Starnone | Auf immer verbunden | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Starnone Auf immer verbunden

Roman
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-641-22884-2
Verlag: DVA
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-641-22884-2
Verlag: DVA
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Poetisch, lebendig, voller Energie. Und voller Humor. Dieser Roman ist große Literatur.« Jhumpa Lahiri

Vanda und Aldo können auf ein langes gemeinsames Leben zurückblicken, auch wenn sie nicht immer glücklich waren. Wie bei vielen Paaren erstickte auch ihre Beziehung irgendwann in Routinen. Als Aldo dann die jüngere Lidia kennenlernt, scheint die Ehe endgültig zerbrochen. Doch die neue Liebe kann die Bande, die die Kinder geknüpft haben, nicht lösen, und so kehrt Aldo nach Hause zurück. Inzwischen sind seit dem Bruch Jahrzehnte vergangen, und die Wunden der einstigen Verletzungen scheinen geheilt - bis zu jenem Tag, als die alte Narbe plötzlich schmerzhaft aufbricht ...

Was ist wichtig im Leben, was hält Paare wirklich zusammen, auch wenn die Liebe schon längst vergangen ist? Ein schonungslos ehrlicher und zugleich ungemein berührender Roman darüber, was uns eine Ehe abverlangt – und was sie uns schenkt.

Domenico Starnone, 1943 in Neapel geboren, war Lehrer von Beruf, hat später als Journalist bei der linken italienischen Tageszeitung Il Manifesto gearbeitet, Drehbücher verfasst und zudem an der Turiner Schreibschule von Alessandro Baricco unterrichtet. Er lebt als Autor in Rom. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. erhielt er für "Via Gemito" den renommiertesten Literaturpreis Italiens, den Premio Strega. "Auf immer verbunden"ist sein dreizehnter Roman, der in dreißig Ländern erscheint und international Kritiker wie Leser begeistert.

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Erstes Kapitel

1.

Falls du’s vergessen haben solltest, mein Lieber, muss ich dich eben daran erinnern: Ich bin deine Frau. Ich weiß, du warst mal froh darüber, aber jetzt stört es dich plötzlich. Ich weiß, du tust so, als gäbe es mich gar nicht, als hätte es mich nie gegeben, weil du dich in den gehobenen Kreisen, in denen du dich jetzt bewegst, nicht blamieren möchtest. Ich weiß, es ist dir peinlich, ein so geordnetes Leben führen, abends zum Essen nach Hause kommen und bei mir schlafen zu müssen statt mit wem du gerade Lust hast. Ich weiß, dass du dich schämst zu sagen: Passt mal auf, ich habe am 11. Oktober 1962 mit zweiundzwanzig geheiratet. Ich habe ihr vor einem Priester das Jawort gegeben, in einer Kirche im Stella-Viertel, und das freiwillig, aus Liebe und nicht weil ich etwas zu vertuschen gehabt hätte. Passt mal auf, ich trage eine gewisse Verantwortung, und wenn ihr nicht versteht, was das heißt, kann ich euch auch nicht helfen. Ich weiß das alles, ich weiß es nur zu gut. Aber ob es dir nun gefällt oder nicht – fest steht, dass ich deine Frau bin und du mein Mann. Dass wir seit zwölf Jahren verheiratet sind – im Oktober werden es genau zwölf Jahre – und zwei Kinder haben, den 1965 geborenen Sandro und die 1969 geborene Anna. Muss ich dir erst die entsprechenden Urkunden zeigen, um dich wieder zur Vernunft zu bringen?

Genug jetzt, entschuldige, ich übertreibe. Ich kenne dich ja und weiß, dass du ein anständiger Kerl bist. Komm doch bitte wieder nach Hause, wenn du diesen Brief gelesen hast. Oder antworte mir wenigstens, wenn dir noch immer nicht danach ist, und erklär mir, was mit dir los ist. Ich werde versuchen, dich zu verstehen, versprochen! Mir ist schon klar, dass du mehr Freiraum brauchst, und das ist auch nachvollziehbar. Deine Kinder und ich werden versuchen, dir so wenig wie möglich zur Last zu fallen. Du musst mir allerdings haarklein erzählen, was da zwischen dir und dieser jungen Frau läuft. Sechs Tage sind vergangen, ohne einen einzigen Brief oder Satz von dir, geschweige denn dass du dich hättest blicken lassen. Sandro fragt nach dir, Anna will sich partout nicht die Haare waschen lassen – angeblich bist du der Einzige, der sie richtig föhnen kann. Es reicht mir nicht, wenn du mir schwörst, dass dich diese Frau oder dieses Mädchen nicht interessiert, dass du sie nicht wiedersehen wirst, dass sie dir nichts bedeutet, dass es sich bloß so ergeben hat, weil du dich seit einiger Zeit in einer Krise befindest. Sag mir, wie alt sie ist und wie sie heißt, ob sie studiert, arbeitet oder nichts tut. Wetten, sie hat dich zuerst geküsst? Du bist doch bekanntlich gar nicht in der Lage, den ersten Schritt zu tun, man muss dich schon schwer unter Druck setzen, bis du dich bewegst. Und jetzt bist du durcheinander, das hab ich dir angesehen, als du mir gesagt hast, dass du bei einer anderen gewesen bist. Willst du wissen, was ich denke? Meiner Meinung nach ist dir noch gar nicht richtig klar, was du mir angetan hast. Weißt du eigentlich, dass ich mich fühle, als hättest du gezerrt und gezerrt und mir bei lebendigem Leib das Herz rausgerissen?

