Stichler | Zeit der Dunkelheit | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 576 Seiten

Reihe: Mandelbaum-Reihe

Stichler Zeit der Dunkelheit

Historischer Roman
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-948346-34-8
Verlag: MAXIMUM Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Historischer Roman

E-Book, Deutsch, Band 2, 576 Seiten

Reihe: Mandelbaum-Reihe

ISBN: 978-3-948346-34-8
Verlag: MAXIMUM Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Stadt zwischen Aufklärung, Antisemitismus und kriminellen Machenschaften

Um 1900: Das Leben pulsiert in der Metropole Frankfurt, in der sich Simon Mandelbaum nach den verhängnisvollen Ereignissen in Waldbrügg niedergelassen hat. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Gottfried Bührer liefert er Rheinwein nach Paris, um von dort Champagner, Bordeaux und Burgunder zu importieren. Simon reist viel und gewöhnt sich an seinen teuren Lebensstil, bis er plötzlich ins Fadenkreuz polizeilicher Ermittlungen rund um Saccharin gerät …
Von den Entwicklungen in Frankfurt bekommt Hans Escher nichts mit. Nach dem Freitod seines Bruders ist er, der Pflicht folgend, zum trauernden Vater zurückgekehrt. Er muss nun machtlos mit ansehen, wie Dr. Strausser, der Verleger der "Neuen Waldbrügger Zeitung", sein Blatt in eine zunehmend antisemitische Richtung steuert und damit großen Anklang findet. Gerade als Hans den Entschluss fasst, seinen Vater zu verlassen, um die bröckelnde Beziehung zu seiner Verlobten Ava zu retten, erleidet dieser einen Schlaganfall …
Eine Zeitschrift wird gegründet, Liebe entfacht und das neue Jahrhundert wird begeistert begrüßt. Wohin wird die Reise für alle gehen?
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Kapitel 1


Mayburg trat aus einer schmalen Seitengasse heraus auf den steinernen, befestigten Platz an den Docks. Die kurzen, glitzernden Wellen des Flusses reflektierten das Licht der tief stehenden Nachmittagssonne wie bewegliche Spiegel und blendeten ihn. Er hielt inne, blinzelte in den hellen Sonnenschein und nahm seinen Hut ab. Um seine Augen zu schützen, hielt er ihn schräg vor sich und schmunzelte. Er musste den Eindruck einer zwielichtigen Gestalt aus einer Operette erwecken, wie er so dastand, in seinem dunklen Mantel und dem vors Gesicht gehaltenen Hut. Doch niemand achtete auch nur im Mindesten auf ihn. Rings herum an den Kais und Verladestationen der verschiedenen Kontore und Lagerhallen herrschte reges Treiben. Nicht weit von ihm verluden Arbeiter und Matrosen große Fässer mit einem Kran. Andere trugen fest verschnürte Ballen über eine Planke auf den Kai. Ab und zu trat ein Bote aus der Tür eines Schuppens oder Kontors – Mayburg konnte den Unterschied manchmal nicht genau erkennen -, eilte den Kai entlang und verschwand in einer der Gassen ähnlich der, aus der er selbst getreten war. Weiter hinten, etwas flussabwärts, standen ein paar Männer in Gehröcken beieinander, die heftig gestikulierten und über etwas zu verhandeln schienen. Sie waren zu weit entfernt von ihm, als dass er hätte verstehen können, um was es ging.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses lag das Kohlendock schon beinahe im Schatten. Auch dort waren undeutlich Gestalten zu erkennen, die zwischen einem langen Konvoi aus Lastenkähnen und den an den Docks liegenden Lagerschuppen hin- und hergingen, schwer bepackt mit Säcken und Kisten.

Mayburg gefiel das geschäftige Treiben an den Kais. Er hatte es nicht eilig, und nachdem seine Augen sich an das helle Licht gewöhnt hatten, stützte er sich auf seinen Spazierstock und sah einigen Matrosen zu, die auf einem Frachtschiff letzte Vorbereitungen zum Ablegen trafen. An Bord wurden die letzten Fässer vertäut, an Land machten sich Helfer von den Kontoren bereit, die Taue loszuwerfen, die um dicke, eiserne Poller lagen. Aus dem Schornstein drang schwarzer Qualm und nach einem Signal aus dem Steuerhaus warfen die Helfer die Taue los. Routiniert holten die Matrosen sie ein, während der Steuermann das Schiff zügig durch die glitzernden Wellen an anderen, kleineren Kähnen vorbei auf die Fahrrinne in der Mitte des Flusses zusteuerte. Es dampfte flussabwärts davon, am Bug brachen sich Wellen und Licht.

