Steinmüller | Vorgriff auf das Lichte Morgen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 264 Seiten

Reihe: Memoranda

Steinmüller Vorgriff auf das Lichte Morgen

Essays zur DDR-Science-Fiction
Erstausgabe
ISBN: 978-3-948616-87-8
Verlag: Memoranda
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Essays zur DDR-Science-Fiction

E-Book, Deutsch, 264 Seiten

Reihe: Memoranda

ISBN: 978-3-948616-87-8
Verlag: Memoranda
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Im dritten Essayband ihrer Werkausgabe widmen sich die Steinmüllers speziell der Science Fiction der DDR. Nach einer Einleitung und einem Überblick über die Entwicklungsetappen der SF in der DDR untersuchen sie in vier Essays die von der staatlichen Kulturpolitik verordneten Funktionsbestimmungen sowie das Geschichts- und das Technikbild der DDR-SF und geben einen Einblick in das Menschen- und Gesellschaftsbild. Sie konzentrieren sich dabei auf die fünfziger und sechziger Jahre, in denen die DDR-SF noch nicht ihre spätere Vielfalt und Qualität erreicht hatte, aber gerade mit ihrer damals relativ einheitlichen Ausprägung charakteristische – und aus heutiger Sicht merkwürdige – Eigenheiten entwickelte.

