E-Book, Deutsch, Band 149, 64 Seiten
Reihe: Familie mit Herz
Steffens Familie mit Herz 149
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7517-4925-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Das kleine Ferienhaus der großen Träume
E-Book, Deutsch, Band 149, 64 Seiten
Reihe: Familie mit Herz
ISBN: 978-3-7517-4925-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
'Mama, die anderen Kinder fahren in den Sommerferien immer in den Urlaub, nur wir nicht!', schmollt die sechsjährige Lucy, während sie mit ihrer winzigen Schaufel in der Erde gräbt.
Anna Blaschke seufzt schwer. 'Ach, Mäuschen ... wie gern würde ich mit dir wegfahren. Aber du weißt doch, dass wir es uns nicht leisten können.'
Ihr 81-jähriger Nachbar Heiner hat das Gespräch unfreiwillig mit angehört. Da kommt dem alten Mann eine Idee. Mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen schlurft er in seine Hütte. Wenige Momente später tritt er an den Zaun, der seinen Schrebergärten von dem der Blaschkes trennt.
'Mädchen, komm mal rüber!', ruft Heiner und winkt Anna zu sich. 'Das sind die Schlüssel zu meinem Ferienhaus am Angersee.' Er drückt ihr einen Schlüsselbund in die Hand. 'Bleibt, solang ihr wollt. Bitte, nimm mein Angebot an. Du und deine Kleine verdient diesen Urlaub mehr als jeder andere.'
Gerührt blinzelt Anna die Tränen weg und nickt ...
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Das kleine Ferienhaus der großen Träume
Warum hier nicht nur Kinderwünsche
wahr werden
Von Caroline Steffens
»Mama, die anderen Kinder fahren in den Sommerferien immer in den Urlaub, nur wir nicht!«, schmollt die sechsjährige Lucy, während sie mit ihrer Schaufel in der Erde gräbt.
Anna Blaschke seufzt schwer. »Ach, Mäuschen ... wie gern würde ich mit dir wegfahren. Aber du weißt doch, dass wir es uns nicht leisten können.«
Ihr 81-jähriger Nachbar Heiner hat das Gespräch unfreiwillig mit angehört. Da kommt dem alten Mann eine Idee. Mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen schlurft er in seine Hütte. Wenige Momente später tritt er an den Zaun, der seinen Schrebergärten von dem der Blaschkes trennt.
»Mädchen, komm mal rüber!«, ruft Heiner und winkt Anna zu sich. »Das sind die Schlüssel zu meinem Ferienhaus am Angersee.« Er drückt ihr einen Schlüsselbund in die Hand. »Bleibt, solang ihr wollt. Bitte, nimm mein Angebot an. Du und deine Kleine verdient diesen Urlaub mehr als jeder andere.«
Gerührt blinzelt Anna die Tränen weg und nickt – weiß sie doch nicht, was sie doch alles erwartet ...
Anna Blaschke packte den frisch gebackenen Zitronenkuchen in ihren Korb, dazu eine Dose Sprühsahne und die Thermoskanne mit dem herb duftenden Kaffee.
»Lucy?«, rief sie nach ihrer Tochter.
»Ich bin gleich so weit«, antwortete die Sechsjährige und stand Sekunden später in der Küchentür.
Anna lächelte. »Hübsch hast du dich gemacht«, lobte sie.
Lucy trug ein helles Kleid, dessen Stoff mit unzähligen rosa Blumen bedruckt war. Auf ihrem Kopf saß ein rosa Strohhütchen, unter dem sich ihre blonden Locken hervorkringelten. Ihre Füße steckten in weißen Söckchen mit Rüschenrand und rosa Sandalen.
Das Mädchen strahlte und zeigte seiner Mutter auch noch das gelbe Täschchen, dessen Riemen über seiner Schulter hing.
»Ich hab meinen Fotografier-Apparat dabei«, verkündete sie stolz.
»Sehr schön, Lucy. Dann können wir ja jetzt gleich los«, erwiderte Anna.
