E-Book, Deutsch, Band 7, 432 Seiten
Reihe: Ein Thomas-Kydd-Roman
Stockwin Stürmisches Gefecht: Ein Thomas-Kydd-Roman - Band 7
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96148-915-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 7, 432 Seiten
Reihe: Ein Thomas-Kydd-Roman
ISBN: 978-3-96148-915-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Julian Stockwin wurde 1944 in England geboren und trat bereits mit 15 Jahren der Royal Navy bei. Nach achtjähriger Dienstzeit verließ er die Marine und machte einen Abschluss in Psychologie und Fernöstliche Studien. Anschließend lebte er in Hong Kong, wo er als Offizier in die Reserve der Royal Navy eintrat. Für seine Verdienste wurde ihm der Orden des MBE (Member of the Order of the British Empire) verliehen, bevor er im Rang eines Kapitänleutnants aus dem Dienst ausschied. Heute lebt er als Autor in Devon und arbeitet an den Fortsetzungen der erfolgreichen Thomas-Kydd-Reihe. Julian Stockwin im Internet: https://julianstockwin.com/ Bei dotbooks erscheinen in der Thomas-Kydd-Reihe von Julian Stockwin: »Zur Flotte gepresst« »Bewährungsprobe auf der Artemis« »Verfolgung auf See« »Auf Erfolgskurs« »Offizier des Königs« »Im Kielwasser Nelsons« »Stürmisches Gefecht« »Im Pulverdampf«
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Kapitel 2
Kydd stolperte völlig verwirrt aus Camerons Büro, sein Bündel Befehle fest mit der Faust umklammert. Er wollte sie in seinen Depeschenkoffer stopfen, aber seine Blicke fielen wieder auf die Worte: »Kapitän, HM Sloop Teazer«. Es war eigentlich unmöglich, aber es war dennoch wahr!
Die Besatzung des Bootes wartete vermutlich bereits auf seine Rückkehr, aber dieser Augenblick war zu kostbar, zu überwältigend. Kydd mußte erst seine Fassung wiederfinden, bevor er den Männern gegenübertreten konnte. Er atmete tief durch, ehe er die Hauptstraße hinuntermarschierte, als ob er in wichtigen Geschäften unterwegs wäre.
Ohne Zweifel hatte er mehr Glück als Verstand gehabt. Seine Beförderung mußte zwar noch durch die Admiralität in London bestätigt werden, aber die Entscheidungen eines Oberbefehlshabers vom Range Keith' würde man dort nicht ungebührlich in Frage stellen. Kydd fragte sich, warum man ihn so vielen anderen jungen Offizieren in der Flotte vorgezogen hatte, die alle heftig nach Anerkennung verlangten, und warum er über seine Beförderung auf so ungewöhnliche Weise unterrichtet worden war – durch eine Depesche, die er selbst übermittelt hatte. Doch warum sollte er sich lange den Kopf über diese Fragen zerbrechen? Er war jetzt tatsächlich Commander Kydd, Kommandant Seiner Majestät Briggsloop Teazer, und der glücklichste Mann auf der ganzen Welt!
Eine Träne brannte in seinem Auge; es fehlte nicht viel, und er hätte vor lauter Glück zu weinen begonnen. Viele Passanten blickten ihn neugierig an, doch scherte er sich nicht darum, denn Vorfreude auf die grenzenlose Bewunderung, die ihm bei seiner Heimkehr in Guildford einmal entgegenbranden würde, wechselte sich mit Vorstellungen ab, wie er nun gleich unter dem Schrillen der Bootsmannspfeifen über die Seite seines Schiffes kletterte. Eine Welle schierer Glückseligkeit drohte ihn zu übermannen, so daß er stehenblieb und in das Schaufenster eines Ladens blinzelte.
Schließlich riß er sich zusammen, drehte sich um und setzte seinen Weg zum Kai fort. Der gigantische, von Festungen umgürtete Grand Harbour hatte nun in seinen Augen einen dramatischen Glanz angenommen: ein großer Hafen voller Schiffe aus allen Ländern der Levante und noch ferneren Weltgegenden und ein prachtvoller und herausfordernder Ort, um ein erstes Kommando anzutreten.
