Steinbach | Eine Mark für Espenhain | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Steinbach Eine Mark für Espenhain

Vom Christlichen Umweltseminar Rötha zum Leipziger Neuseenland
2. korrigierte und erweiterte Aufl 2019
ISBN: 978-3-374-06249-2
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Vom Christlichen Umweltseminar Rötha zum Leipziger Neuseenland

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-374-06249-2
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



EINE MARK FÜR ESPENHAIN war mit 100.000 Unterschriften und ebenso vielen Markstücken die größte, nicht genehmigte Unterschriftensammlung in der DDR. Diese Protestaktion, deren Beginn sich im Juni 2018 zum 30. Mal jährt, richtete sich gegen die unglaubliche Umweltverschmutzung durch den Abbau von Braunkohle und deren Verarbeitung im Leipziger Umland. Die Leser dieses wichtigen und spannenden Stücks Zeitgeschichte erleben aus der Sicht eines Zeitzeugen und Akteurs der DDR-Opposition die letzten Jahre der DDR bis zu ihrem glücklichen Ende. Unterhaltsam, aber präzise werden Alltägliches aus dem Überwachungsstaat, Kuriosa der Stasigeschichte und frühe Anzeichen für das nahende Ende der DDR beschrieben. Reflektiert wird aber auch die Frage: Warum haben wir uns das so lange bieten lassen?
Nach der Wiedervereinigung führte der Autor des Buches, von 1991 bis 2010 Regierungspräsident von Leipzig, sein Engagement für Mensch und Natur im geschundenen Leipziger Südraum fort. Die LVZ betitelte Walter Christian Steinbach einmal als den »Vater des Leipziger Neuseenlands«. Steinbach dagegen ist der Überzeugung, dass dieses unglaubliche Renaturierungsprojekt – die größte Landschaftsbaustelle Europas – nur gelingen konnte, weil unendlich viele Akteure diesen Prozess mit ihren Ideen begeistert begleitet haben.