2.

Wenn ich lese, was du so schreibst, könnte man meinen, ich wäre eine Despotin und du das Opfer. Das kann ich unmöglich so stehen lassen. Ich gebe mein Bestes, nehme Unvorstellbares auf mich, und du sollst das Opfer sein? Warum? Weil ich ein bisschen laut geworden bin, weil ich die Wasserkaraffe zertrümmert habe? Du musst zugeben, dass ich gute Gründe dafür hatte. Nachdem du fast einen Monat weg warst, bist du ohne Vorankündigung einfach wieder aufgetaucht. Scheinbar ruhig, fast liebevoll. Gott sei Dank, er ist wieder zur Vernunft gekommen!, hab ich mir gedacht, doch dann hast du auf einmal gesagt, dass dieselbe Person, die dich vor vier Wochen angeblich noch kein bisschen interessiert hat – du hast dich sogar dazu herabgelassen, sie bei ihrem Namen zu nennen, »Lidia« hast du gesagt –, dir inzwischen so wichtig geworden ist, dass du nicht mehr ohne sie leben kannst. Abgesehen von dem Moment, in dem du ihre Existenz vage erwähnt hast, hast du mich einfach vor vollendete Tatsachen gestellt, so als könnte ich darauf nichts anderes sagen als: Gut, dann geh eben zu dieser Lidia, vielen Dank auch, ich werd mich bemühen, dir nicht weiter zur Last zu fallen. Kaum habe ich versucht, etwas zu erwidern, hast du mich auch schon unterbrochen, um irgendwelche Gemeinplätze über die Institution Familie loszuwerden: über die Familie aus historischer und globaler Sicht, über deine Herkunftsfamilie, über unsere Familie. Hätte ich etwa brav den Mund halten sollen? Hast du dir das so vorgestellt? Manchmal bist du wirklich lächerlich, wenn du glaubst, es genügt, große Reden zu schwingen oder mir irgendwelche Geschichten zu erzählen, um die Wogen zu glätten. Aber ich bin deine Spielchen leid. Zum x-ten Mal hast du mir jetzt schon geschildert, wie sehr du als Kind unter der schlechten Ehe deiner Eltern gelitten hast – wenn auch noch nie mit so hochtrabenden Worten. Du hast eine dramatische Metapher benutzt und gesagt, dein Vater habe einen Stacheldrahtzaun um deine Mutter gezogen, hast erzählt, wie sehr du darunter gelitten hast, wenn du wieder mal mit ansehen musstest, wie sich ihr ein Stachel ins Fleisch gebohrt hat. Dann kamst du auf uns zu sprechen. Du hast mir erklärt, dein Vater hätte euch allen dermaßen wehgetan, dass das Gespenst dieses unglücklichen, euch so unglücklich machenden Mannes dich bis heute verfolgt und du Angst hast, Sandra, Anna, aber vor allem mir wehzutun. Wie du siehst, habe ich nichts davon vergessen. Eine Ewigkeit lang hast du salbungsvoll was von Rollen geschwafelt, in die uns unsere Ehe gezwungen hätte, nämlich die von Ehemann, Ehefrau, von Mutter, Vater, Kind, und hast uns – deine Kinder, mich und dich – als Rädchen in einem völlig unsinnigen Getriebe beschrieben, die für immer dazu gezwungen sind, dieselben hirnlosen Bewegungen zu vollführen. So ging es noch eine ganze Weile weiter, und zwischendurch hast du aus dem einen oder anderen Buch zitiert, um mich zum Schweigen zu bringen. Anfangs dachte ich noch, du redest so, weil du Schlimmes erlebt hast und nicht mehr weißt, wer ich bin, nämlich ein Mensch mit Gefühlen, Gedanken und einer eigenen Meinung und keine Marionette in der Schmierenkomödie, die du da aufführst. Erst später kam mir der Verdacht, dass du mir damit bloß helfen wolltest. Du wolltest mir weismachen, dass du, indem du unser gemeinsames Leben zerstörst, die Kinder und mich in Wahrheit erlöst, und wir dir für diese Großzügigkeit sogar noch dankbar sein müssten. Wie reizend von dir! Und da bist du beleidigt, wenn ich dich vor die Tür setze?