Als es sich entfernt hatte und gegen die Nachmittagssonne nur noch als schwarzer Punkt erkennbar war, nahm Mayburg seinen Stock mit einem energischen Schwung in die Linke, wanderte die Reihe der Lager und Kontore entlang und las die neben den Türen angebrachten Schilder. Er suchte nach einem bestimmten Namen. Doch nach einer gewissen Zeit wurde er zunehmend ungeduldig. Auch nach längerer Suche war er nicht fündig geworden. Schließlich packte er einen der Botenjungen am Arm, der mit einem Umschlag in der Hand dicht an ihm vorbeiflitzen wollte.

„Moment mal“, sagte er. Der Junge war ein dünnes Bürschchen, sein Arm kam ihm vor wie ein dürrer Ast.

Der abrupte Stopp hob den Jungen fast von den Füßen. Er fing sich gerade noch, hielt seine Mütze auf dem Kopf fest und blickte Mayburg empört an.

„Hey“, rief er. „Was soll denn das? Lassen Sie mich los. Ich hab’s eilig.“

Mayburg schmunzelte. Der Ton dieser Jungen war überall gleich, ob in den Straßen Berlins oder am Hafen von Frankfurt. Ob sie Zeitungen austrugen, Bier holten oder die Post für die hiesigen Geschäftsleute besorgten …

„Ich suche das Kontor von Bührer und Mandelbaum“, sagte er, ohne auf die Proteste zu achten. „Weißt du, wo das ist?“

Der Junge sah sich kurz um. „Klar weiß ich das“, sagte er. „Ich arbeite hin und wieder für sie.“

„Zeigst du mir den Weg?“

Der Junge grinste kurz. „Hm“, machte er. „Ich hab hier einen eiligen Brief und bekomme ordentlich Ärger, wenn der nicht sofort zugestellt wird. Er ist …“

Mayburg ließ den Arm des Boten los und hob beschwichtigend die Hand.

„Bring mich hin“, sagte er. „So weit kann es nicht sein.“

„Möglich.“ Der Junge verzog keine Miene. „Aber ich muss weiter. Wie gesagt, ich bekomme jede Menge Ärger, wenn ich …“

Mayburg kramte in der Tasche seiner Weste und brachte ein Geldstück hervor.

„In Ordnung.“ Der Junge zog ihn am Ärmel seines Mantels. „Kommen Sie.“

Sie gingen kaum hundert Meter, als er vor einer unscheinbaren Tür stehen blieb. Es war einer von mehreren Eingängen in einem lang gestreckten, zweigeschossigen Lagerhaus mit wenigen hohen, schmalen Fenstern. Handelshaus Bührer und Mandelbaum war auf einer schlichten grauen Steintafel am Eingang zu lesen.

„Hm“, machte Mayburg unzufrieden. Warum hatte er das Schild vorhin nicht entdeckt? Er zuckte mit den Schultern und warf dem Jungen das Geldstück zu, der es geschickt auffing und sofort losrannte. Doch dann drehte er sich noch einmal um und rief: „Danke“, bevor er weiterlief. Mayburg grinste. Sie waren offenbar doch nicht alle gleich.

Am Eingang gab es weder eine Klingel noch einen Glockenzug, deshalb drückte Mayburg nach kurzem Zögern einfach die Klinke herunter und schob die Tür einen Spaltbreit auf, gerade groß genug, um hindurchzukommen. Er wollte eintreten, als von der anderen Seite energisch an der Tür gezogen wurde und ein anderer Botenjunge sich an ihm vorbeischob, ohne ihn weiter zu beachten.

„Warte mal“, rief Mayburg. „Wo finde ich deinen Chef?“

Der Junge musterte ihn kurz und nickte mit dem Kinn ins Innere des Kontors.

„Da hinten, am Tresen“, sagte er und machte sich aus dem Staub.

Mayburg nickte und betrat das Kontor. Drin herrschte ein dämmriges Halbdunkel. Staubflusen durchquerten die schmalen Streifen Sonnenlicht, die durch die hohen Fenster hereindrangen. An einer lang gestreckten Theke gegenüber der Fensterfront stand ein Mann und schrieb in ein dickes Buch, das vor ihm lag. Er trug keine Jacke, lediglich Hemd, Weste und Ärmelschoner. Die Weste hatte er aufgeknöpft. Neben ihm auf der Schreibplatte lagen noch einige Ordner und eine Brille. Er mochte ungefähr dreißig Jahre alt sein, etwa im selben Alter wie Mayburg. Doch seine hellen Haare wiesen schon schüttere Stellen auf, an den Schläfen wichen sie zurück und gaben deutliche Geheimratsecken frei. Hinter dem Mann zogen sich einige hohe Regale nach hinten in den Raum in ein unbestimmtes Dunkel hinein.