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»UNSERE ZUKUNFT HAT SCHON BEGONNEN« – DIE UMWELTGOTTESDIENSTE BIS 1989 ZWISCHEN KIRCHE UND GESELLSCHAFT
Nach dem für uns überraschenden Erfolg des ersten Umweltgottesdienstes 1983 in Mölbis begannen wir, unser Konzept inhaltlich zu vertiefen. Erstmals gelangten die katastrophalen Zustände der Umwelt im Südraum Leipzig in ganz Deutschland zur Veröffentlichung. Trotzdem ließen wir uns von dem ersten Erfolg nicht blenden. Ich fragte mich, was es heißt, in einer sozialistischen Gesellschaft Gottesdienst zu feiern, der unsere Welt nicht nur erklären, sondern auch verändern soll. Wir hatten sowohl im Kirchenbezirk Borna, als auch in der sächsischen Landeskirche nicht nur Freunde. Der Superintendent des Kirchenbezirks Borna, Wolfgang Opitz, hielt beide Hände über uns, aber seine Reichweite in der eher konservativen sächsischen Landeskirche war begrenzt. Ein wichtiges Argument für die Arbeit des CUR war der Beschluss des Kirchenbezirksvorstandes Borna, die Umweltgottesdienste mit zu verantworten. Mein Argument, Predigt und Gebet im Namen Gottes betreffen Kirche und Welt gleichermaßen, überzeugte natürlich die theologischen Gegner keineswegs. 2. Umweltgottesdienst 1984 in Mölbis
In der Einladung zum 2. Umweltgottesdienst am 17. Juni 1984 heißt es: »In Mölbis hat unsere Zukunft schon begonnen. Die Wahrheit darüber, was hier wirklich passiert, wird uns verschwiegen. Wir haben Angst um unsere Kinder und Enkel.« Diesen 2. Umweltgottesdienst prägte zunächst Landesbischof Dr. Johannes Hempel mit einer sehr beruhigenden Predigt. Er wirkte auf mich angespannt und ausgesprochen schroff, was ich zunächst überhaupt nicht verstand. Einige »Westjournalisten« hatten es aus Berlin nach Mölbis geschafft und er meinte, nicht ganz ohne Grund, dass ich daran nicht unschuldig sei. Der tiefere Grund wurde mir erst viel später deutlich, nämlich als er mir so ganz nebenbei Jahre nach der Friedlichen Revolution sagte: »Es war doch kein Allotria, was Sie damals gemacht haben«. Abb. 13:Landesbischof Dr. Johannes Hempel auf dem 2. Umweltgottesdienst 1984 in Mölbis Die Besucherzahlen des ganzen Tages bewegten sich fortan fast immer knapp um die 1.000. Ein uns offenbar wohlgesonnener IM stufte den 2. Umweltgottesdienst als »operativ nicht relevant« ein und schönte die Teilnehmerzahlen deutlich nach unten. Im Bericht der KD Borna vom 20. Juni 1984 zur OPK »Orgel« schreibt Hauptmann Heinze: »Im Rahmen der Durchführung und der Vorbereitung des am 17.06.84 in Mölbis stattgefundenen Umweltgottesdienstes, unter Teilnahme des Landesbischofs Dr. Hempel, konnten folgende Hinweise zur OPK »Orgel« erarbeitet werden: […] Im Zuge der Kontrolle, während der Vorbereitung dieser kirchlichen Veranstaltung, konnte durch einen IM der Abt. 26 der BV Leipzig herausgearbeitet werden, dass die OPK-Person Bildmaterialien und Plakatausstellungen zu Fragen des Umweltschutzes an andere Kirchgemeinden für deren Veranstaltungen ausleiht. Konkret trifft dies auf die Kirchgemeinde Bad Lausick zu.«37 Auch in diesem Fall ist es so, dass der Stasimitarbeiter sich gegenüber seinen vorgesetzten Dienststellen mit der »Herausarbeitung« von Informationen brüstete, die wir selber offen verbreiteten. Abb. 14:Markt der Möglichkeiten 1984 in Mölbis Auch heute noch habe ich den Eindruck, dass die Stasi zunächst nur in Ansätzen die zunehmende Vernetzung in der christlichen Umweltbewegung als ernst zu nehmende Gefahr erkannt hat. Mit diesen »Arbeitshinweisen« hatte die Stasi eine Handreichung, um die Umweltgruppen fortan systematisch und als ernste Gefahr zu beobachten. Auch unsere jährlichen Umweltgottesdienste mit den Wallfahrten und den sich anschließenden Podiumsgesprächen werden zunehmend als »operativ relevant« eingestuft, so dass schließlich ein operativer Vorgang »Anstifter«, also eine Stasi-Ermittlung mit dem Ziel der Strafverfolgung gegen Steinbach eröffnet wird. Damit wurde auch das Netz der IMs um uns dichter. . 3. Umweltgottesdienst 1985 in Großpötzschau
