E-Book, Deutsch, Band 2, 452 Seiten
Reihe: Ein Thomas-Kydd-Roman
Stockwin Bewährungsprobe auf der Artemis: Ein Thomas-Kydd-Roman - Band 2
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96148-844-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 2, 452 Seiten
Reihe: Ein Thomas-Kydd-Roman
ISBN: 978-3-96148-844-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Julian Stockwin wurde 1944 in England geboren und trat bereits mit 15 Jahren der Royal Navy bei. Nach achtjähriger Dienstzeit verließ er die Marine und machte einen Abschluss in Psychologie und Fernöstliche Studien. Anschließend lebte er in Hong Kong, wo er als Offizier in die Reserve der Royal Navy eintrat. Für seine Verdienste wurde ihm der Orden des MBE (Member of the Order of the British Empire) verliehen, bevor er im Rang eines Kapitänleutnants aus dem Dienst ausschied. Heute lebt er als Autor in Devon und arbeitet an den Fortsetzungen der erfolgreichen Thomas-Kydd-Reihe. Julian Stockwin im Internet: https://julianstockwin.com/ Bei dotbooks erscheinen in der Thomas-Kydd-Reihe von Julian Stockwin: »Zur Flotte gepresst« »Bewährungsprobe auf der Artemis« »Verfolgung auf See« »Auf Erfolgskurs« »Offizier des Königs« »Im Kielwasser Nelsons« »Stürmisches Gefecht« »Im Pulverdampf«
Weitere Infos & Material
Kapitel 2
»Der Teufel soll sie holen, diese gottverdammten nichtsnutzigen Landlubber und Luvschieter!« brüllte der Admiral, völlig außer sich. Der enge, gestärkte Kragen am Hals sorgte dafür, daß sein Gesicht puterrot anlief.
Seine Gattin seufzte entnervt auf. »Also wirklich, John, du weißt doch nur zu gut, daß ich deine Seemannsflüche zu Hause nicht hören will.«
Der Admiral verbiß sich eine Antwort. Er war sich wohl bewußt, wie nahe er daran war, seiner Wut endgültig die Zügel schießen zu lassen. Außerdem verschaffte es ihm eine gewisse Befriedigung, seinen Vatermörder zu lösen, was, wie er hoffte, unter der schneeweißen Spitzenkrawatte nicht auffallen würde. »Du würdest mir etwas mehr Mitgefühl entgegenbringen, meine Liebe, wenn du wüßtest, wieviel Müh' und Plag' mir der unerwartete Beschluß Seiner Majestät bereitet, uns einen Besuch abzustatten«, knurrte er. Das Mitgefühl würde ihm zuteil werden, das wußte er, nicht aber das Verständnis. Die überraschende Entscheidung König Georgs, die Hauptstadt zu verlassen und höchstpersönlich anwesend zu sein, wenn der schwer gezeichnete Sieger samt seiner Prise seinen triumphalen Einzug hielt, stellte den Hafenadmiral vor zahllose Probleme.
»Aber natürlich, mein Liebster – es muß eine arge Last für dich sein.« Lady Clowes hatte ihre eigenen Ansichten zu der Frage, was Mühen und Plagen waren: Sie war persönlich dafür verantwortlich, daß die festlichen Empfänge für den König ein voller Erfolg wurden – sollten sie irgendwie mißlingen, würde man das ihr anlasten, sollten sie dagegen glatt über die Bühne gehen, würde man es für selbstverständlich nehmen. Ihr einziger Helfer war dieser widerwärtige Flaggleutnant, ein schlichter Marineoffizier, der die Feinheiten höfischer Etikette gar nicht zu schätzen wußte.
»Denk nicht zuviel daran, mein Lieber«, setzte sie geistesabwesend hinzu. In Gedanken war sie bei der Frage, was sie mit der ambitionierten Lady Saxton anfangen sollte. Die Frau des Werftaufsehers war mit einem einfachen Kapitän zur See verheiratet, der aber ein Baronet war. Wenn sie als Gastgeberin die damit verbundenen sozialen Ambitionen befriedigen wie auch im Zaume halten wollte, war sie in einer Zwickmühle, was den Vorrang beim Vorstellungsdefilée vor dem König betraf.
