E-Book, Deutsch, 317 Seiten
Stephan Paris Underground
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7554-0845-1
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Das kalte Herz 2
E-Book, Deutsch, 317 Seiten
ISBN: 978-3-7554-0845-1
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Ein magisches Bild Ein unmögliches Paar Ein Abenteuer in der Unterwelt Scott kann sich nur langsam an Gwendolyn gewöhnen, wo sie doch ein gänzlich anderes Leben führt als das, was er bisher kannte. Dennoch muss er zugeben, dass sie mehr verbindet, als er vermutet hatte. Gemeinsam folgen sie den Hinweisen des magischen Bildes auf der Suche nach dem verlorenen Herzen. Es führt sie in die Pariser Unterwelt, wo sie sich ihren tiefsten Ängsten stellen müssen. Beide müssen an ihre Grenzen gehen. Doch wird das ausreichen?
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Die Welt ist nicht genug
»Interessant«, sagte Ephraim. »Meinst du, Verdandi hat sie dir mitgeschickt, weil sie dich vor zu hohen Kosten bewahren sollte?« Er klang skeptisch. Scott stocherte lustlos in den Resten des Beilagensalats auf seinem Teller herum. Ihr Stammrestaurant hatte diesmal Wildreis mit Kichererbsen und Lachs auf dem Menü gehabt. Das Essen war gut, nur schien Ephraim als Gesprächspartner nicht mehr so attraktiv wie sonst. Wer sollte es Scott verdenken? Immerhin stellte sich nach und nach heraus, wie schlecht sein Freund mit Gwendolyn umgegangen war. Was er ihm anrechnen konnte, war, dass er sich offenbar seines Verhaltens bewusst war und daraus gelernt hatte. Und Ephraim war sein einziger Freund. »Ich denke eher«, sagte Scott, »weil sie mich überhaupt von einem Kauf abgehalten hat. Immerhin kann Glück nicht gekauft werden.« »Guter Punkt.« Ephraim zeigte mit der Gabel auf ihn. »Und wie wollt ihr jetzt an das Buch rankommen? Stehlen könnt ihr es nicht.« Scott hob die Schultern und legte die Gabel auf den Teller. »Gwendolyn meint, es würde schon irgendwas passieren.« Die Messe war eine Woche her. Langsam sollte sich etwas tun. Sein Freund verzog das Gesicht. »Also noch mehr Warten?« Scott seufzte tief. »Sieht so aus.« »Ich hatte gehofft, es würde nicht so lange dauern, dein Herz zu finden.« »Wem sagst du das.« »Madeleine hat übrigens gesagt, dass die Zeitung, die sie immer liest, so ein Frauending, sich positiv zu euren abgestimmten Outfits geäußert hat.« »Ach, tatsächlich?« Nichts interessierte ihn weniger als das Urteil einer Klatsch-und-Tratsch-Zeitung über sein äußeres Erscheinungsbild. Die hatten in der letzten Woche sowieso nur ein einziges Thema gekannt: die Sichtungen von weiteren wolfsartigen Kreaturen im Gebiet des Schwarzen Zirkus‘. Und dabei waren sie sich nicht zu schade gewesen, wirre Verschwörungsmythen breitzutreten und Angst zu schüren. Dass überhaupt ein Artikel über seine dunkelrote Fliege zwischen den panikschürenden Berichten Platz gefunden hatte, war erstaunlich. Sein Freund lächelte nachsichtig. »Du weißt, wie sie ist. Aber sie hat auch lobend erwähnt, dass dir eine Fliege gut steht.« »Ernsthaft?« Scott lachte. »Ich fand es ein bisschen albern, aber ich wollte mir keine farblich passende Krawatte kaufen. Die Fliege hatte ich noch.« Ephraim beugte sich über den Tisch. »Für die Zukunft gebe ich dir den Tipp: Es gehen auch farblich passende Einstecktücher, Westen, Hemden oder Halstücher. Manchmal sogar Socken, wenn es eine ganz grelle Farbe ist, die du so offen nicht zeigen willst, Pink oder Gelb oder so.« Scott sah ihn skeptisch an. Was war so schlimm an Pink? Dann nickte er. »Gut zu wissen.« »Ihr könntet doch mal zusammen zum Essen kommen. Madeleine würde sich freuen. Und ich mich natürlich auch.« Scott sah auf. Oh oh. »Von mir aus gerne. Aber ich kann dir jetzt schon sagen, dass Gwendolyn von dieser Idee nicht begeistert sein wird.« Niemals. Niemals würde sie mitkommen. Ephraim nickte langsam. »Wir werden darüber nachdenken. Wäre das in Ordnung für dich?« Sein Freund hob die Hände. »Absolut.« Die Bedienung kam an ihren Tisch und räumte das Geschirr ab. Ephraim bestellte sich noch einen Espresso, Scott ein Wasser. »Wie läuft es mit dem Zimmer, das du renoviert hast?«, fragte Ephraim. »Sie ist noch nicht eingezogen, wenn du das wissen willst.« Sein Freund lächelte verlegen und kratzte sich am Hals. »Genau.« »Es wird noch eine Weile dauern, bis wir ganz zusammenziehen. Vielleicht passiert es auch niemals, wer weiß das schon?« Aber mittlerweile hatte er sich an den Gedanken gewöhnt. Sie war sowieso ständig da. Kam vorbei ohne Anmeldung, steckte ihren Kopf ins Arbeitszimmer und grinste ihn an. Es machte ihm kaum noch was aus. Ganz im Gegenteil. Wenn sie einen Tag ausließ, machte er sich Sorgen, ob ihr etwas passiert war, oder ob es ihr schlecht ging. Ephraim schwieg. Aber sein Gesicht sagte ihm, dass er wartete. Sie kannten sich schon zu lange, als dass Scott ihm etwas hätte vormachen können. »Wie ist es, mit jemandem zusammenzuleben?