Aldo, ich flehe dich an, komm endlich zur Vernunft! Es wird Zeit, dass wir in Ruhe miteinander reden, ich muss wissen, was in dir vorgeht. Während unserer langjährigen Beziehung bist du immer ein liebevoller Ehemann und Vater gewesen. Du ähnelst deinem Vater kein bisschen, wirklich nicht! Und das mit dem Stacheldraht, den Rädchen im Getriebe und all dem anderen Quatsch ist mir nie aufgefallen. Dafür ist mir sehr wohl aufgefallen, dass sich unsere Beziehung in den letzten Jahren verändert hat, dass du angefangen hast, anderen Frauen hinterherzuschauen. Ich erinnere mich nur zu gut an die Frau vom Campingplatz im vorletzten Sommer: Du lagst im Schatten und hast stundenlang gelesen. Du hättest zu tun, hast du gesagt und dich weder um mich noch um die Kinder gekümmert. Du hast unter den Pinien oder am Strand gearbeitet und dir Notizen gemacht. Aber wenn du aufgeschaut hast, dann nur, um sie anzusehen. Dir blieb der Mund offen stehen, als wärst du verwirrt und würdest versuchen, deine Gedanken zu ordnen.

Damals habe ich mir noch eingeredet, das sei nicht weiter schlimm: Es war eine hübsche junge Frau, und gucken wird man ja wohl noch dürfen – früher oder später riskiert jeder mal einen Blick. Aber ich habe sehr darunter gelitten, vor allem als du plötzlich angeboten hast, den Abwasch zu machen, was du sonst nie tust. Kaum ist sie aufgetaucht, bist du ins Spülhaus gerannt und immer erst wieder zurückgekommen, wenn sie verschwunden ist. Hältst du mich etwa für so blind und gefühllos, dass ich das nicht merke? Reg dich nicht auf!, hab ich mir gesagt. Das hat nichts zu bedeuten. Weil es für mich einfach unvorstellbar war, dass dir eine andere gefällt. Habe ich dir einmal gefallen, werde ich dir immer gefallen, davon war ich aufrichtig überzeugt. Ich war der festen Meinung, dass sich wahre Gefühle nicht ändern – erst recht nicht, wenn man verheiratet ist. Das kommt zwar durchaus vor, aber nur bei oberflächlichen Menschen, und er ist nicht oberflächlich, hab ich mir eingeredet. Außerdem war das eine Zeit des Umbruchs, in der sogar du mit dem Gedanken gespielt hast, alles über den Haufen zu werfen. Vielleicht habe ich mich ja zu sehr vom Haushalt vereinnahmen lassen, von der Verwaltung unseres Einkommens und den Bedürfnissen der Kinder. Heimlich habe ich mich im Spiegel betrachtet. Wie war ich, wer war ich? Die beiden Schwangerschaften haben kaum Spuren hinterlassen, und ich bin eine vorbildliche Ehefrau und Mutter. Aber anscheinend hat es nicht genügt, noch genau dieselbe zu sein wie damals, als wir uns kennengelernt und ineinander verliebt haben. Vielleicht war das ja mein Fehler, und ich musste mich neu erfinden, mehr sein als nur eine gute Ehefrau und vorbildliche Mutter. Ich habe versucht, so zu sein wie die vom Campingplatz, wie die jungen Frauen, die dir in Rom doch bestimmt nachgelaufen sind. Ich habe mich bemüht, in deinem Leben präsenter zu sein ? nicht nur zu Hause. Ganz allmählich begann ein neuer Abschnitt, was dir hoffentlich nicht entgangen ist. Oder etwa doch? Es ist...


Starnone, Domenico
Domenico Starnone, 1943 in Neapel geboren, war Lehrer von Beruf, hat später als Journalist bei der linken italienischen Tageszeitung Il Manifesto gearbeitet, Drehbücher verfasst und zudem an der Turiner Schreibschule von Alessandro Baricco unterrichtet. Er lebt als Autor in Rom. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. erhielt er für "Via Gemito" den renommiertesten Literaturpreis Italiens, den Premio Strega. "Auf immer verbunden" ist sein dreizehnter Roman, der in dreißig Ländern erscheint und international Kritiker wie Leser begeistert.

Burkhardt, Christiane
Christiane Burkhardt lebt und arbeitet in München. Sie übersetzt aus dem Italienischen, Niederländischen und Englischen und hat neben den Werken von Paolo Cognetti u. a. Romane von Fabio Geda, Domenico Starnone, Wytske Versteeg und Pieter Webeling ins Deutsche gebracht. Darüber hinaus unterrichtet sie literarisches Übersetzen.



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