Buch, Deutsch, 198 Seiten, GB, Format (B × H): 147 mm x 210 mm, Gewicht: 310 g
Stotternde Menschen erzählen aus dem Arbeitsleben
Buch, Deutsch, 198 Seiten, GB, Format (B × H): 147 mm x 210 mm, Gewicht: 310 g
ISBN: 978-3-921897-77-5
Verlag: Stottern & Selbsthilfe
Vierzehn stotternde Männer und Frauen zwischen 21 und 67 Jahren erzählen über ihre Erfahrungen in der Arbeitswelt. Welche Bedeutung hatte das Stottern in der Schulzeit? Was gab den Ausschlag für die Berufswahl? Wie war es im Studium? Wie ist der Berufseinstieg verlaufen? Auf welche Weise hat das Stottern den weiteren Berufsweg beeinflusst? Solchen und vielen anderen spannenden Fragen gehen Marion Stelter und ihre Gesprächspartner in den aufschlussreichen Interviews nach. Der Leser erhält authentische Einblicke in die Berufsbiografien von Stotternden. Neben leidvollen Episoden berichten die Interviewpartner von ihren vielfältigen beruflichen Entwicklungspotenzialen, die sie nach anfänglichen Schwierigkeiten oft zur Entfaltung bringen konnten. Das Buch macht Stotternden Mut, bei der Berufswahl nach ihren Fähigkeiten und Neigungen zu entscheiden und nicht von vornherein die so genannten „Sprecherberufe“ auszuklammern.
Zielgruppe
Stotterer, Stotternde, Therapeuten, Logopäden, Sprachtherapeuten, Arbeitgeber, Personalräte, Behindertenvertreter, Sonderschullehrer, Arbeitsberater, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Lehrer,
Weitere Infos & Material
Die Interviewtexte
Physiker, 63 Jahre
Viele sagten: „Das ist doch nicht so schlimm! Alle haben irgendeine Macke.“
Reiseleiter, 67 Jahre
„Es gab eine Zeit, da habe ich alle zwei Jahre die Arbeitsstelle gewechselt.“
Förderschullehrerin, 26 Jahre
„Schule zu verändern ist irgendwie mein Ding.“
Stadtplaner, 49 Jahre
„Ich wünsche mir, dass ich mit dem Stottern lockerer umgehen könnte.“
Apothekerin, 59 Jahre
„Wer mich einmal erlebt hat, vergisst mich nicht so schnell.“
Geschäftsstellenleiter, 57 Jahre
„Wolfgang könnte gut Gruppen anleiten, wenn nicht sein Stottern wäre“, stand im Zeugnis.
Zahnärztin in Russland, 63 Jahre
„Bei der Planerfüllung war ich auf dem zweiten Platz von fünf Ärzten.“
Personalleiter, 59 Jahre
„Bei ganz starkem Stress kann ich gut sprechen.“
Controller, 29 Jahre
„Sie haben mir zugetraut, dass ich mit den Sprechsituationen klarkomme.“
Vermögensberater, 54 Jahre
„Im Laufe der Jahre habe ich die Angst vor Menschen verloren.“
Anästhesistin, 54 Jahre
„Ich habe mir meine Ängste relativ schnell bewusst gemacht und habe mir gesagt: Da musst du jetzt durch.“
Fachinformatiker, 21 Jahre
„Ich finde es gut, dass ich im Beruf viel sprechen muss.“
Teamleiter eines Ordnungsamtes, 55 Jahre
„Auf das Gymnasium gehört nur die Elite. Ein Stotterer gehört keinesfalls dazu“, behauptete mein Lehrer.
Lehrerin für Kunst, 63 Jahre
„Niemand hat jemals zu mir gesagt, dass mein Beruf nichts für mich wäre.“
Fachtexte
Franz Will
Stottern am Arbeitsplatz – was tun?
