Stermann | Stoß im Himmel | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Stermann Stoß im Himmel

Der Schnitzelkrieg der Kulturen

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

ISBN: 978-3-8437-0579-0
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Nach dem Nr. 1-Bestseller "6 Österreicher unter den ersten 5": Der neue Roman von Dirk Stermann
Stoß im Himmel – in dieser Wiener Gasse wohnt Stermanns Freund Rudi Gluske friedlich vor sichhin. Bis er erleben muss, dass ein versehentlich vertauschtes Schnitzel existenzbedrohende Folgen haben kann und sogar Allah und die Politik auf den Plan ruft. Doch zum Glück hat er seine wortgewaltige Freundin Laetitia, deren schlagkräftigen Ururgroßvater und Stermann selbst an der Seite - sowie eine ganz besondere biologische Waffe seines Vaters.
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Superknut Unruhe. Gebannt starren alle auf die Türe. Wachsende Unruhe. Man hört Schritte hinter der Türe. Größte große Unruhe. Die Klinke bewegt sich. Die Türe öffnet sich. Grenzenloser Jubel. »Jetzt macht mal halblang. Ich bin’s doch nur«, seufzt Knut. Aber seine Eltern und die vier Großeltern und die dicken Tanten jubeln ihm zu. Durchs offene Fenster fliegt ein Schwarm Vögel in die Wohnung. »Guckt mal, Amseln«, sagt Knut, aber alle haben nur Augen für ihn. Er trinkt ein Glas Milch, und alle applaudieren. »Mann, das ist doch nur Milch«, murrt Knut, aber alle sind begeistert. Seine Schwester Irma hat beim Kinderyoga fliegen gelernt und zeigt es voller Stolz, aber weil Knut sich gerade jetzt am Kinn kratzt, jubeln alle nur ihm zu. »Schaut, wie er sich kratzt. Am Kinn, der Knut. Bravo, Bravao, Bravinski!« Alle, auch die brasilianische und die russische Tante, klatschen in die Hände, während Irma resigniert wieder landet. R. G. (Morgen geht’s weiter.) Ich stieg am Karlsplatz aus und ging am Musikverein mit seinem berühmten Goldenen Saal vorbei und am Hotel Imperial zum Ring. Es war Viertel nach neun, die Luft war klar, und Wien sah aus, als stünde ein Schönheitswettbewerb an, bei dem sich die Stadt einiges ausrechnete. Ich schlenderte quer durch den ersten Bezirk, am Café Schwarzenberg, der Walfischgasse und dem Haus der Musik vorbei, über die Seilerstätte und die Himmelpfortgasse. Vor dem Café Frauenhuber saßen drei Damen und spielten Karten. Die Kärntner Straße ging ich hinauf, über den Stephansplatz, den Graben und die Tuchlauben zu den Neun Chören der Engel und dann über den Judenplatz zur Schwertgasse. Im »Sztuhlbein« schimpfte ein Israeli, wir seien alle Antisemiten, weil sich jemand darüber beschwert hatte, dass er rauchte. Er sah aus, als sei er schon einmal gestorben, Er war kugelrund, hatte eine Stoppelglatze, ein lächerlich weißes Gebiss und fleischige Lippen, die immer feucht waren, so als würde er sie immer wieder mit Schmalz einreiben. Er erinnerte mich an meinen russischen Freund Aleksey, den ich am Naschmarkt kennengelernt habe. Wir standen damals nebeneinander bei »Prof. Falafel« und warteten auf die ganz frischen Falafeln, die Gözde, mein Lieblingsfalafelverkäufer, gerade für uns zubereitete. Am Naschmarkt war eine Art Falafelkrieg ausgebrochen. »Dr. Falafel« hatte dort zwei Stände, mit großartigen Falafeln. Eine Großfamilie aus Israel betrieb sie. Sie waren Marktführer, bis »Prof. Falafel« eröffnete, eine jordanisch-ägyptische Großfamilie, für die Gözde arbeitete. Ein lukullischer Nahostkonflikt. Mit seinen dicken Fingern bediente sich Aleksey aus einem 500-Gramm-Schälchen mit Humus. Seine ganze Hand war voll klebrigem Kichererbsenpüree und Sesampaste. Er sei Geschäftsmann, sagte er. Als er bemerkte, dass ich Deutscher war, erzählte er mir, er sei 1989 Handelsattaché der UdSSR in West-Berlin gewesen. Die amerikanischen Kollegen hätten ihn damals gewarnt: »Ihr müsst aufpassen«, sagten die Amerikaner. »Euer Gorbatschow, auf den müsst ihr aufpassen!