Der 3. Umweltgottesdienst fand am 16. Juni 1985 in Großpötzschau statt. Abb. 15:Die Predigt hielt der katholische Pfarrer Friedel Fischer aus Leipzig. Abb. 16:Markt der Möglichkeiten Abb. 17:Der legendäre Stockkuchen Abb. 18:Vogelkästen sind unsere Spezialität bis heute Abb. 19:Podium in Großpötzschau 1985 Abb. 20:Ein wichtiges verbindendes Element waren hunderte von Tontäfelchen für jeden Besucher mit der Umschrift »Unsere Zukunft hat schon begonnen« 4. Umweltgottesdienst 1986 in Rötha
Der 4. Umweltgottesdienst fand am 15. Juni 1986 in Rötha statt. »Unter der Rubrik ›der Staatsanwalt hat das Wort‹ waren aus dem Strafgesetzbuch Paragraphen aufgeführt, die für Umweltsünder zutreffen. Nach Quelleneinschätzung sollte dieser Aufsteller ausdrücken, dass zwar viel geredet und auch Gesetze für die Erhaltung der Umwelt vorhanden sind, aber in der Realität wenig gemacht wird.«42 Abb. 21:Wanderung/Wallfahrt 1986 nach Gaulis Abb. 22:Markt der Möglichkeiten 1986 in Rötha Wie wahr! Wallners kommentarlose Übernahme der Quelleneinschätzung offenbart aus unserer heutigen Sicht ein erschreckend rudimentäres Verhältnis zu rechtsstaatlichen Prinzipien. »Auf dem dritten Aufsteller waren unter dem Thema ›Wir sind überzeugt, dass städtische Neubaugebiete keine Alternative für überbaggerte Dörfer sind‹ Forderungen nach Alternativangeboten aufgetragen. […] Trotz der am späten Nachmittag vorgenommenen Ergänzung des Themas mit ›zumindest nicht die einzigste‹ bewertet die Quelle den Inhalt der Schautafel als Angriff auf gesellschaftliche Bemühungen, die notwendigen Umsiedlungen von Bürgern sozial zu lösen.«43 Abb. 23:Ausstellung 1986 in Rötha 5. Umweltgottesdienst in Mölbis 1987
Der 5. Umweltgottesdienst 1987 fand wieder in Mölbis statt. Besondere Vorbereitung erforderte die Wallfahrt auf die Halde Trages. Die Genehmigungen unserer »kleinen Wanderung auf die Halde« bereiteten erstaunlich wenige Schwierigkeiten. Abb. 24:Wallfahrt auf die Halde Trages, Mölbis 1987 Im Zentrum des gesamten Tages stand die Forderung nach der »Sofortrekonstruktion des Kombinats Espenhain als DDR-weite Aktion vergleichbar 750 Jahre Berlin« – eine taktisch ausgesprochen kluge Idee unseres langjährigen CUR-Mitgliedes Dr. Rolf Jähnichen. Abb. 25:Fürbittengebet 1984 in Mölbis (v. l. n. r.: Pfarrer Siegfried Rüffert, Renate Weidel, Alfred Schneider, Vors. der Bezirkssynode) 6. Umweltgottesdienst in Deutzen 1988
Der 6. Umweltgottesdienst fand am 12. Juni 1988 in Deutzen statt. diesmal auch einen Bericht der BDVP Leipzig – Kriminalpolizei – gibt,46 von den Kontrollen der SED einmal ganz abgesehen.47 »Es kann eingeschätzt werden, dass die für die Durchführung des Umweltgottesdienstes verantwortlichen kirchlichen Würdenträger sich sehr stark für die Einhaltung der öffentlichen Ordnung und der in den Absprachen mit den staatlichen Organen getroffenen Maßnahmen engagierten. Insbesondere der Superintendent Vollbach zeigte sich als zuverlässiger und konsequenter Partner, der an der Aufrechterhaltung eines konstruktiven Staat-Kirche-Verhältnisses interessiert war. In Vorbereitung des Umweltgottesdienstes hatte er in einem vom 01.06.88 datierten Brief alle Pfarrer des Kirchenbezirks aufgerufen, sich aktiv zur Unterbindung aller störenden, themafremden Aktionen einzusetzen, da daran die Entscheidung abhängig sei, ob 1989 wieder ein Umweltgottesdienst stattfinden könnte.«48 Abb. 26:6. Umweltgottesdienst 1988 in Deutzen Abb. 27:Wallfahrt auf die Dammkrone des Speicherbeckens Borna Man beachte die fast wörtliche, schlussbemerkende Wiedergabe der Drohung der Stasi, kirchliche Veranstaltungen unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen! Wie es dann 1989 tatsächlich geschehen ist. ...


Steinbach, Walter Christian
Walter Christian Steinbach, Jahrgang 1944, studierte zunächst Mathematik und Physik für das Höhere Lehramt. Nach der Sprengung der Universitätskirche Leipzig studierte er Theologie und wurde 1975 Pfarrer in Rötha im Südraum Leipzig. Dort entwickelte er mit Gleichgesinnten das Christliche Umweltseminar Rötha (CUR) als eine wichtige Oppositionsgruppe in der DDR. 1985 arbeitete er als Studiendirektor in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen. Das CUR rief 1988 die Aktion 'Eine Mark für Espenhain' ins Leben. Nach der Friedlichen Revolution und Wiedervereinigung Deutschlands berief Ministerpräsident Kurt Biedenkopf ihn zum Regierungspräsidenten für Leipzig-Westsachsen.



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