Martina El Meskioui
Stottern und Schwerbehinderung
Martina El Meskioui
Stottern und Beruf – Ein Projekt der Stotterer-Selbsthilfe
Weitere Literatur und Adressen
Vorwort
Die Menschen in diesem Buch – der jüngste ist 21, der älteste 67 Jahre – kommen aus sehr unterschiedlichen Arbeitsbereichen, sie sind zum Beispiel Physiker, Lehrerinnen, Reiseleiter, Controller, Ärztinnen, Städteplaner oder Apothekerin. Es gibt nur die eine Gemeinsamkeit: Das Stottern. In all diesen Berufen erwartet man eher keine stotternden Menschen. Und doch sind sie hier genauso zu finden wie auch in anderen Sprechberufen, obwohl in der Berufsberatung meistens immer noch davon abgeraten wird. Der Vermögensberater im Buch sagt: „Ein Sprechberuf ist die beste Therapie!“
Eigentlich ist es so, dass Stotternde gerade in Berufen, in denen sprachliche Herausforderungen bestehen, gute Chancen haben, ihr Stottern so in den Griff zu bekommen, dass die Arbeit davon nicht beeinträchtigt wird. Entscheidend ist, ob ein Arbeitgeber bereit ist, einem Stotternden die Chance zu geben sich zu entwickeln und zu bewähren. Eine gute Sprachtherapie und/oder die Selbsthilfegruppe spielen dabei häufig eine wichtige Rolle. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Stottern, das Erlernen von Sprechtechniken und der offene Umgang mit den Kollegen sind Voraussetzungen für ein erfolgreiches Berufsleben. Über Stottern redet man eigentlich nicht. Dieses Thema ist allzu oft ein Tabu unter Kollegen oder gegenüber Vorgesetzten. Eine Lehrerin erzählt über das Verhalten unter den Kollegen: „In der damaligen Schule hatte ich mich noch
nicht geoutet. Es wurde nicht offen darüber gesprochen. Sie haben mir geduldig zugehört und waren nett zu mir.“ Dieses Buch lässt Stotternde zu Wort kommen, die sich häufig allein in der Arbeitswelt fühlten und zum Einzelkämpfer wurden oder sich unerkannt einordneten. Hier erzählen sie ganz offen von den Gefühlen, Überlegungen, Wünschen und Strategien, die im Umgang mit dem Stottern eine Rolle spielten. Und auch von den Möglichkeiten der Auseinandersetzung und dem Erlernen von neuen Verhaltensmustern. Die Ängste vor dem Telefonieren, vor dem Reden in Diskussionsrunden oder vor vielen Menschen waren anfangs meist ein großes Problem. Aber Erfahrungen belegen: Sie lassen sich überwinden! Bei der Berufswahl lassen sich Stotternde noch zu häufig von Ängsten und Vorstellungen leiten, die bestimmte Berufsgruppen von vornherein ausschließen und als unvorstellbar erscheinen lassen. Aber wie sieht die Realität aus? Oder – wie kann sie aussehen? In diesen 14 Gesprächen wird deutlich: So individuell wie Menschen sind, so individuell ist auch das Stottern und der Umgang damit. Das spiegelt sich in den beruflichen Wegen der Einzelnen. Schulzeit und Studium bzw. Ausbildungszeit waren jeweils mehr oder weniger vom Stottern beeinträchtigt. Manche gehen einen kontinuierlichen Weg und entfalten sich in vertrauter Umgebung, andere brauchen immer wieder neue Umgebungen und Menschen, um sich zu bewähren. Die Gesprächspartner haben über die Jahre hinweg einen guten Umgang mit sich selbst, dem Stottern und den Kollegen, Kunden, Patienten oder Schülern gefunden. Sie haben viel erreicht und die meisten sind zufrieden an ihrem Arbeitsplatz. Rückblickend gab es immer wieder glückliche Umstände und verständnisvolle Menschen, die unterstützend zur Seite standen. Die meisten Gesprächspartner im Buch blicken mit nun 50 und oder 60 Jahren auf ein bewegtes Arbeitsleben zurück. „Das Stottern spielte immer eine Rolle“,
sagt der Physiker in der letzten Phase seines Berufslebens. In den Erzählungen der Jüngeren wird deutlich, dass diese Generation selbstbewusster in die Zukunft schaut. Im Vergleich zu früher hat sich die Qualität der Stotter-Therapien deutlich gebessert und die Verbreitung der Stotterer-Selbsthilfe stärkt viele Betroffene. Trotzdem bleibt: Der Umgang mit Unsicherheiten, Vorurteilen und Missverständnissen ist nicht leicht und muss erlernt werden, ebenso die Bewältigung der Angst vor verschiedenen Sprechsituationen. Der Anteil der männlichen Stotternden ist um vieles höher als der der weiblichen, so auch in diesem Buch. Bei den Frauen spielt das Thema Familie und Kinder traditionsgemäß eine größere Rolle im Berufsleben. Alle Gesprächspartner im Buch haben oder hatten Kontakt zur Stotterer-Selbsthilfe. „Was mir viel gebracht hat waren Biografien anderer, die mich positiv beeindruckt haben. Vorbilder, die ihren Weg gefunden haben. Das hat mir das Gefühl gegeben, dass es möglich ist, und hat mir Mut gemacht“, sagt der Teamleiter eines Ordnungsamtes. Er selbst und die anderen Gesprächspartner können nun ihrerseits Vorbilder sein für Stotternde, die sich heute kaum vorstellen können, in ihrem Wunschberuf erfolgreich tätig zu werden.
Marion Stelter