»Verzeihen Sie, Sir .« Der Flaggleutnant stand in der Tür.
»Tod und Teufel, mein Herr! Gerade wenn wir ...«
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Sir, aber wir haben eine Nachricht von Brigadegeneral Crossley erhalten«, unterbrach ihn der Leutnant mit allem gebotenen Respekt. »Er läßt Sie wissen, daß er bei dem gegenwärtigen Menschenandrang leider nicht länger für die sichere Ankunft des königlichen Trosses garantieren kann.« Er verstummte, den Blick von Lady Clowes abgewandt.
»Aha.« Der Admiral spürte, wie ihm schon wieder der Kamm schwoll. Soweit zum Heer – die Herren hatten nichts anderes zu tun, als den ganzen Tag auf und ab zu marschieren, diese Stoppelhopser, und jetzt waren sie nicht einmal in der Lage, dem König einen Weg durch die Menge zu bahnen. »In einer Stunde bin ich in meinem Büro. Bis dahin werden Sie sicher noch durchhalten«, sagte er gereizt.
»Sir.« Der Leutnant grüßte und ging.
»John?« Seine Frau hatte die Zeichen erkannt und versuchte, den drohenden Sturm abzuwenden.
»Ja?«
»Sei so lieb und erklär mir, warum dieser Sieg gerade in diesen Zeiten so großartig und glorreich ist«, sagte sie sachlich.
»Das ist ganz einfach, meine Liebe. Wir stehen im Krieg mit einer Bande geisteskranker Halunken, die auf Land nicht zu schlagen ist. Zum ersten Mal haben wir sie jetzt auf See von gleich zu gleich herausgefordert und bewiesen, daß wir sie dort schlagen können. Großbritannien hat allen Grund, denke ich, Kapitän Powlett dankbar zu sein.« Mehr sagte der Admiral nicht, doch stellte er fest, daß er sich nicht wenig darauf freute, etwas aus erster Hand über das bereits berühmte Gefecht zu erfahren.
Hand über Hand rutschte Kydd am Fockbram-Backstag an Deck hinab. Noch ganz außer Atem, sagte er: »Da stimmt was nich', Nicholas. Ich hab' jede Menge Menschen geseh'n, die steh'n von Portsmouth Point bis hinüber zur alten Festung.«
Renzi belegte die Leine ordentlich, während er über Kydds aufgeregte Worte nachdachte. Sollte es in Portsmouth tatsächlich irgendwelche Unruhen geben, würden sie nicht so entspannt mit ihrer Prise in den Hafen segeln können.
»Man sagt, die Franzosen planen eine Landung in England«, bemerkte er.
Kydd sah ihn von der Seite an. »Da geht was vor«, beharrte er stur.
Sie standen inzwischen rund fünf Meilen vor dem Nab, einer Sandbank vor St. Helen's, doch der steife Nordoster machte es ihnen nicht einfach, die Reede von Spithead anzulaufen, wurde ihre Fahrt doch von dem Notrigg wie auch der achteraus im Schlepptau hängenden Citoyenne gebremst.
Die Matrosen versammelten sich auf dem Vordeck und versuchten, sich einen Reim auf den Menschenauflauf an Land zu machen.
»Die Flotte liegt noch vor Anker«, bemerkte Adam und fuhr fort, daß sie im Falle einer echten Gefahr schon ankerauf gegangen wäre.
Petit sah von seiner Arbeit auf und spähte hinüber zu der Masse von Menschen, die die ferne Küste säumten. »So 'n Gewimmel hab' ich seit Ewigkeiten nich' geseh'n.
»Un' was is' das da?« sagte Stirk.
Noch während sich die Fregatte St. Helen's näherte, umrundeten erst eines, dann mehrere Boote die Landspitze. Nach ihrem gesetzten Zeug zu urteilen, schienen sie es sehr eilig zu haben; ihre Lateinersegel bauschten sich gefährlich prall in der kräftigen Brise.
Artemis hatte für die letzten Meilen bis Spithead den offenen Solent vor sich. Die Segelboote jagten auf sie zu, auch etliche größere Schiffe, Hulks und Leichter, standen gemächlich heran.
