widerlinge auf. Als Dennis mit der Faust gegen den Zaun drosch, preschte ich durch die Tür hinaus und rannte auf die Jungs zu, in der rechten Hand einen abgetrennten Kopf, in der linken eine brüllende Kettensäge.

Greg und Dennis kreischten. Sofort verdunkelte sich der Schritt von Gregs Hose. Vor Grauen schreiend ergriffen sie die Flucht.

Ja, ich weiß. Dabei hätte ich es belassen sollen. Stattdessen öffnete ich das Gartentor und hetzte den Bürgersteig entlang hinter ihnen her. Dazu stimmte ich mein irrstes Lachen an und war enttäuscht, dass sie es wegen der Kettensäge nicht hören würden, die sich als verflucht laut erwies.

Am Ende des Blocks fiel Dennis und legte eine harte Landung hin. Greg ließ seinen Freund einfach zurück und rannte weiter zu seinem Haus, schaute nicht einmal zurück.

Ich schaltete die Kettensäge aus und ging hinüber zu Dennis. Auch er hatte sich in die Hose gemacht. Und sein Arm lag in einem merkwürdigen Winkel verkrümmt.

Hoppla.

Mich beschlich das Gefühl, dass mir der Zwischenfall noch einige Probleme im Leben bereiten würde.

»Warum?«, fragte Chuck Rhodes, mein Agent und Pressesprecher, der mir in dem gehobenen Meeresfrüchterestaurant gegenübersaß, in dem er immer Rippchen vom Grill bestellte. »Warum hast du gedacht, es wäre in Ordnung, am helllichten Tag mit einer...


Strand, Jeff
Jeff Strand (geboren 1970) ist Amerikaner. Er hat viele Romane und Kurzgeschichten geschrieben, aber auch Drehbücher und Sketche für Comedy-Shows.
Seine Werke sind geprägt durch einen eigenwilligen makabren Humor. Als Einflüsse auf sein eigenes Schreiben nennt er Autoren wie Douglas Adams, Richard Laymon, Dave Barry oder Jack Ketchum.



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