Sie verließen die Zweizimmerwohnung, gingen die wenigen Stufen aus dem ersten Stock hinunter und aus der Tür des Mehrfamilienhauses hinaus. Annas Wagen parkte am Straßenrand nur wenige Meter vom Eingang entfernt.
Bis zu der Schrebergartenanlage außerhalb der Kleinstadt Sommerhausen brauchten sie mit dem Auto nur etwa zehn Minuten.
»Mama?«, fragte Lucy, während ihre Mutter den Motor anließ.
»Ja, Lucy?« Sie sah in den Rückspiegel.
»Wohin fahren wir in den Urlaub?«
»In den Urlaub?« Anna war überrascht.
Von Urlaub hatten sie noch nie gesprochen. Wie kam ihr Töchterchen ausgerechnet jetzt darauf?
»Alle aus meiner Klasse fahren in den Sommerferien irgendwohin. Manche sogar ganz weit weg. Nur Rosalie reist zu ihrer Oma. Aber da ist es auch schön, sagt sie. Wohin geht es bei uns?«
»Schätzchen.« Annas fröhliche Stimmung war dahin. So schwer es ihr fiel, sie musste Lucy die Wahrheit sagen. »Wir fahren nicht in den Urlaub.«
Es tat ihr unendlich leid, ihre Tochter enttäuschen zu müssen. Doch für eine Reise fehlte ihr schlichtweg das Geld.
Daniel, Lucys Vater, hatte sie noch vor der Geburt der Kleinen verlassen und zahlte als Geringverdiener auch keinen Unterhalt. So hatte sie von Anfang an allein für ihre Tochter und sich sorgen müssen. Immerhin hatte ihr Chef, Wolfgang Kanzler vom gleichnamigen Steuerbüro, Verständnis für ihre Notlage gezeigt, und so arbeitete sie, seit die Zeit des Mutterschutzes vorüber war, von zu Hause aus, um für Lucy da sein zu können. Üppig waren ihre Einkünfte jedoch nicht, und sie musste stets mit ihrem Verdienst gut haushalten.
»Nicht?« Lucy klang erschrocken.
Anna musste auf eine Gruppe Radfahrer achten, an denen sie eben vorbeifuhren, und konnte nicht erneut zu ihrer Kleinen in den Rückspiegel sehen.
»Nein, Mäuschen«, gab sie zurück.
»Aber warum denn nicht?«
Sie hörte bereits Tränen der Enttäuschung in der Stimme ihres Kindes.
»Ein Urlaub kostet Geld, Lucy.«
Ihre eigenen Worte drückten auf ihre Seele.
»Haben wir kein Geld, Mama?«, flüsterte die Kleine.
»Doch, Schätzchen. Aber eben nicht so viel, um in den Urlaub fahren zu können«, bemühte sich Anna, Lucy einerseits zu beruhigen und andererseits die Tatsachen nicht zu beschönigen.
»Aber wir waren noch nie weg von daheim. Nur im Garten und manchmal in der Stadt. Sophie fährt mit ihren Eltern ans Meer, hat sie gesagt. Nach I ... I ...«
Ein Schluchzen schüttelte das Mädchen.
»Italien?«, half Anna sanft weiter.
»Genau! Da mag ich auch hin. Sie hat gesagt, es gibt dort das Meer mit ganz viel Wellen drin und Sand davor, mit dem man toll spielen kann. Und sie wohnen in einem schönen Hotel.«
»Irgendwann fahren wir bestimmt auch einmal in den Urlaub«, versuchte Anna, ihr Kind zu trösten. »Nur eben jetzt nicht.«
Lucy gab keine Antwort mehr. Anna sah in den Rückspiegel. Die Kleine saß mit gesenktem Kopf in ihrer Sitzerhöhung.
»Wir haben doch unseren Garten, Mäuschen. Da ist es doch auch schön«, tröstete Anna ihr Kind.
Nun war sie selbst auch richtig unglücklich. Dabei hatte sie sich so darauf gefreut, im Schatten des Kirschbaumes in einem der gemütlichen Korbstühle mit den weichen Kissen zu sitzen, Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen.