Das Boot legte ab. Kydds Gedanken wanderten zu Renzi. Wie würde sein Freund jetzt zu ihm stehen, da sie von einem tieferen Abgrund getrennt wurden, als sie ihn je zusammen hatten überwinden müssen? Renzi verfolgte nämlich nicht im gleichen Maße seine Karriereambitionen wie Kydd, der junge Adelssproß zog vielmehr seine Befriedigung auf ganz eigene Art aus den sich stets verändernden Perspektiven, die das Leben auf See bereithielt. Sie beide hätten immer wieder auf dem weiten Feld der Metaphysik darüber diskutieren können, was es bedeutete, ein Kind des Glücks zu sein – vielleicht, oder ... Aber Renzi gehörte der Vergangenheit an, und Kydd mußte akzeptieren, daß er in Zukunft auf sich allein gestellt war.
Dieser Gedanke setzte sich in ihm fest, und sein plötzlich angespannter Gesichtsausdruck veranlaßte den Midshipman, die Pinne besorgt fester zu packen.
»Sir?« fragte er ängstlich.
Sie näherten sich der ankernden Fregatte, die für kurze Zeit Kydds schwimmendes Zuhause gewesen war, und der Bugmann blickte fragend nach achtern.
»Ich gehe an Bord«, rief Kydd.
Sein Gepäck mußte zusammengepackt und an Land geschafft werden, denn als Wichtigstes mußte er sein Schiff in aller Form übernehmen. Kydds Puls schlug heftig vor Aufregung, als er das Deck betrat. Sollte er jetzt bereits seine für unmöglich gehaltene Beförderung bekanntgeben? Er unterdrückte den Impuls und versuchte kühl zu überlegen, aber es gab nur den Weg, den ihm sein überdrehter Verstand vorschrieb: Er würde noch in dieser Stunde auf sein eigenes Schiff gehen!
Doch das war nicht so einfach. Für den Rest der Welt war er nur ein Leutnant unter vielen. Ehe er nicht die richtige Uniform anziehen konnte, wäre es eine Unverschämtheit, auf seinem neuen Schiff zu erscheinen. Würden aber auf der Insel schon ein guter Uniformschneider und ein Ausrüster aufzutreiben sein, nachdem sie sich erst seit sechs Monaten in englischer Hand befand? Jedoch war sein Verlangen, das Kommando anzutreten, unmöglich zu bezähmen. Würde es vielleicht wieder zu einem Traum verblassen?
Auf jeden Fall, überlegte er, brauche ich einen Platz, wo ich meinen müden Kopf zum Schlaf niederlegen kann. Aber wie war das korrekte Verfahren, um in das Territorium von hundert Männern einzubrechen und ihren bedingungslosen Gehorsam zu verlangen? Alles kam ihm so völlig absurd vor – außer der Tatsache, daß er das wertvolle Schreiben mit seiner Bestallung in seiner Brusttasche trug.
Kydd fegte die gelangweilten Fragen der Offiziere der Fregatte, die bereits genug vom Anblick des Landes hatten, mit einer ungeduldigen Handbewegung zur Seite und strebte den Unterkünften zu. Der diensttuende Posten der Seesoldaten vor der Kabine des Kommandanten zeigte an, daß dieser an Bord war. Kydd klopfte energisch an die Tür.
»Herein!« Die Stimme klang gelassen.
»Sir, vergeben Sie mir bitte, daß ich Sie zu dieser Stunde belästige, ich würde unendlich in Ihrer Schuld stehen, wenn Sie ...«
Nach dem festen Versprechen, sich in naher Zukunft zum Dinner zu treffen, verließ Commander Kydd die Kabine, mit einer geliehenen Epaulette auf seiner linken Schulter, die seinen Rang anzeigte. Ein mit Goldlitze geschmückter Zweispitz saß dwars auf seinem Kopf.
Als er auf dem Deck erschien, verstummte verblüfft alle Konversation. Ein leises »Guter Gott!« war zu vernehmen. Kydd wandte sich um und blickte den Leutnant an, der eilig seinen Hut lüftete. Die anderen taten es ihm nach. Da würde es an diesem Abend in der Offiziersmesse etwas zum Nachdenken geben.
