E-Book, Deutsch, Band 650, 64 Seiten
Stephan Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 650
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7517-4609-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Im Schatten des Schicksals
E-Book, Deutsch, Band 650, 64 Seiten
Reihe: Die Welt der Hedwig Courths-Mahler
ISBN: 978-3-7517-4609-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Nach der großen Verlobungsfeier muss Oswald Werner noch in der Nacht zurück nach England fliegen. Seine Verlobte, Marie von Herder, begleitet ihn zum Flughafen. Plötzlich taucht wie aus dem Nichts ein Mensch auf, prallt mit voller Wucht auf die Kühlerhaube und fliegt dann in hohem Bogen durch die Luft. Trotz Maries Flehen anzuhalten, fährt Oswald weiter. Seine Karriere ist ihm heilig. Man erwartet den Diplomaten bereits in London. Seiner Verlobten schärft er ein, auf der Rückfahrt schnell an der Unfallstelle vorbeizufahren. Das aber verhindert Maries menschliche Güte. Nun steht sie dem Inspektor am Unfallort gegenüber und behauptet, vorhin selbst am Steuer gesessen zu haben, um ihren Verlobten, den sie über alles liebt, zu schützen. Doch so selbstlos ihr Verhalten auch ist, es fordert einen hohen Preis!
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Im Schatten des Schicksals Meisterwerk um die unwandelbare Liebe einer Frau Nach der großen Verlobungsfeier muss Oswald Werner noch in der Nacht zurück nach England fliegen. Seine Verlobte, Marie von Herder, begleitet ihn zum Flughafen. Plötzlich taucht wie aus dem Nichts ein Mensch auf, prallt mit voller Wucht auf die Kühlerhaube und fliegt dann in hohem Bogen durch die Luft. Trotz Maries Flehen anzuhalten, fährt Oswald weiter. Seine Karriere ist ihm heilig. Man erwartet den Diplomaten bereits in London. Seiner Verlobten schärft er ein, auf der Rückfahrt schnell an der Unfallstelle vorbeizufahren. Das aber verhindert Maries menschliche Güte. Nun steht sie dem Inspektor am Unfallort gegenüber und behauptet, vorhin selbst am Steuer gesessen zu haben, um ihren Verlobten, den sie über alles liebt, zu schützen. Doch so selbstlos ihr Verhalten auch ist, es fordert einen hohen Preis! Mitternacht war schon lange vorbei. Ein klarer Sternenhimmel überspannte die blühende Frühlingslandschaft. Das Rittergut des Barons von Herder war hell erleuchtet. Durch die weit geöffneten Fenster drangen fröhliche junge Stimmen, Gläsergeklirr und Musik in die Nacht hinaus. So eine ausgelassene Fröhlichkeit war Seltenheit in diesem Hause, das seit dem frühen Tod der schönen Baronin nur noch vom Baron und seiner hübschen Tochter Marie bewohnt wurde. Heute jedoch gab es Grund zum Feiern: Zugleich mit ihrem dreiundzwanzigsten Geburtstag hatte sich Marie mit dem gut aussehenden Botschaftssekretär Dr. Oswald Werner verlobt. Er war für drei Tage eigens aus London gekommen, wo er an der Deutschen Botschaft wirkte. Die eleganten Gesellschaftsräume im ersten Stock des Herrenhauses waren aufgeschlossen worden und erstrahlten in ihrer alten Pracht. Überall in schweren Bodenvasen verströmten vielfarbige Blumen ihren zarten Duft. Die lange Festtafel im Speisezimmer war mit kostbarem Porzellan, antikem Silber und weißem Damast gedeckt. August Baron von Herder, ein rüstiger Sechziger, hatte sich nach dem Festmahl mit einigen Freunden ins Herrenzimmer zurückgezogen. Während er durch die halb geöffnete Tür einen Blick in den Salon warf, in dem die Jugend tanzte, zündete er sich bedächtig seine Zigarre an. »Wie schön deine Tochter ist«, bemerkte einer der Gutsnachbarn des Barons. Er war ein dicklicher, gemütlicher Herr, schönen Frauen ebenso zugetan wie einem guten Tropfen. »Sie wird deiner verstorbenen Frau immer ähnlicher.