Stephens Thoughtless
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-641-15439-4
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 1, 640 Seiten
Reihe: Thoughtless-Reihe
ISBN: 978-3-641-15439-4
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
S.C. Stephens lebt mit ihren zwei Kindern im Nordwesten Amerikas. Mit ihrer 'Thoughtless'-Serie um den unwiderstehlichen Kellan Kyle feierte sie einen sensationellen Bestsellererfolg und erobert auch mit der 'Rush'-Trilogie die Leserherzen im Sturm.
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Kapitel 1
Begegnungen
Das war die längste Fahrt meines Lebens. Was aber wirklich nichts hieß, ich hatte mich nämlich nie weiter als 100 km von meiner Heimatstadt entfernt, zumindest nicht im Auto. Trotzdem musste diese Reise wohl jedem lächerlich lang erscheinen. Unser Navi hatte kalkuliert, dass es 37 Stunden und elf Minuten dauern würde. Und das war wohl eher die Zeit, die Superhelden benötigen würden, die keine Pausen brauchten.
Nach und nach ließen mein Freund und ich Athens, Ohio, hinter uns. Dort war ich geboren und im Kreise meiner Familie aufgewachsen. Groß darüber gesprochen hatten wir nie, aber es war eigentlich immer klar gewesen, dass meine Schwester und ich zur Ohio University gehen und dort unseren Abschluss machen würden. Daher hatte sich mein geplanter Uniwechsel auch zu einem furchtbaren Familiendrama ausgewachsen. Und es hatte meine Eltern – wenn überhaupt möglich – noch viel mehr geschockt, dass ich an die Washington Uni wechselte, genauer gesagt an die 4000 km entfernte University of Washington in Seattle. Ich hatte ein ganz ordentliches Stipendium ergattert, was die beiden dann schließlich milder gestimmt hatte. Milde, aber trotzdem nicht glücklich. Von nun an würden unsere Familientreffen ziemlich … interessant werden.
Der Grund für meinen Hochschulwechsel saß neben mir am Steuer seines alten Honda. Ich sah zu ihm rüber und lächelte. Denny Harris – er war so schön. Ich weiß, das ist keine besonders männliche Beschreibung für einen Kerl, aber es war das Adjektiv, das ich in Gedanken am häufigsten für ihn verwendete, und es passte wie angegossen. Ursprünglich stammte er aus einer kleinen Stadt in Queensland, Australien, und das Leben rund ums Wasser an diesem exotischen Fleckchen hatte ihn gebräunt und gestählt, allerdings war er kein Muskelprotz. Nein, er hatte zwar einen durchtrainierten Körper, der aber natürlich, proportioniert und sportlich wirkte. Denny war nicht besonders groß für einen Mann, aber größer als ich, auch wenn ich Absätze trug, und das reichte mir. Er hatte ganz, ganz dunkles Haar, das er gerne in dicke, ordentliche Strähnen teilte, wenn er es stylte. Das übernahm ich gerne für ihn, obwohl er dabei jammerte und stöhnte, dass er die ganze Haarpracht eines Tages einfach abrasieren würde. In Wirklichkeit fand er es toll.
Mit warmem Blick sahen mich seine dunkelbraunen Augen jetzt an.
»Hey, Babe. Jetzt dauert es nicht mehr lange, vielleicht noch ein paar Stunden.« Ich fand es seltsam betörend, wie sich sein Akzent über die Worte legte.
Zum Glück für mich hatte Denny eine Tante, die vor drei Jahren in unsere Gegend gezogen war, weil man ihr eine Stelle an der Ohio University angeboten hatte. Denny hatte sie begleitet, um ihr die Eingewöhnung zu erleichtern, er war eben ein echter Schatz. In der Highschool hatte er mal ein Austauschjahr in den USA verbracht und es so genossen, dass er nicht besonders lange zögerte, bevor er sich an der Ohio University einschrieb – und das hatte ihn in den Augen meiner Eltern zum idealen Mann an meiner Seite gemacht. Zumindest bis er beschlossen hatte, mich nach Washington zu entführen. Ich seufzte und hoffte nur, sie würden schnell darüber hinwegkommen.
Denny bezog meinen Seufzer auf seinen Kommentar und fügte hinzu: »Ich weiß ja, dass du müde bist, Kiera. Wir schauen nur ein paar Minuten im Pete’s vorbei, dann können wir direkt nach Hause und uns hinlegen.«
Ich nickte und schloss die Augen.
Pete’s war offenbar der Name einer beliebten Kneipe, in der sich unser neuer Mitbewohner, Kellan Kyle, zum lokalen Rockstar entwickelte. Obwohl wir jetzt Dauergäste bei ihm zu Hause sein würden, wusste ich nicht viel über ihn. Nur, dass Denny während seines Highschool-Auslandsaufenthalts bei Kellan und seinen Eltern gelebt hatte, und dass er in einer Band spielte.
Ich schlug die Augen wieder auf und sah aus dem Fenster, betrachtete die dichten, grünen Bäume, die an mir vorbeisausten. Die Autobahnbeleuchtung tauchte sie in ein seltsam orangefarbenes Licht. Endlich hatten wir den letzten Bergpass überwunden – einen Moment lang hatte ich mir schon Sorgen gemacht, dass Dennys altes Auto es nicht packen würde. Jetzt fuhren wir durch üppige Wälder, mit sich über Felsen ergießenden Wasserfällen und riesigen Seen, die im Mondlicht glänzten. Selbst im Dunkeln war offensichtlich, wie schön es hier war. Ich konnte mir gut vorstellen, dass in diesem Bilderbuchstaat wirklich ein ganz neues Leben auf mich wartete.