« Aleksey fuhr jetzt direkt mit der Zunge in den Humus. »Natürlich«, schmatzte er, »die Amis hatten Angst, dass sich was verändert. Für sie persönlich. Jeder von den Offizieren hatte in Berlin eine Villa, voll eingerichtet, vom Schirmständer bis zum Klopapierhalter. Das hat alles die Bundesrepublik bezahlt. Die Amerikaner haben schön blöd geschaut, als das vorbei war. Von wegen: ›Mr Gorbatschow, tear down this wall.‹ Einen Scheiß wollten die. Die hätten eher mitgeholfen, die Mauer noch ein bisschen höher zu bauen. Phantastische Villen waren das – Grunewald, Wannsee … Vom Feinsten!« Was genau für eine Sorte Geschäftsmann er war, habe ich nie herausgefunden. »Mal mehr Import, mal mehr Export – je nachdem«, hatte er mir einmal erklärt. Aber ich wusste: Falls einmal eine wirkliche Krise ausbrechen sollte, war es wichtig, Leute wie Aleksey zu kennen. Inmitten der größten Hungersnot wüsste er immer, wo es ein gutes Kalbsschnitzel gäbe. Er lebte in einer 400-Quadratmeter-Wohnung am Kohlmarkt, »aber ganz spartanisch eingerichtet«, wie er jammernd meinte. »Ich habe nichts und brauche nichts«, sagte er. Er hatte vielleicht nichts, doch davon reichlich. Aleksey war ein spendabler Freund, hielt sich aber an ein Gebot des Modezopfes Karl Lagerfeld: »Ja, ich werfe mein Geld zum Fenster hinaus; aber ich schaue genau nach, wo es hinfällt!« Im »Sztuhlbein« bimmelte eine Fahrradklingel – ein angenehmer Klingelton. Am Nebentisch hielt sich ein kleiner junger Mann mit feuerroten Haaren bis zum Arsch das Handy ans Ohr. »Säckchen?«, hörte ich ihn sagen. Wie einer Doku über Headbangen in Irland entsprungen sah er aus. Vor ihm auf dem Kaffeehaustisch stand ein Laptop. Ich konnte von meinem Platz aus den Bildschirm sehen. Superknut stand da. Und weiter: Knutt verdreht die Augen, deshalb bemerkt niemand, dass seine fünf Tage alte Cousine Mia die Worte »Konfektionsgröße Mammut« ruft. »Nein, wie er die Augen verdreht, der Knut! Bravo, Bravao, Bravinski!« Die fünf Tage alte Mia resigniert und beschließt, so lange stumm zu bleiben, bis ihr ein Kleid der Konfektionsgröße Mammut passt wie angegossen. R. G. (Morgen geht’s weiter.) Er legte auf, und ich fragte ihn, ob er R. G. sei. Ich hätte in der U-Bahn gerade von Superknut gelesen, und ich wüsste schon, dass man das nicht tue, aber ich hätte ihm auf den Bildschirm geschaut und gesehen, dass er gerade an einer Fortsetzung schriebe. »Ja. Ich heiße Rudi Gluske«, sagte er. Er war auch Deutscher, das weichere Wienerisch hatte seine Aussprache aber schon geschmeidiger gemacht. »Dirk Stermann«, erwiderte ich. »Guten Tag, Dirk Stermann.« »Guten Tag, Rudi Gluske«, sagte ich. Später meinte Laetitia einmal, Rudi habe ein Herz aus Butter. Das spürte ich schon bei unserer ersten Begegnung. Vor dem Café stand ein weißer Mini mit ungarischem Nummernschild. Am Steuer saß eine junge Frau. Das Verdeck des Cabriolets war heruntergeklappt. In unglaublicher Lautstärke dröhnte plötzlich Ostblock-Techno durch die geöffnete Tür. Die Fensterscheiben vibrierten. Als sollte die ganze Gasse, wenn nicht der ganze Bezirk beschallt werden. »Das ist so eine Art Györ-Scooter«, schrie Rudi mir herüber. »Ungarische Foltermusik. Man wünscht sich eiserne Vorhänge vorm eigenen Ohr!