« »Nun, der zukünftige Schwiegersohn ist ja auch nicht ohne«, mischte sich ein anderer ein. »Eine glänzende Erscheinung, das muss man ihm lassen«, gab ein Dritter zu. »Und er soll ja auch sehr tüchtig und talentiert sein, nicht wahr?« Der weißhaarige Baron nickte. »Es ist wirklich zu schade, dass meine verstorbene Frau diesen Tag nicht mehr erleben konnte«, erwiderte er ein wenig wehmütig. »Wie glücklich wäre sie über diese Wahl unserer Tochter gewesen.« »Stimmt es, dass Sie Ihren künftigen Schwiegersohn schon von Jugend auf kennen?« »Ja, wir kannten Oswald schon als kleinen Jungen«, bestätigte Baron von Herder. »Schon damals waren wir vernarrt in ihn. Er war ein so kluger kleiner Kerl, aufgeweckt und von reizendem Aussehen. Dass Oswald allerdings einmal unser Schwiegersohn werden würde, ahnten wir nicht.« Einer der Herren, der noch nicht lange in der Gegend wohnte, räusperte sich. »Ich möchte ja nicht indiskret sein, lieber Baron. Aber stimmt es, dass Sie es waren, der den jungen Mann studieren ließ?« »Das ist durchaus kein Geheimnis«, meinte der Baron lächelnd. »Oswald ist der Sohn eines ehemaligen Regimentskameraden von mir. Der hatte sich im Krieg ein Leiden geholt, an dessen Folgen er leider bald gestorben ist. Da auch keine Mutter mehr da war, nahm ich den elternlosen Jungen in meinem Hause auf, wo er wie ein Sohn aufgewachsen ist.« »Oh! Die jungen Leute kennen sich folglich so gut wie vom ersten Tage an?« »Stimmt. Sie wuchsen wie Geschwister auf. Geschwister, die sich reichlich viel zankten und prügelten. Dass sie einander liebten, ging ihnen erst viel später auf. Nun, gut Ding will eben Weile haben. Ich glaube, die beiden sind füreinander geschaffen.« »Wann soll die Hochzeit gefeiert werden?« »Sobald Oswald Legationsrat geworden und nach Deutschland zurückgekehrt ist.« »Das junge Paar wird also nicht im Ausland leben?« »Ich möchte, dass meine Kinder hier auf dem Gut wohnen, wo sie hingehören!« Der alte Herr zwinkerte vergnügt. »Um ehrlich zu sein, möchte ich ein wenig teilhaben an dem jungen Glück. Ich glaube auch, ich würde mich recht gut als Großpapa ausnehmen, nicht wahr?« In diesem Augenblick unterbrach Marie das Gespräch. Glücklich lächelnd und ein wenig erhitzt vom Tanz war sie ins Zimmer hereingewirbelt. Aller Augen richteten sich auf das junge Mädchen. Marie von Herder war eine auffallende Erscheinung. Sie war hochgewachsen und schlank. Mit ihren graziösen Bewegungen und ihrem stolzen, ebenmäßig geschnittenen Gesicht, das von üppigem blondem Haar umrahmt war, vereinte sie die Süße eines alten Gemäldes mit der Frische und Aufgeschlossenheit eines modernen Mädchens. »Verzeih die Störung, Papa«, sagte sie mit einem Seitenblick auf die anwesenden Herren. »Aber Oswald möchte sich verabschieden. Es ist höchste Zeit, dass ich ihn in die Stadt bringe. Sein Flugzeug geht in einer Stunde.