»Wenn Sie bitte Mister Midshipman Bowden rufen lassen würden.« Kydds Kopf war vollgestopft mit Plänen, und er brauchte zur Umsetzung einen treuen Helfer. Er fegte die gestammelten Glückwünsche des Jungen zur Seite, der ihn aus weit aufgerissenen Augen anstarrte, und er schnappte: »Sie haben sich also freiwillig für den Malta Service gemeldet, Mister Bowden? Dann informiere ich Sie hiermit, daß Sie von heute an ein junger Gentleman5 auf der Sloop Teazer sind, die in der Werft ausgerüstet wird.« Dem Papierkrieg wollte er sich später widmen.
»Ja ... jawohl, Sir. Und Sie sind ...«
»Ich bin der Kommandant, Mister Bowden.«
Die Barkasse der Fregatte suchte sich ihren Weg durch den geschäftigen Hafen. Obwohl Kydd scharf darauf war, sein Schiff zu entdecken, hielt er sich formvollendet und blickte ernst.
»Auf Riemen!«
Der Midshipman brachte das Boot am Kai längsseits, und Kydd stieg aus. Matrosen schleppten sein Gepäck an Land, und der Bootssteurer erkundigte sich respektvoll, ob er warten sollte.
»Nein, vielen Dank«, erwiderte Kydd. »Ich werde Sie nicht mehr benötigen. Und nochmals meinen besten Dank an Ihren Kapitän für die glatte Überreise nach Malta.« Das war geschafft, jetzt gab es kein Zurück mehr. »Mister Bowden, bewachen Sie bitte unser Gepäck!«
Mit festen Schritten betrat Kydd die Büros neben dem dreifachen Torbogen, der den Eingang zu einem kleinen Bootsslip und der Werft markierte. Nach seinem Dienst auf einer karibischen Werft kannte der frischgebackene Kommandant bessere Wege, als sich lautstark direkt seinem Ziel zu nähern.
»Guten Morgen, Sir«, flötete er honigsüß dem mißtrauischen Beamten entgegen, der auf ihn zutrat. »Ich habe eine Verabredung mit dem Commissioner, wenn es beliebt.«
»Mit Mister Burdock? Ich kann mich nicht erinnern ...«
»Donnerstag um zehn Uhr?« Kydd zog seine Taschenuhr hervor und betrachtete sie sorgfältig. »Ich bitte um Entschuldigung, falls ich mich bei den Details irren sollte, aber ...«
»Um zehn? Wollen Sie mir bitte folgen, Sir? Hier entlang.«
Der Commissioner blickte stirnrunzelnd auf. »Wer ist das?« fragte er dann leise den Sekretär.
Bevor der Mann seinen Mund öffnen konnte, rief Kydd glattzüngig: »Ah, Mister Burdock! Es ist überaus freundlich von Ihnen, daß Sie mich so früh empfangen – Admiral Keith hat mir versichert, daß ich auf Ihre guten Dienste ...«
»In welcher Angelegenheit?«
»Natürlich in der Angelegenheit, einen Liegeplatz für ein wichtiges einlaufendes Schiff freizumachen, das zur Reparatur und Überholung ansteht!«
»Der Chefaufseher hat mich über ein derartiges Anliegen nicht informiert.«
Kydd legte die Stirn in Falten. »Verdammte Federfuchser! Aber nochmals: Können wir uns darauf einigen, daß sein Kommandant ... wie immer er heißen mag, er und das Schiff sind immerhin so bekannt ...«
»Wer?«
»Admiral Keith hat auf absoluter Diskretion bestanden, verstehen Sie?« bluffte Kydd und sah sich mißtrauisch um. »Genau aus diesem Grund hat er mich vorausgeschickt, um sicherzustellen, daß der Liegeplatz frei ist, bevor ... Nun, man hat mir versichert, daß die Brigg Teazer kurz vor der Fertigstellung steht.«
»Unmöglich. Sie ist in keiner Beziehung seetüchtig!«
»Ach? Wie das, Sir?« erkundigte sich Kydd unschuldig.
»Die Teazer? Sie ist noch nicht mal in Dienst gestellt worden.«
Sofort sah Kydd klar. Instandhaltungsarbeiten, die nur in den Büchern standen oder schnell ausgeführt werden konnten, spülten dem Mann einen viel gleichmäßigeren Fluß von Geldmitteln in die Kasse, als die langwierige und arbeitsintensive Fertigstellung des Schiffes. Jedes...