Sie hatte Heiner Schuster vorschlagen wollen, zu ihnen rüberzukommen und sich dazuzusetzen. Er war so ein freundlicher Mann und immer furchtbar allein. Und er reichte ihr oft und gern etwas von seinem angebauten Gemüse über den Zaun. Zucchini, Tomaten, Kohlrabi, was immer gerade reif war.
»Aber da sind wir ganz oft und im Urlaub nie.« Nun schluchzte Lucy wieder auf. »Und wenn alle weg sind, hab ich auch gar niemanden mehr zum Spielen.«
»Aber deine Freunde kommen doch wieder«, tröstete Anna ihre Tochter.
Ganze sechs Wochen fuhr sicher niemand aus Lucys Freundeskreis fort.
»Das dauert aber bestimmt ganz lange«, widersprach die Sechsjährige. »Und die Luisa darf an einen großen See fahren, und sie hat dafür extra einen eigenen Koffer bekommen. Ganz in Rot. Ich hab gar keinen Koffer.«
Sie weinte immer mehr.
»Beruhig dich, meine Kleine. Denk an unseren schönen Garten. Vielleicht sind die Himbeeren schon reif. Dann darfst du welche pflücken, und ich mache morgen ein leckeres Schichtdessert mit Sahne daraus«, machte Anna einen Versuch, ihre Tochter abzulenken.
»Ich mag keine Sahne-Himbeeren, ich mag in den Urlaub fahren«, schluchzte Lucy.
»Schätzchen, schau mal«, bat Anna. »Wir sind gleich da.«
Lucy hörte auf zu weinen, doch ihr Gesichtchen war noch voller Kummer.
Und Anna wollte beim besten Willen nichts einfallen, um sie aufzuheitern ...
???
Heiner Schuster sah von seiner Gartenarbeit auf.
Er war eben damit beschäftigt, das Unkraut zwischen den Kohlrabis zu entfernen. Um seine Knie zu schonen, hatte er unter diese ein Kissen gelegt. Neben ihm stand ein Eimer, bereits zur Hälfte gefüllt mit Grünzeug, das im Beet wuchs und da nicht hinein sollte.
Eben kam Anna Blaschke mit ihrer Tochter den Weg zwischen den Parzellen entlang. Anna lächelte ihm zu, und Heiner winkte erfreut.
Lucy, die sonst glücklich neben ihrer Mutter hersprang und oft gleich zu ihm eilte, um ihm Neuigkeiten aus der Schule oder von ihren Freunden zu erzählen, trottete heute mit verweintem Gesichtchen und verschlossener Miene den Weg entlang.
Hatten Mutter und Tochter eine Auseinandersetzung gehabt? Auch Anna Blaschke wirkte bedrückt ...
Die beiden betraten ihre Parzelle, Anna stellte einen Korb auf den Tisch unter der Überdachung vor der hölzernen Laube.
Lucy ging in die hinterste Ecke des Gartens, wo ihre Sandkiste stand, die sie eigentlich kaum noch nutzte, und setzte sich auf den Rand. Reglos und mit hängendem Kopf verharrte sie da.
Umständlich erhob sich Heiner. Er klopfte sich die gröbsten Erdspuren von den Händen.
»Herr Schuster?«, hörte er Anna sagen, die an den Zaun zu seinem Garten getreten war.
»Ja?« Freundlich lächelte er ihr zu.
So eine sympathische junge Frau. Er verstand gar nicht, warum sie keinen Mann oder Freund hatte. Manchmal hätte er sie gern gefragt, wie es sich ergeben hatte, dass sie mit ihrer Tochter allein lebte. Doch das ging ihn ja nichts an.
»Ich habe Zitronenkuchen dabei, frisch gebacken, und eine Kanne Kaffee. Möchten Sie zu uns rüberkommen? Wir würden uns freuen.«
»Das ist wirklich nett von Ihnen. Ja, ich komme sehr gern«, versicherte Heiner. »Aber erst gehe ich mir die Hände waschen.«
»Natürlich«, erwiderte Anna. »Ich decke inzwischen den...