„Guten Tag“, sagte Mayburg und trat näher. „Herr Bührer?“

Der junge Mann sah auf und lächelte kurz und routinemäßig. Er schüttelte den Kopf und wandte sich wieder dem Buch zu. „Bührer ist heute nicht zu sprechen. Aber Sie können gern einen Termin vereinbaren“, meinte er. „Worum geht es denn?“

Mayburg zog die Augenbrauen hoch.

„Hm“, machte er, und ohne auf die Frage des Mannes einzugehen, fuhr er fort: „Für mich vielleicht doch? Ich komme extra deswegen aus Berlin.“ Er kramte in der Tasche seines Mantels und legte eine Karte auf den Tisch. „Es dauert wahrscheinlich nicht lange. Würden Sie ihm bitte ausrichten, dass ich ihn sprechen will?“

Der junge Mann hob wieder den Kopf. Er musterte Mayburg etwas eingehender, dann dessen Karte.

„Kommissar Mayburg“, murmelte er und schürzte die Lippen. „Ja, mal sehen …“ Wenn er überrascht über die Anwesenheit eines Kommissars aus der Hauptstadt war, ließ er es sich zumindest nicht anmerken. „Der Chef … Herr Bührer“, fügte er hinzu, als sei ihm jetzt erst seine vorige Unhöflichkeit bewusst geworden, Bührer nur beim Nachnamen zu nennen. „Bitte warten Sie hier. Ich …“ Er nickte, hob Mayburgs Karte und wedelte damit durch die Luft. Dann verschwand er durch eine Seitentür.

Es dauerte nicht lange und der Kontorist kehrte zurück, um Mayburg in Bührers Büro zu führen. Genau genommen war es Bührers und Simon Mandelbaums Büro. So hatte es wenigstens den Anschein, denn in dem weitläufigen Raum im oberen Stockwerk des Kontors standen zwei große Schreibtische. An einem davon saß Bührer, auf dem anderen türmten sich Papiere, Bücher und Akten auf verschiedenen Stapeln, die zumindest auf den ersten Blick den Eindruck schierer Willkür vermittelten. Bührers Schreibtisch dagegen, aus einem schlichten, stabil wirkenden Holz mit dunkler Maserung, wirkte trotz der Akten, die auch darauf lagen, aufgeräumt. Mayburg hatte es eigentlich so erwartet, ohne Bührer vorher schon einmal begegnet zu sein. Es fiel ihm aber erst in dem Augenblick auf, in dem er das Bild vor Augen hatte.

Entlang der Wände zogen sich hohe Regale, zumeist mit Aktenordnern gefüllt. Weiter hinten im Raum, auf einem Absatz, zu dem zwei breite Stufen hinaufführten, befand sich eine Sitzecke, ausgestattet mit Sesseln und einem Couchtisch aus der Produktion der Mandelbaum’schen Möbelmanufaktur, die Simons Vater in ihrer Heimatstadt Waldbrügg gegründet hatte. Dank Jakob Mandelbaums Schwester Jella, die hier in Frankfurter Künstler- und Unternehmerkreisen verkehrte, waren die Mandelbaum‘schen Möbel seit langen Jahren über die Grenzen Waldbrüggs und sogar ganz Deutschlands hinaus bekannt und geschätzt. Ihr und ihrer Tochter Esther hatten die Mandelbaums es zu verdanken, dass sie hier in Frankfurt schnell Fuß gefasst hatten. Und ihr war auch die Bekanntschaft mit Gottfried Bührer zu verdanken, einem Geschäftsmann aus Mainz, der jetzt schon seit einigen Jahren Simons Kompagnon war und dessen Schwester Ava geheiratet hatte.

Bührer erhob sich und einen Augenblick...


Stichler, Mark
Mark Stichler ist 1968 in Stuttgart geboren. Er hat sich lange an unterschiedlichen Studiengängen wie Ethnologie, Deutsch, Geschichte und Sport versucht. Danach absolvierte er ein Volontariat und arbeitete als Redakteur. Stichler war Sänger und Gitarrist in verschiedenen Bands. Heute ist er Weinhändler und arbeitet außerdem seit vielen Jahren als Autor und freier Journalist. Neben seinen Romanen gibt es von ihm inzwischen eine Vielzahl von Kinder-, Jugend-, Film und Serienbüchern.

Mark Stichler ist 1968 in Stuttgart geboren. Er hat sich lange an unterschiedlichen Studiengängen wie Ethnologie, Deutsch, Geschichte und Sport versucht. Danach absolvierte er ein Volontariat und arbeitete als Redakteur. Stichler war Sänger und Gitarrist in verschiedenen Bands. Heute ist er Weinhändler und arbeitet außerdem seit vielen Jahren als Autor und freier Journalist. Neben seinen Romanen gibt es von ihm inzwischen eine Vielzahl von Kinder-, Jugend-, Film und Serienbüchern.



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