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Aufbruch in den Weltraum Am 4. Oktober 1957 startete die Sowjetunion Sputnik I. Der erste künstliche Erdtrabant wurde von einer Welle öffentlicher Begeisterung und überschwenglicher Propaganda begleitet, die immer wieder die Überlegenheit der sowjetischen Wissenschaft herausstrich. Sputnik I gab auch den Startschuß für einen allgemeinen Aufbruch der DDR-SF in den Weltraum. Einen »allgemeinen« wohlbemerkt, denn schon vorher hatte Bagemühl Das Weltraumschiff (1952) veröffentlicht, und 1956 debütierte Günther Krupkat mit sowohl einer Erzählung als auch einem Roman mit Weltraumthematik. Günther Krupkat ist der in unseren Augen interessanteste Autor der frühen DDR-SF.[12] Er hatte ein Ingenieurstudium aus Geldmangel abbrechen müssen, in verschiedenen Berufen gearbeitet, am antifaschistischen Widerstand teilgenommen und schon in der Weimarer Republik erste Kurzgeschichten, allerdings keine SF, veröffentlicht, später auch einen Roman über den Untergang der Titanic. Als Gründer und erster Vorsitzender des Arbeitskreises für Utopische Literatur (von 1972 bis 1978) knüpfte er auch Kontakte zu ausländischen SF-Kollegen. In Krupkats Hefterzählung Gefangene des ewigen Kreises (1956) retten sowjetische Kosmonauten US-Astronauten aus einer havarierten Rakete. Die Amerikaner sind überhastet gestartet; ihr Raumfahrzeug wurde von Meteoriten getroffen, und ohne die Hilfe ihrer sowjetischen Kollegen wären sie verdammt, ewig im Orbit zu kreisen. – Damit nimmt Krupkat ein Motiv vorweg, das acht Jahre später von Martin Caidin in seinem Roman Marooned (1964, deutsch: Gefangen im All) anhand der Besatzung einer Gemini-Kapsel behandelt wird. Auch Krupkats erster Roman Die Unsichtbaren, 1956 zuerst als Romanzeitung erschienen, dreht sich um einen Weltraumflug, diesmal zum Mond. Bei den im Titel genannten »Unsichtbaren« handelt es sich um Marsianer, die geschützt durch eine Tarntechnologie insgeheim auf der Erde operieren und u. a. die Raumfahrtprogramme beobachten. Damit nicht genug: Die üblichen imperialistischen Saboteure plazieren Bomben in den beiden sozialistischen Raumschiffen. Die Tochter eines der Kapitalisten opfert sich, um die Besatzungen zu warnen; auf dem Mond werden dann die Kosmonauten von den Marsianern, die dort einen Stützpunkt unterhalten, freundlich begrüßt.[13] In der Buchausgabe (1958) ergänzte Krupkat den Roman um ein unter dem Eindruck des Sputnikstarts geschriebenes Nachwort, in dem er betonte, wie realistisch die im Buch enthaltenen Zukunftsvisionen seien. Auf die in allen DDR-Medien zu hörenden Triumphtöne, daß der Sputnik die Überlegenheit des sozialistischen Gesellschaftsmodells beweise, verzichtete er. Nun, da die piepsende Kugel die Erde umkreiste, wandten sich mehr und mehr Autoren dem Kosmos zu. Bezeichnenderweise werden die Digedags, die Helden des Mosaik, der einzigen Comic-Reihe mit durchgehender Handlung in der DDR, Opfer einer »Entführung ins Weltall«, wie der Titel des Hefts Nr. 25 vom Dezember 1958 lautet. In den folgenden Nummern erleben sie gemeinsam mit den Weltraumfahrern vom Planeten Neos Abenteuer auf dem Mond, dem Mars, auf dem durch einen Atomkrieg zerstörten Planeten Nucleon und schließlich auf Neos selbst. Auch hier kommen Spionage und Sabotage ins Spiel: Ein Raumschiff des kapitalistischen Großneonischen Reiches stürzt auf dem Mars ab, die Schiffbrüchigen wollen das ihnen zu Hilfe eilende Schiff der sozialistischen Neos-Bewohner kapern – unterstützt von dessen Kapitän, der in letzter Minute als Spion entlarvt wird.[14] Auf Neos werden die Digedags dann mit einer breiten Palette gerade aktueller Zukunftstechnik – von unterseeischem Bergbau bis Luftfahrt – konfrontiert. Spannende Handlungen verschränken sich mit Populärwissenschaft; eine Zeitlang enthalten die Hefte sogar Beilagen zu Sachthemen. Erwähnt werden kann in diesem Zusammenhang der erste SF-Film, der in der DDR gedreht wurde: Der schweigende Stern, eine Koproduktion von DEFA und einem polnischen Studio. 1960 wurde der Film uraufgeführt. Als Vorlage diente Stanislaw Lems Roman Astronauci (1949; in DDR-Übersetzung: Der Planet des Todes; in westdeutscher: Die Astronauten). Der auch heute noch sehenswerte Film, der in einem speziellen Breitwandverfahren gedreht wurde, bedient zahlreiche Motive und Themen jener Zeit: Eine geheimnisvolle Spule, Überbleibsel einer 1908 als Tungusischer Meteorit abgestürzten Sonde von der Venus, veranlaßt die Menschheit, ein Raumschiff zu eben jenem »schweigenden« Planeten zu senden. Unterwegs findet die internationale Besatzung heraus, daß die Venusbewohner die Menschheit durch radioaktive Bestrahlung ausrotten und die Erde erobern wollten. Die Astronauten landen in einem seltsamen, radioaktiv verseuchten »gläsernen Wald«, sie irren durch die phantastische Kulisse einer geschmolzenen Venusstadt. Von deren Bewohnern sind nur noch die Schatten auf den Wänden geblieben – wie in Hiroshima. Sie haben sich in einem nuklearen Schlagabtausch selbst vernichtet. Kurt Maetzig, der Regisseur, spricht von »drei Utopien«, die in diesem Film enthalten sind:[15] die technische Utopie des Weltraumflugs, die soziale Utopie einer friedlich geeinten und großenteils sozialistischen Menschheit, die Utopie des Kontaktes mit Außerirdischen. Damit sind Grundmomente benannt, die sich durch die gesamte Weltraum-SF der DDR ziehen. Eine wesentliche Neuerung brachte del’Antonios zweiter Roman Titanus (1959). In ihm übertrug del’Antonio die Systemauseinandersetzung – also Klassenkampf und »Friedenskampf«[16] – von der Erde auf einen fernen Planeten. Irdische Raumfahrer, die auf dem Planeten Titanus I landen, müssen bald feststellen, daß dort ein kapitalistisches Unterdrückungsregime herrscht. Die Ausbeuter stammen von dem Planeten Titanus II; sie sind nach einer erfolgreichen Revolution der »Tätigen« von dort geflohen. Nun planen sie Revanche, rüsten auf und schießen schließlich ihre Atomraketen ab. Doch die technisch überlegenen Bewohner von Titanus II lenken die Geschosse zurück auf die Aggressoren. – Wie in Lems Roman Astronauci und im Film Der schweigende Stern mündet Titanus in einer eindringlichen Warnung vor dem Atomkrieg, verbunden mit der Überzeugung, daß die »Kräfte des Fortschritts« sich als überlegen erweisen werden. Auf Titanus folgten weitere Romane um Klassenkämpfe auf fremden Planeten, die häufig die irdischen Raumfahrer vor die Gewissensentscheidung »Eingreifen oder nicht eingreifen?«, also Export der Revolution oder nicht, stellen. Erwähnt seien Lothar Weises Das Geheimnis des Transpluto (1962) und Hubert Horstmanns Stimme der Unendlichkeit (1965). Später hatte sich die Thematik der »interplanetarischen Revolution« – wie Klaus Klauß’ trivialer Roman Duell unter fremder Sonne (1985) bewies – gründlich überlebt. Abgesehen vom Klassenkampf auf fernen Planeten standen Abenteuer bei der »Eroberung des Weltraums« im Zentrum der Darstellung. Im Wettbewerb mit kapitalistischen Raumflug-Konzernen galt es, Meteoriten auszuweichen, Raumkrankheiten zu überstehen oder/und den Erstkontakt mit Außerirdischen aufzunehmen. Recht detailliert und realistisch schildert Krupkat in Die große Grenze (1960) den Wettlauf ins All: vom ersten Sputnik und den Reaktionen in den USA über den ersten bemannten Raumflug und die Havarie eines amerikanischen Raumschiffs bis zur Erkundung des Mars. Dabei schöpfte er ziemlich genau den Rahmen dessen aus, was die deutsch-amerikanischen Raumfahrtpioniere von Wernher von Braun bis zu Willy Ley vorgedacht hatten und was sich auch in DDR-Sachbüchern wie Heinz Mielkes Der Weg ins All (1957) wiederfand.[17] Nachdem Juri Gagarin 1961 als erster Mensch die Erde umkreist hatte, verdrängte die Weltraumthematik in der DDR-SF den utopischen Betriebsroman fast vollends. Während in gegenwartsnahen Romanen wie Krupkats Die große Grenze oder in Büchern, die in einer nicht allzufernen Zukunft angesiedelt waren, wie etwa in Carlos Raschs Asteroidenjäger (1961), Außerirdische in der Regel nicht auftraten, spielte in den weiter in die Zukunft greifenden Romanen die Begegnung mit menschenähnlichen Aliens eine Schlüsselrolle. Als Anregung mag hierbei auch Iwan Jefremows bekannte Erzählung »Das Herz der Schlange« (1959, deutsch 1960) gedient haben. Horst Müller beschrieb in Kurs Ganymed (1962) den Erstkontakt mit den kommunistischen Ganymeden – und verband dabei die Abenteuer im Weltraum mit einer ziemlich offenen Kritik am Stalinismus. Wie manch andere Autoren, etwa Georgi Martynow in Das Erbe der Phaetonen (1960, deutsch 1964), nutzte Müller die Idee, daß der Asteroidengürtel Relikt eines zerplatzen Planeten – Phaëton – sei. Bei Müller haben dessen Bewohner ihre Heimat durch ein gewagtes Kernkraftexperiment zerstört. Die Abkömmlinge der Überlebenden vegetieren nun auf dem öden Jupitermond Ganymed. Die karge, eingeengte Umwelt dient einer Clique als Vorwand, allen Ganymeden ein reglementiertes Dasein zu verordnen. Auch ein Diktator mit den besten Absichten fehlt nicht; er wird jedoch entlarvt und opfert sich zu guter Letzt. Und schon bieten die Erdmenschen den Ganymeden den flugs bewohnbar gemachten Mond als neue Heimstatt an. ...