Der Abschied von meinem bequemen Dasein in Athens hatte wegen Dennys bevorstehendem Abschluss schon vor ein paar Monaten begonnen. Mein Freund war einfach brillant, und ich war nicht die Einzige, die das so sah. Seine Professoren hatten ihn immer wieder als »begabt« bezeichnet und mehrere Empfehlungsschreiben für ihn verfasst, mit denen sich Denny überall beworben hatte.
Ich konnte den Gedanken, nicht mehr in seiner Nähe zu sein, einfach nicht ertragen, obwohl ich nur noch zwei Jahre Studium vor mir hatte. Deshalb hatte ich mich überall dort, wo sich Denny um einen Job oder Praktikumsplatz bemüht hatte, auch an den jeweiligen Unis beworben. Meine Schwester Anna fand das seltsam. Sie war eben nicht der Typ, der einem Mann quer durchs Land folgen würde, selbst wenn er so attraktiv war wie Denny. Aber ich konnte nicht anders. Ohne sein schiefes Grinsen würde ich es einfach nicht aushalten.
Brillant, wie er war, hatte er natürlich sein Traumpraktikum in Seattle ergattert. Denny würde dort für eine Firma arbeiten, die ihm zufolge eine der führenden Werbeagenturen der Welt war. Sie steckte zum Beispiel hinter dem berühmten Werbesong einer gewissen Fastfood-Kette mit geschwungenem goldenem Logo. Das erzählte Denny jedem, der es hören wollte, mit merkwürdig ehrfürchtigem Gesichtsausdruck, als hätten diese Typen die Luft erfunden oder so. Ein Praktikumsplatz dort war nicht nur rar, sondern auch deshalb ein Glücksfall, weil die Firma Praktikanten voll und ganz in ihre Projekte mit einband. Denny wäre dort nicht einfach nur ein Laufbursche, sondern ein vollwertiges Teammitglied. Er war völlig aus dem Häuschen gewesen und hatte so bald wie möglich nach Seattle aufbrechen wollen.
Ich hingegen war in Panik verfallen und hatte jeden Tag Magentabletten geschluckt, bis mein Wechsel zur University of Washington endlich durch gewesen war. Juhu! Dann auch noch mein Stipendium – ich war vielleicht nicht ganz so brillant wie Denny, aber doof war ich auch nicht (noch mal juhu!) – und die günstige Unterkunft in Seattle … fast kam mir das Ganze wie Schicksal vor.
Ich lächelte, als die Namen von Straßen, Parks und Kleinstädten vorbeiflogen. So langsam ließen wir die majestätischen Berge hinter uns und kamen öfter durch Ortschaften.
Regen fiel gegen die Scheiben, als wir eine größere Stadt erreichten, in der uns ein Schild den Weg nach Seattle wies. Wir rückten näher. Bald würde unser neues Leben beginnen. Ich wusste so gut wie nichts über die Stadt, aber ich freute mich darauf, sie mit Denny zu erkunden. Als ich die Hand ausstreckte, um nach seiner zu greifen, lächelte er sanft.
Denny hatte vor einer Woche sein Studium mit einem doppelten Abschluss in Betriebswirtschaft und Marketing beendet – mein sexy Streber! – und würde nächsten Montag seinen neuen Job antreten. Meine Eltern waren nicht sehr begeistert, dass ich so schnell von der Bildfläche verschwand – sie hatten damit gerechnet, dass ich ihnen wenigstens noch den Sommer über erhalten bleiben würde.
Natürlich würden sie mir ganz furchtbar fehlen, aber Denny und ich waren zwei endlos lange Jahre zusammen gewesen, ohne aber zusammenzuleben, und ich freute mich jetzt auf diesen nächsten Schritt.
Ich hatte nur protestiert, als es darum ging, nach Seattle zu fahren. Ein paar Stunden im Flieger oder Tage im vollgestopften Auto … eigentlich sollte einem die Entscheidung wirklich nicht schwerfallen. Aber Denny hing irgendwie an seiner alten Karre und wollte sie nicht zurücklassen. Sicher würde es praktisch sein, in Seattle ein Auto zu haben, ich hatte trotzdem einen halben Tag lang erfolglos protestiert. Und um ehrlich zu sein, war der Roadtrip mit Denny dann ziemlich lustig. Außerdem hatte er irgendwie Mittel und Wege gefunden, im Auto … naja für gewisse Dinge Platz zu schaffen. Ein paar unserer Pausen auf verlassenen Parkplätzen würde ich nicht so schnell vergessen.
Beim Gedanken daran musste ich breit grinsen und biss mir vor Vorfreude auf die Lippe, dass wir bald zusammenwohnen würden. Ich könnte platzen vor Glück, war aber vor allem todmüde und sehnte mich einfach nur nach einem richtigen Bett. Mein Lächeln verwandelte sich in ein zufriedenes Seufzen, als endlich die Lichter von Seattle erschienen.
Denny fand Pete’s Bar ohne Probleme und entdeckte auf dem am Freitagabend vollgestopften Parkplatz sogar noch eine Lücke. Sobald er den Motor abgeschaltet hatte, sprang ich auch schon aus dem Auto, um mich eine geschlagene Minute lang zu recken und zu strecken. Denny gluckste zwar, tat es mir aber gleich. Dann griff er nach meiner Hand, und wir machten uns auf den Weg zur Eingangstür. Es war später als erwartet, und die Band spielte bereits, die Musik war bis nach draußen zu hören. Als wir das Lokal betraten, ließ Denny rasch den Blick über die Menge wandern. Dann deutete er auf einen riesigen Kerl, der seitlich an einer Wand lehnte und das Publikum betrachtete, während alle anderen Augen auf die Bühne gerichtet waren. Wir begannen, uns zu ihm...