« Die junge Frau blickte selbstsicher aus ihrem Cabrio zu uns ins Café. Als wisse sie, dass sie die Herrscherin des Krachs war, und sei auch noch stolz darauf. »Meine Nachbarin!«, brüllte Rudi weiter, um den Lärm zu übertönen. »Die blöde Kuh arbeitet in der ungarischen Botschaft. Und ihre Botschaft ist, dass sie die Lärmhoheit hat über uns. Meine Freundin sagt, sie sei eine Lärmfotze!« Die Lärmfotze lächelte und fuhr rückwärts gegen die Einbahnstraße aus der Schwertgasse. Die Schwertgasse geht von der Wipplingerstraße ab. Am Ende der Gasse steht die aus dem 14. Jahrhundert stammende Kirche »Maria am Gestade«, an deren Außenfassade ein steinernes Porträt des Dichters Heinrich Suso Waldeck hängt. Darunter steht: Der ich meiner so müd und am Vergehen bin Mich verlangt nach Dir Du ewiger Anbeginn Jemand hatte Ayatollah, kumm eini neben das Kirchenportal gesprayt. Das Polnische Institut am Tiefen Graben befindet sich bei der Stiege am Gestade. Auf der anderen Seite der Wipplingerstraße liegt der Judenplatz mit dem Lessing-Denkmal und der Holocaust-Mahntafel. Hier steht das »Haus der bürgerlichen Schneider«, die prachtvolle »Böhmische Hofkanzlei« und auch die Gastgewerbefachschule der Wiener Gastwirte. Von dort kam Laetitia jetzt ins »Sztuhlbein«. Sie ging nicht, nein, sie wirbelte herein. Ihre kurzen, dünnen, blonden Haare wollten in jede Richtung, als sei Laetitia viel zu schnell unterwegs für jede Art von Frisur. Sie war sehr klein, trug aber flache Schuhe. Knapp über eins fünfzig, schätzte ich. Eine stolze Zwergin. Sie war wütend. Ihre vollen Lippen schienen die Nasenspitze zu berühren. Beim Tauchen würde sie sich die Nase nicht zuhalten müssen. »Ein Faschist!«, schimpfte sie. »Soll er sich seine Nazilaibchen selber machen. Ich koch nicht in Reih und Glied, alors!« Sie umarmte Rudi stürmisch, und sein Herz aus Butter zerfloss offensichtlich. Laetitia wollte Köchin werden. Sie war gerade im ersten Lehrjahr und ärgerte sich über den autoritären Ton, der in der Schule herrschte. »Sie verwechseln die Küche mit der Fremdenlegion. Wenn ich angeschrien werden will, sag ich’s Ihnen schon. Ich will kochen, nicht Krieg führen, mon Dieu! Wenn ich eine Kartoffel wär, ich würde mich nicht von Ihnen schälen lassen. Wenn ich ein Hummer wär, ich würd Sie mitreißen in den Topf mit dem kochenden Wasser! Und wenn ich in die öden Laibchen Koriander geben will, dann tu ich das! Und wenn ich Senfkörner hineingebe, dann, weil es besser ist als der Mampf aus tausend Jahren! Sollen sie doch alle im Gleichschritt kochen und brav sein. Zappa hat gesagt, je langweiliger ein Kind ist, desto mehr Komplimente bekommen die Eltern!« Laetitia bestellte sich ein Glas Sekt. Frau Sztuhlbein, die Wirtin, brachte es ihr. Es beruhigte sie nur unwesentlich: »Und wenn ich Albondigas machen will, dann mach ich das. Muskat, Knoblauch, Rotwein, Eier, Chiliöl. Oder griechisch: Oregano, Piment, schwarze Oliven, Parmesan. Verstehst du? Mit Faschiertem steht dir die...


Stermann, Dirk
Dirk Stermann, geboren 1965 in Duisburg, lebt seit 1987 in Wien. Er zählt zu den populärsten Kabarettisten und Radiomoderatoren Österreichs und ist auch in Deutschland durch Fernseh- und Radioshows sowie durch Bühnenauftritte und Kinofilme weit bekannt.

Dirk Stermann, geboren 1965 in Duisburg, lebt seit 1987 in Wien. Er zählt zu den populärsten Kabarettisten und Radiomoderatoren Österreichs und ist auch in Deutschland durch Fernseh- und Radioshows sowie durch Bühnenauftritte und Kinofilme weit bekannt.


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