« Jetzt stutzte Ephraim doch. »Puh«, machte er, »da fragst du mich ja was.« Ihm wurde der Espresso auf den Tisch gestellt und Scott erhielt sein Wasser. »Am Anfang wird es schwierig werden. Man muss sich aneinander gewöhnen. Als ich mit Madeleine zusammengezogen bin, habe ich gedacht, ich würde wahnsinnig. Sie war so unordentlich, überall lag was von ihr rum.« Er nahm einen Schluck Espresso. »Und das Badezimmer erst. Es war vollgestellt mit ihren Sachen, von oben bis unten. Dabei hatte ich ihr schon einen neuen Spiegelschrank gekauft, so einen dreiteiligen, den man aufklappen kann.« Er seufzte. »Und dann der Flur. Ihre Schuhe. Einfach überall. Und die vermehren sich. Unkontrolliert.« Scott lehnte sich an die Stuhllehne. Das klang absolut nach dem, was er zu erwarten hatte. Er hatte ihr Schlafzimmer noch nicht gesehen, aber er war sicher, dass dort all ihre Kleider und Schuhe wild verteilt herumlagen. Wenn sie keine Haushaltshilfe hätte, dann würde es so oder so ähnlich im ganzen Haus aussehen. Bestimmt. Wollte er sich das antun? »Habe ich dir Angst gemacht?« »Ein wenig.« Untertreibung. Ephraim lachte. »Keine Sorge. Gwendolyn ist nicht halb so schlimm, wie du denkst.« Scott verzog skeptisch das Gesicht. »Also, damals war sie jedenfalls ziemlich ordentlich. Kann sich natürlich auch geändert haben.« Zugegeben, er würde wahrscheinlich eher in den Montmartre ziehen, als dass Gwendolyn noch Platz in seiner kleinen Hütte hätte. Dort hätte er auch eine Traumküche. Und Bernadette würde sich bestimmt auch über ein größeres Zimmer freuen. Gwendolyn hatte viele Räume in ihrem Haus. Er hatte noch nicht alle gesehen, aber er war sicher, dass sie alle schön eingerichtet waren, genauso wie sein Schlafzimmer. Gwendolyn war eine Person, die sich mit allem Mühe gab. Deshalb hatte er sich auch mit dem Gästezimmer so angestrengt. »Gehst du heute noch zu ihr?« Scott trank sein Glas leer. »Wir haben uns heute Abend verabredet, um Unterlagen zu prüfen, nichts Spannendes.« Aber er hatte begonnen, ihre Gegenwart zu schätzen. Sie hatte diese Neigung, tatkräftig mit anzupacken, sobald es etwas zu tun gab, auch wenn sie zunächst nicht diesen Eindruck machte. So wie sie sich bezüglich ihrer neu hinzugewonnenen Besitztümer vollkommen desinteressiert gezeigt hatte, dann aber schnell einen besseren Überblick erlangt hatte als er. »Ich muss zunächst noch zu einer Klientin. Sie hat die Bibliothek ihrer Tante geerbt und ich soll nun einen Katalog erstellen.« Er stand auf, nahm seinen Mantel vom Sitz und zog ihn über. »Frag Gwendolyn einfach, ob sie Lust auf ein Essen mit uns hat. Ich schwöre, ich werde ganz brav sein.« Scott lächelte. »Mach ich.« Es ging jedoch eher darum, ob Gwendolyn auch ganz brav bleiben konnte. »Alexandre Dumas, Der Graf von Monte Christo, Erstausgabe, 1843«, diktierte Scott und stellte das Buch wieder zurück in das Regal. Bernadette saß im Schneidersitz auf dem dicken Teppich und tippte den Titel in die Datenbank. Er fand es immer interessant, wie unterschiedlich der Literaturgeschmack seiner Kundschaft war. Kümmerte er sich um die Bibliothek eines Professoren-Ehepaares, waren darin hauptsächlich wissenschaftliche Bücher zu finden. In der letzten Bibliothek hatten sich vornehmlich Lexika und Nachschlagewerke befunden. In dieser hier klassische Literatur. »Honoré de Balzac, Oberst Chabert, Erstausgabe, 1832«, gab er an Bernadette weiter. Iel hackte auf der Tastatur herum. Er streckte die Hand nach dem nächsten Buch aus, zog daran und hörte ein Klacken. Scott hielt inne. Bernadette hörte auf zu schreiben. »Was war das?« Scott zog weiter an dem Buch und beförderte es aus dem Regal. Er gab es seinem Lehrling in die Hand. Iel war neben ihm aufgetaucht. Neugierig lugte Scott in den Spalt. Auch wenn er kaum etwas erkennen konnte, sah er doch, dass darin noch etwas war. Vorsichtig fasste er hinein. Mit den Fingerspitzen ertastete er etwas, das sich anfühlte wie ein Buch. Aber seine Hand war zu groß, um es herausziehen zu können. Er nahm ein Buch nach dem anderem aus dem Regal, bis die Lücke breit genug war, um genauer zu sehen, worum es sich handelte. »Das ist ein Buch«, stellte Bernadette fest. »Offensichtlich.« Er griff in die Lücke und zog es heraus. Es war in einer Halterung eingehakt, die ein weiteres Klacken von sich gab, als er es herauslöste. »Oh Scheiße, Meister!«, rief Bernadette, als sie den Buchdeckel betrachteten. Die Prägung auf dem Ledereinband bildete die astrologische Uhr der Cathédrale de Chartres ab. Oh, Scheiße war in diesem Fall genau der richtige Ausdruck. »Ist das nicht das Buch, was Sie unbedingt haben wollten, aber nicht...




