E-Book, Deutsch, 638 Seiten
Stöckel Grundsteuerrecht
überarbeitete Auflage
ISBN: 978-3-555-02247-5
Verlag: Deutscher Gemeindeverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Bewertungs- und Grundsteuergesetz inklusive Öffnungsklauseln der Länder
E-Book, Deutsch, 638 Seiten
ISBN: 978-3-555-02247-5
Verlag: Deutscher Gemeindeverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Reinhard Stöckel, Regierungsdirektor a. D., Thüringer Finanzministerium.
Autoren/Hrsg.
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Vorbemerkung
1.Neuregelung der Grundsteuer
1– vom Bundesverfassungsgericht erzwungen und
– durch Änderung des Grundgesetzes erneut verfassungswidrig.
2Seit 1995 verweigern die jeweiligen Bundesregierungen eine Neubewertung des Grundbesitzes für Zwecke der Grundsteuer. Nun wurden sie gezwungen tätig zu werden, denn das Bundesverfassungsgericht hat am 18.4.2018 zu einem Fall in den alten Bundesländern entschieden und eine bundesgesetzliche Neuregelung der Bewertung des Grundbesitzes für Zwecke der Grundsteuer bis 31.12.2019 gefordert.
3Dazu lag der großen Koalition (CDU/CSU/SPD) ein Gesetzentwurf der Länder Hessen und Niedersachsen (Bundesratsinitiative aus 2016 – Zustimmung 14 Bundesländer – dagegen Bayern und Hamburg) vor. Eigentlich eine gute Ausgangsbasis. Aber es kam anders:
1. Wegen der Bundestagswahl 2016/17 hat der Bundestag diesen Gesetzentwurf nicht erörtert. Folge: Er verfristete.
2. Der damalige Bundesfinanzminister Scholz griff 2019 diesen Vorschlag auf und stellte ihn, nach Überarbeitung, als Gesetzentwurf der Bundesregierung vor.
4Aber: Bayern verfolgt seit 2010 ein eigenes wertunabhängiges Modell (WUM) und will keine Neuregelung, wie im Bundesgesetz vorgesehen, sondern ein Bayerisches Gesetz zur Neuregelung der Grundsteuer.
So forderten die CSU (und Teile der CDU) die Änderung des Artikels 72 des Grundgesetzes und damit die Möglichkeit der Einführung einer Öffnungsklausel und erhielten dazu die notwendige 2/3 Mehrheit. Parteiübergreifend stellte kaum jemand Fragen nach den Folgen dieser Entscheidung.
Unmittelbare Folge: Zur Hauptfeststellung der „Grundsteuerwerte“ kann also nun jedes Bundesland von einer Öffnungsklausel Gebrauch machen und seine eigenen Regelungen treffen. Davon haben 7 Länder in unterschiedlichem Umfang Gebrauch gemacht. Ferner nimmt die Grundsteuer am Länderfinanzausgleich nicht mehr, wie bisher, teil.
5In Baden-Württemberg wird die Hauptfeststellung der Grundsteuerwerte (sowohl für das Grundvermögen als auch für das Land- und Forstwirtschaftliche Vermögen zum 1.1.2022 bereits mit eigenem Gesetz (Landesgesetz) mit steuerlicher Wirkung ab dem 1.1.2025 durchgeführt. Das (Bundes-) Bewertungsgesetz 1965 und das (Bundes-) Grundsteuergesetz 1973 gelten bis zum Ablauf des 31.12.2024 fort. Dazu ist festzustellen: Nachdem eine erste Klage mangels Beschwer zurückgewiesen wurde, liegt nun eine zweite Musterklage gegen das Landesgrundsteuergesetz beim FG Baden-Württemberg vor (Az 8 K 2491/22 – Bodenrichtwerte als Bemessungsgrundlage für die neue Grundsteuer in Baden-Württemberg). Grundstückseigentümern wird empfohlen gegen die neuen Bescheide form- und fristgerecht Einspruch einzulegen und sich auf dieses Klageverfahren zu berufen.
6Bayern übernimmt das neue (Bundes-) Bewertungsgesetz für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und damit ein aufwendiges Verfahren mit einem geringen Grundsteueraufkommen. Für die Bewertung des Grundvermögens wurde jedoch ein eigenes einfaches und verfassungsrechtlich bedenkliches Bewertungsverfahren und ein eigenes Gesetz geschaffen (BayGrStG vom 10.12.2021, BayGVBl. Nr. 23 vom 17.12.2021).
7Hamburg übernimmt zwar, wie Bayern, das neue (Bundes-) Bewertungsgesetz für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, wohl wissend, dass das Aufkommen kaum > 0 € sein wird. Für die Bewertung des Grundvermögens wurde ein eigenes Bewertungsgesetz geschaffen (HmbgGVBl Nr. 56 vom 31.8.2021, HmbGStG vom 24.8.2021). Dieses Verfahren knüpft zwar an das Bayerische Bewertungsverfahren an unterscheidet sich jedoch bei Wohnlagen.