Das erste Boot erreichte sie, eine kleine Jolle, bis zum Dollbord mit Passagieren vollgestopft, die begeistert winkten. Das Boot schoß vorbei und halste elegant, gefährlich nahe hinter dem Heck. Ein zweites Boot folgte; die Menschen, die in seinen Wanten hingen, hießen sie jubelnd willkommen. Bald wimmelte die Reede von Dutzenden Segelbooten, die hin und her kreuzten. Das Gejohle ihrer Passagiere ließ keinerlei Zweifel aufkommen, warum sie ausgelaufen waren.
»Halleluja!« seufzte Petit. »Jungs, das is' für uns.«
Kapitän Powlett trat aus dem Niedergang auf das Achterdeck und marschierte dort mit unbewegtem Gesicht langsam auf und ab. Er trug seine Paradeuniform mit Degen und Orden – ein prächtiger Anblick, verglichen mit seinem sonst so spartanischen Aufzug.
Das ferne Krachen eines Kanonenschusses übertönte den allgemeinen Lärm. Rauch stieg vom Bug eines Marinekutters auf, der sich mühsam seinen Weg durch das Getümmel suchte und umständlich längsseits ging.
Die Schar der Seeleute auf der Back sah zu, wie ein Offizier an Bord kletterte; anschließend wurden auf dem Achterdeck Höflichkeiten ausgetauscht. Dann ging alles ganz schnell. Die Trosse wurde geslippt, und Leichter und Hulks versammelten sich, um die Prise ins Schlepptau zu nehmen, so daß die arg mitgenommene Artemis die Fahrt ausschließlich unter losen Segeln fortsetzen konnte. Regelmäßig krachten ihre Salutschüsse für den Admiral der Flotte auf der Reede von Spithead aber sie passierten die abgeankerten Schiffe mit unverminderter Fahrt. Die Fregatte würde in den Hafen von Portsmouth einlaufen.
Vor der letzten Meile der engen Hafeneinfahrt kürzte sie die Marssegel. Ihr Kurs führte sie parallel zum Ufer, das nur wenige Kabel an Steuerbord lag, an den unbändig jubelnden Massen vorbei, die sich auf jedem nur denkbaren Aussichtspunkt drängten. Kydd freute sich, daß seine Manöverstation im Vortopp ihm einen Blick auf diese wunderbare Szene gestattete. Diesen Anblick würde er sein Lebtag nicht vergessen.
Unter ihm krachte ein Kanonenschuß. Das überraschte ihn, denn sie hatten keinen Grund, weiter Salut zu schießen. Doch dann deutete ein Matrose auf den bunten Stander, der über dem Signalturm des Marinedocks gehißt war: Er Selbst,verkündete er lakonisch.
Der Salut krachte weiter, die vollen einundzwanzig Schuß für den König von England. Nun passierten sie die enge Hafeneinfahrt, glitten an den windschiefen alten Häuschen von Portsmouth Point vorbei, die ganz dicht an Steuerbord lagen. Alle Fenster waren schwarz von jubelnden Menschen. Gegenüber erhoben sich die dunklen, massiven Backsteinmauern von Fort Blockhouse, dahinter das Marinehospital Haslar. Jeder kranke oder verwundete Seemann, der nur irgendwie humpeln konnte, stand am Wasser; eine Militärkapelle schmetterte Hearts of Oak.
Weiter segelten sie, vorbei an den flachen weißen mittelalterlichen Türmen des Kanonendocks, dann vorüber an Portsmouth Hard, wo der Hafen sich wieder weitete, mit seinen Kneipen und Herbergen, mit seinen dicht an dicht stehenden Menschen. Zwei mitten im Fahrwasser vermurte Kriegsschiffe hatten die Mannschaft zur Parade in die Rahen geschickt: Hunderte von Männern standen auf den abgetakelten Rahen, klebten an Maststengen und schrien aus voller Kehle »Hurra« für die nun so berühmte Fregatte.
Auf einmal hatten sie die langen Docksgebäude querab. Noch ein letztes Mal wurde hart angepackt, als Artemis in den Wind herumschwang und austrieb. Die Segel wurden aufgegeit, Leinen von wartenden Booten an Land verholt, und dann wurde die Fregatte längsseits an die Kaimauer gewarpt.
Kydd hatte das offizielle...