Steinbacher | Hitler | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 129 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Steinbacher Hitler

Geschichte eines Diktators
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-406-82949-9
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Geschichte eines Diktators

E-Book, Deutsch, 129 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-82949-9
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Aufstieg und Faszinationskraft Hitlers sind bis heute ein Rätsel, und das umso mehr, je mehr er überzeichnet und dämonisiert wird. Sybille Steinbacher beschreibt Hitlers Herkunft, die Wurzeln seines Antisemitismus und den Aufstieg des Redners und Putschisten zum Hoffnungsträger und Reichskanzler. Sie erklärt, wie Hitler in wenigen Jahren seine auf Rassismus und eine begeisterte 'Volksgemeinschaft' gegründete Herrschaft ausbaute und schließlich mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust eine historisch einzigartige Katastrophe herbeiführte. Eine konzise Einführung für alle, die sich knapp und zuverlässig über den Diktator informieren wollen.

Sybille Steinbacher ist Direktorin des Fritz Bauer Instituts und Inhaberin des Lehrstuhls zur Erforschung der Geschichte und Wirkung des Holocaust an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
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I. Aufstieg


Vom Waldviertel nach Wien


Nicht viel, und Adolf Hitler hätte Schicklgruber geheißen – so wie sein Vater Alois, der diesen Namen noch trug, als er schon fast 40 Jahre alt war. Adolf Hitlers Großmutter war Maria Anna Schicklgruber, eine Magd aus Strones bei Döllersheim im Waldviertel. Als ihr unehelicher Sohn Alois fünf Jahre alt war, heiratete sie den Müllergesellen Johann Georg Hiedler aus dem nahegelegenen Spital. Der Junge kam schon bald in die Obhut von Hiedlers jüngerem Bruder Johann Nepomuk, der seinen Namen Hüttler schrieb. Mit dessen drei Töchtern wuchs Alois auf. Seinen Nachnamen Schicklgruber behielt er bei, auch blieb es beim Eintrag «unehelich» in seinem Taufbuch, denn als leiblicher Vater ließ sich Hiedler, solange er lebte, nicht verzeichnen. Dass es fast zwei Jahrzehnte nach seinem Tod aber doch so weit kam, ging auf seinen Bruder Johann Nepomuk zurück. Der ließ auch notariell beurkunden, dass Hiedler der Vater sei. Die Mutter war zu der Zeit schon seit drei Jahrzehnten tot. Hiedler, Hüttler, Hitler – zumal in der gesprochenen Sprache war das einerlei. Aus Alois Schicklgruber wurde im Juni 1876 jedenfalls Alois Hitler. Warum, ist nicht recht klar. Womöglich ging es darum, ihn mit einem besseren Erbteil auszustatten, als ihm zugestanden hätte, wäre der Eintrag nicht erfolgt. Womöglich war der Ziehvater aber auch selbst der leibliche Vater und wollte das auf diese Weise verschleiern. Womöglich gab es auch ganz andere Gründe.

Im Waldviertel, einem Landstrich nördlich von Linz im rauen Klima Niederösterreichs mit vielen ärmlichen Dörfern, verdingten sich die meisten Bewohner als Kleinbauern, Land- und Forstarbeiter, Handwerker und Tagelöhner. Alois Schicklgruber, später Hitler, erlernte das Schuhmacherhandwerk. Er war strebsam, wollte es zu etwas bringen und trat in die Finanzwache ein, die Zollverwaltung der österreichischen Monarchie. Er stieg zum Beamten auf und war im Grenzort Braunau am Inn als Zollamtsassistent tätig. Dort heiratete er eine Beamtentochter, die Ehe blieb kinderlos und wurde bald geschieden. Mit einer Kellnerin hatte er da schon einen unehelichen Sohn, der auch Alois hieß. Sie wurde seine zweite Frau, brachte kurz nach der Hochzeit Tochter Angela zur Welt, erkrankte jedoch an Tuberkulose und starb. Seine dritte Ehefrau wurde Klara Pölzl, 23 Jahre jünger als er. Sie hatte bereits im Haushalt geholfen und war von ihm schon schwanger, als ihre Vorgängerin noch lebte.

Mit seiner dritten Frau war Alois Hitler verwandt, wie eng, lässt sich nicht sagen. Klara Hitlers Großvater mütterlicherseits war Ziehvater Johann Nepomuk Hüttler. Mit dessen Tochter, Klaras Mutter, war Alois Hitler im gleichen Haushalt groß geworden. Klara war folglich entweder die Cousine zweiten Grades ihres Mannes, oder aber ihr Großvater Johann Nepomuk war zugleich der Vater ihres Gatten. Geklärt wurde das seinerzeit nicht. Wegen des Verwandtschaftsverhältnisses bedurfte es jedenfalls einer kirchlichen Heiratserlaubnis des Vatikans, die auch erfolgte. Noch im Jahr der Hochzeit kam 1885 Gustav auf die Welt, im Jahr darauf Ida, beide wurden keine zwei Jahre alt. Zwei weitere Kinder starben ebenfalls früh, der 1892 geborene Otto schon nach wenigen Tagen, und Edmund, Jahrgang 1894, mit sechs Jahren. Kindersterblichkeit war in dieser Zeit keine Seltenheit. Nur zwei der sechs Kinder des Ehepaars Hitler kamen durch, Paula, 1896 geboren, die Jüngste. Und Adolf, am 20. April 1889 in der Salzburger Vorstadt in Braunau am Inn zur Welt gekommen.