Steinmüller, Karlheinz
Angela und Karlheinz Steinmüller zählten zu den führenden Science-Fiction-Autoren der DDR. Angela (*1941) ist Diplom-Mathematikerin, Karlheinz (*1950) Diplom-Physiker und Doktor der Philosophie, seit den Neunzigerjahren auch einer der angesehensten deutschen Futurologen. 1989 wurde der Roman "Andymon" zum beliebtesten SF-Buch der DDR gewählt. Die Steinmüllers wurden viermal mit dem Kurd Laßwitz Preis für die beste deutschsprachige Erzählung ausgezeichnet – Angela allein, beide zusammen sowie zu dritt mit Erik Simon.

Steinmüller, Angela
Angela und Karlheinz Steinmüller zählten zu den führenden Science-Fiction-Autoren der DDR. Angela (*1941) ist Diplom-Mathematikerin, Karlheinz (*1950) Diplom-Physiker und Doktor der Philosophie, seit den Neunzigerjahren auch einer der angesehensten deutschen Futurologen. 1989 wurde der Roman "Andymon" zum beliebtesten SF-Buch der DDR gewählt. Die Steinmüllers wurden viermal mit dem Kurd Laßwitz Preis für die beste deutschsprachige Erzählung ausgezeichnet – Angela allein, beide zusammen sowie zu dritt mit Erik Simon.



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