« Der alte Herr warf einen Blick auf seine Uhr. »Tatsächlich, gleich vier! Da müsst ihr euch aber beeilen, Kinder.« »Ach, wir schaffen es schon, Papa. Wir haben ja einen schnellen Wagen.« Es war Oswald Werner, der das sagte. Unbemerkt von den anderen hatte er sich zu der Gesellschaft gesellt. Oswald war in der Tat eine blendende Erscheinung. Er wirkte vielleicht etwas älter als dreißig Jahre. Dazu mochte seine übergroße Gewandtheit ebenso beitragen wie sein übermäßiger Ehrgeiz, der seine Züge bereits geprägt hatte. Sein kräftiges Kinn und seine schmalen Lippen gaben seinem Antlitz etwas Kühles. Seine Augen strahlten eine Entschlossenheit aus, wie man sie sonst nur bei reiferen Menschen findet. »Fahre bloß nicht zu schnell, Marie«, warnte der Baron seine Tochter. »Du bist noch nicht an den Wagen gewöhnt. Du weißt ja, mir persönlich wäre es lieber gewesen, wenn du weiterhin mit unserem gemütlichen, schon etwas klapprigen Wagen gefahren wärest.« Marie beugte sich zu ihrem Vater nieder und schlang ihre Arme liebevoll um seinen Hals. »Aber weil du ein guter Papa bist, hast du mir zum Geburtstag dieses hübsche Auto geschenkt. Mach dir keine Sorgen, ich passe schon auf.« Dr. Oswald Werner hatte sich inzwischen von den Gästen des Barons verabschiedet. Nun reichte er auch seinem zukünftigen Schwiegervater die Hand. »Dass du auch mitten in der Nacht wegmusst«, protestierte der Baron. »Hättest du denn deinen Urlaub nicht wenigstens noch um einen Tag verlängern können?« Oswald schüttelte bedauernd den Kopf. »Du weißt doch, Papa, dass ich morgen früh unbedingt wieder in der Botschaft sein muss. Familienangelegenheiten sind gut und schön, aber man darf darüber nicht seine Karriere vernachlässigen. Ich bin nur froh, dass Marie dafür Verständnis hat. Sie wird einmal eine prächtige Diplomatenfrau abgeben.« Marie zupfte ihren Verlobten am Ärmel. »Besten Dank für das Kompliment, Liebster. Aber beeile dich. Jetzt müssen wir wirklich gehen.« An seiner Seite kehrte sie in den Salon zurück, wo sich die jungen Leute trinkend und diskutierend um den Plattenspieler versammelt hatten. »Wiedersehen, Kinder«, rief sie ihren Freunden vergnügt zu. »Ich bringe Oswald rasch zum Flughafen. Ich hoffe, ihr seid noch da, wenn ich zurückkomme.« »Ehrensache«, erwiderte ein blonder junger Mann. »Sollen wir euch in unserem Wagen begleiten?« Marie wehrte lächelnd ab. »Ihr bleibt schön hier, sonst kriegen wir noch Ärger mit der Polizei. Ich habe so das Gefühl, als hättet ihr alle ganz schön getankt.« »Du etwa nicht?« »Nein, ich nicht. In Hinblick auf meine verantwortungsvolle Aufgabe habe ich den ganzen Abend nur Saft getrunken.« Lachend schob sie ihren Verlobten zur Tür hinaus. »Bis bald. Unterhaltet euch inzwischen gut.« Die Tür schloss sich hinter den beiden. Ein hübsches dunkelhaariges Mädchen wandte sich mit spöttischem Lächeln an den blonden jungen Mann. »Wie kannst du einem Liebespaar das Angebot machen, es zu begleiten? Du hast wirklich keinen Sinn für Romantik und große Liebe!« Das Mädchen trank einen langen Schluck aus ihrem Champagnerglas. Dabei warf sie dem jungen Mann einen sarkastischen Blick aus ihren schönen dunklen Augen zu. Im Gegensatz zu ihrer etwas stillen Freundin Marie war sie ungeheuer temperamentvoll. Als einzige Tochter des...