Die Familie zählte zum wohlsituierten Mittelstand. Als Zollbeamter konnte Alois Hitler für gute wirtschaftliche Verhältnisse sorgen. In seinem Beruf wurde er oft versetzt, was das Familienleben unstet machte. Von Braunau ging es nach Passau, auf die deutsche Seite der Grenze. Sohn Adolf war zu der Zeit drei Jahre alt. In Linz, der nächsten Station, avancierte der Vater als Zollamtsoberoffizial zum Leiter der Zollabteilung der Finanzdirektion. Das war eine hohe Position, in die er kam, obwohl ihm die höhere Schulbildung fehlte. Als er pensioniert war, lebten die Hitlers auf dem Land bei Linz, zuerst bei Fischlham, dann nicht weit weg in Lambach, schließlich im eigenen Haus mit Garten in Leonding.

Jähzornig, streng und herrisch war der Vater, ein Pedant außerdem. Als unzugänglich und polternd galt er. Obendrein war er gewalttätig, seinen Sohn schlug er oft. Entsprechend distanziert war das Verhältnis der beiden. Für Beamte hatte der Sohn zeitlebens nur abfällige Bemerkungen übrig. Die Mutter war dagegen fürsorglich, liebevoll und nachsichtig, gerade mit ihm. Adolf Hitlers Werdegang verlief nach seiner Volksschulzeit, die er mit guten Noten absolviert hatte, wenig aussichtsreich, denn in der Realschule in Linz zeigte er nur mäßige Leistungen und blieb gleich im ersten Jahr sitzen. Sein Vater reagierte darauf mit Prügeln. Später wurde der Sohn nach einer Nachprüfung nur unter der Bedingung versetzt, die Schule zu wechseln. Die besuchte er dann im 40 Kilometer entfernten Steyr, wo er bei Pflegeeltern untergebracht war. Vater Hitler lebte da schon nicht mehr, er starb 1903. Noch mehrmals war die Versetzung in die nächsthöhere Klasse gefährdet. Mit 16 Jahren brach Adolf Hitler die Schule schließlich ab. Seine Mutter ließ ihn gewähren. Fortan lebte er umsorgt von Mutter, Tante und Schwester in einer Etagenwohnung in der Humboldtstraße 31 in Linz. Dorthin hatte seine Mutter den Haushalt nach dem Tod ihres Mannes verlegt, von dessen Pension die Familie gut leben konnte. Später zog sie in der Stadt noch einmal um. Gern promenierte der junge Hitler fein gekleidet durch Linz und besuchte abends die Oper. Einen Beruf erlernte er nicht, die Zeit vertrieb er sich mit Malen, Zeichnen und Lesen. Für gewöhnlich schlief er bis zum Mittag. Zwei Jahre ging das so, bis seine schwer an Krebs erkrankte Mutter kurz vor Weihnachten 1907 verstarb.

Im selben Jahr verbrachte Hitler bereits einige Zeit in Wien, um sich darauf vorzubereiten, an der Akademie der bildenden Künste zu studieren. Dort machte er im Herbst 1907 die Aufnahmeprüfung, schaffte es in die zweite Runde, scheiterte dann aber. Als seine Mutter krank wurde, kehrte er nach Linz zurück und pflegte sie. Im Februar 1908, wenige Wochen nach ihrer Beerdigung, zog er endgültig in die K.-u.-k.-Metropole. Dort lebte er vom mütterlichen Erbe und einer Waisenrente; das väterliche Erbe lag auf einem Sperrkonto. Im Bezirk Mariahilf nahe der Innenstadt konnte Hitler sich ein Zimmer zur Untermiete leisten, das er sich mit August Kubizek teilte, einem Kameraden aus Linz, der es ans Wiener Konservatorium geschafft hatte und Musik studierte. Hitler bestand die Aufnahmeprüfung an der Malerschule der Kunstakademie im Herbst 1908 auch beim zweiten Versuch nicht; diesmal schied er schon im ersten Durchgang aus. Fortan gab er sich dennoch als Student aus, nannte sich Schriftsteller und Kunstmaler und träumte von einer Laufbahn als berühmter Künstler oder Baumeister. Selbstüberschätzung fiel ihm nicht schwer.

Seine Familie hielt ihn für einen Taugenichts. Nach ihren Erwartungen hätte er sein eigenes Geld verdienen und zugunsten seiner Schwester auf seine Waisenrente verzichten sollen. Dass er das nicht tat und sich obendrein von seiner Tante ein Darlehen und weitere Geldbeträge geben ließ, erregte erst recht den Zorn der Verwandtschaft. Über seine Misserfolge an der Kunstakademie schwieg Hitler. Den Kontakt zu seinen Angehörigen brach er ab.

Später als Politiker setzte er alles daran, nichts über die Verhältnisse, aus denen er kam, bekannt werden zu lassen. Woher er stammte, wie seine Vergangenheit aussah und wie es um seine Familie stand, durfte niemand genau erfahren. In Mein Kampf beschönigte und verschleierte er seine Lebensgeschichte, und er tat viel dafür, dass sein Buch die einzige Quelle über seine Herkunft blieb. Schriftliche Unterlagen über seine Familie und andere Zeugnisse aus dem Waldviertel ließ er beschlagnahmen, vieles vernichten. Anfang 1932, als er Reichspräsident werden wollte, traf es ihn empfindlich, dass ein Wiener Journalist ausfindig gemacht hatte, wer seine...


Sybille Steinbacher ist Direktorin des Fritz Bauer Instituts und Inhaberin des Lehrstuhls zur Erforschung der Geschichte und Wirkung des Holocaust an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.



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