8Niedersachsen (NS) verfolgt den eigenen Gesetzentwurf teilweise nicht weiter. Man übernimmt aus der eigenen Gesetzesiniative aus 2016 nur die Regelungen zur Land- und Forstwirtschaft (s.?a. das neue (Bundes-) Bewertungs- und Grundsteuergesetz), aber für die Bewertung des Grundvermögens wurde in einem eigenen, auf dem Bayerischen Modell aufbauenden Bewertungsverfahren geregelt (NGrStG vom 7.7.2021, GVBl. 2021, 502). Wie bei Bayern basiert das Verfahren auf der Fläche des Bodens x Äquivalenzzahl 0,04 Euro + Gebäudeflächen x Äquivalenzzahl 0,50 Euro x Lage-Faktor.*1
9Gleiches gilt für Hessen. Auch Hessen übernimmt das neue (Bundes-) Bewertungs- und Grundsteuergesetz für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und regelt die Bewertung des Grundvermögens in einem eigenen, auf dem Bayerischen und dem Niedersächsischen Modell aufbauenden Bewertungsgesetz (GVBl. 2021, 906). Schematische Darstellung:
Fläche des Grund und Bodens | Wohnflächen | Nutzflächen (Nichtwohnflächen) |
Flächenbetrag 0,04 €/qm | Flächenbetrag Gebäude 0,50 €/qm | Flächenbetrag Gebäude 0,50 €/qm |
Grundsteuermesszahl 100 % | Grundsteuermesszahl 70 % | Grundsteuermesszahl 100 % |
Ausgangsbetrag | Ausgangsbetrag | Ausgangsbetrag |
x | x | x |
Faktor | Faktor | Faktor |
ergibt Grundsteuermessbetrag | ergibt Grundsteuermessbetrag | ergibt Grundsteuermessbetrag |
Bundesmodell: Alle neuen Länder übernehmen das neue (Bundes-) Bewertungsgesetz für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, obwohl dieses Gesetz eine Abkehr von der bisherigen „Nutzerbesteuerung“ zur „Eigentümerbesteuerung“ beinhaltet.
10Ist man sich über die Folgen im Klaren? Dazu eine kurze Erläuterung: In den neuen Ländern wird seit 1.1.1991 ein „Ersatzwirtschaftswert“ ermittelt. In diesem Wert sind – ungeachtet der Eigentumsverhältnisse – alle Flächen erfasst und bewertet, die von einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bewirtschaftet werden. Bei der Umstellung auf die „Eigentümerbesteuerung“ müssen nun die jeweiligen verpachteten Flächen, ungeachtet ihrer Fläche und Wertigkeit, beim Eigentümer erfasst und bewertet werden.
111. Die Nutzung entspricht der bisherigen, aber
2. drastische Erhöhung der Fallzahlen (um das Drei – bis Vierfache).
3. Bei kleineren Grundstücken ist ein Grundsteuerwert festzustellen, ein Grundsteuermessbetrag zu ermitteln, aber die Gemeinde kann, da die Bagatellgrenze nicht überschritten wird, keine Grundsteuer festsetzen.
12Jedoch offenbar kein Grund für die neuen Länder um von der Öffnungsklausel bei Ermittlung der Grundsteuer für das Land- und Forstwirtschaftliche Vermögen (GrSt A) Gebrauch zu machen.
131. Fazit: Fünfzehn Bundesländer wenden das (Bundes-)bewertungsgesetz zur Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für die Grundsteuer A (Land- und Forstwirtschaft) an.
2. Fazit: Elf Bundesländer wenden das (Bundes-)bewertungsgesetz zur Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für die Grundsteuer B (Grundvermögen) an.
14Aber: Sachsen regelt eine Öffnungsklausel bei Ermittlung des Grundsteuermessbetrags für das Grundvermögen (abweichende Grundsteuermesszahlen – s. Sächs.GrStMG vom 3.2.2021).
Auch das Saarland entscheidet sich für abweichende Grundsteuermesszahlen (Amtsbl. des Saarl. I, 2372) beim Grundvermögen.
Damit ergeben sich folgende Steuermesszahlen
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen- Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen | Saarland | Sachsen | Berlin | Bremen |
Grundstücksarten | Messzahlen |
Ein- und Zweifamilienhaus | 0,31 | 0,34 | 0,36 | 0,31 | 0,31 |
Mietwohngrundstück und Wohnungseigentum | 0,31 | 0,34 | 0,36 | 0,31 | 0,31 |
unbebautes Grundstück | 0,34 | 0,64 | 0,36 | 0,45 | 0,75 |
Geschäftsgrundstück und Teileigentum | 0,34 | 0,64 | 0,72 | 0,45 | 0,75 |
Gemischt genutztes Grundstück | 0,34 | 0,64 | 0,72 | 0,45 | 0,75 |
Sonstiges bebautes Grundstück | 0,34 | 0,64 | 0,72 | 0,45 | 0,75 |
2.Umsetzung der Neubewertung
15Für die Umsetzung der Neubewertung (Festsetzung der Grundsteuer für das Grundvermögen) liegen den Steuerschuldnern folgende...