E-Book, Deutsch, Band 44, 77 Seiten
Stark Ratgeber Sexuelle Sucht
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8409-2978-6
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Informationen für Betroffene und Angehörige
E-Book, Deutsch, Band 44, 77 Seiten
Reihe: Ratgeber zur Reihe Fortschritte der Psychotherapie
ISBN: 978-3-8409-2978-6
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Sexuelle Sucht, insbesondere in Form eines unkontrollierbaren Konsums von Pornografie, wurde mit der Einführung des neuen, von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Klassifikationssystems für körperliche und psychische Erkrankungen (ICD-11), erstmals als eigenständige Krankheit anerkannt. Damit werden Betroffene in Zukunft Anspruch auf eine angemessene Behandlung der Störung haben. Ziel des Ratgebers ist es, über die Störung aufzuklären und eine Hilfestellung für die Bewältigung der Sucht zu geben.
Der Ratgeber geht auf die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Sexuellen Sucht ein – insbesondere auf den unkontrollierbaren Pornografiekonsum sowie exzessives sexuelles Dating-Verhalten – und erklärt, welche Kriterien für die Diagnose der Sexuelle Sucht erfüllt sein müssen. Er zeigt auf, wie es zur Entwicklung einer Sexuellen Sucht kommen kann und widmet sich der Frage, was Betroffene tun können, um ihre Sexuelle Sucht zu überwinden. Zunächst geht es um den Aufbau eines Problembewusstseins und die Entstehung eines Veränderungswunsches, in der nächsten Stufe um die Beendigung des sexsüchtigen Verhaltens und schließlich um die dauerhafte Stabilisierung eines suchtfreien Lebens. Zahlreiche Arbeitsblätter und Übungen veranschaulichen das Vorgehen, so dass Betroffene die Strategien direkt einsetzen können. Auch Angehörige sowie Partner und Partnerinnen von Betroffenen erhalten Hinweise, wie sie Betroffene im Umgang mit der Sexuellen Sucht unterstützen können.
Zielgruppe
Betroffene, Angehörige, Psychotherapeut_innen, Psychiater_innen, Psychologische Berater_innen.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Psychiatrie, Sozialpsychiatrie, Suchttherapie
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychotherapie / Klinische Psychologie Beratungspsychologie
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologie / Allgemeines & Theorie Psychologie: Sachbuch, Ratgeber
Weitere Infos & Material
1;Inhalt und Vorwort;7
2;1„Sexuelle Sucht“ – Was ist das?;11
2.1;1.1Erscheinungsformen von Sexueller Sucht;11
2.1.1;1.1.1Pornografiesucht;13
2.1.2;1.1.2Exzessives Dating-Verhalten;16
2.2;1.2Sexuelle Sucht als diagnostizierbare Krankheit;17
2.2.1;1.2.1Diagnostische Kriterien der Sexuellen Sucht;18
2.2.2;1.2.2Häufigkeit der Sexuellen Sucht bei Männern und Frauen;19
2.3;1.3Bin ich sexsüchtig?;20
3;2Wie entsteht Sexuelle Sucht und warum geht sie nicht von allein weg? – Das I-PACE-Modell;22
3.1;2.1Personeneigenschaften;23
3.2;2.2Kognitive und emotionale Reaktionen;24
3.3;2.3Pornografiekonsum;27
3.4;2.4Gratifikation und Kompensation;27
3.5;2.5Der Suchtzyklus;28
4;3Was kann man gegen Sexuelle Sucht tun?;30
4.1;3.1Stufe I – Entstehung eines Problembewusstseins und Veränderungswunsches;31
4.1.1;3.1.1Bestandsaufnahme;32
4.1.2;3.1.2Zeit der Entscheidung;36
4.1.3;3.1.3Reduzieren oder stoppen des sexsüchtigen Verhaltens?;38
4.2;3.2Stufe II – Beendigung des sexsüchtigen Verhaltens;40
4.2.1;3.2.1Planung des zukünftigen Umgangs mit Auslösern;40
4.2.2;3.2.2Das sexsüchtige Verhalten verhindern;42
4.2.3;3.2.3Einstellung zum Verhalten ändern;44
4.2.4;3.2.4Der Motivationssatz – ein Mantra zum Durchhalten;45
4.2.5;3.2.5Der Einstieg in ein suchtfreies Leben;46
4.2.6;3.2.6Umgang mit dem Suchtdruck;47
4.3;3.3Stufe III – Dauerhafte Stabilisierung eines suchtfreien Lebens;50
4.3.1;3.3.1Umgang mit innerer Leere;52
4.3.2;3.3.2Emotionsregulation;53
4.3.3;3.3.3Partnerschaften und Sexualität;54
4.4;3.4Umgang mit Rückschlägen;57
5;4Häufig gestellte Fragen;59
5.1;4.1Ist am Anfang der Behandlung der Sexuellen Sucht eine sexuelle Enthaltsamkeit sinnvoll?;59
5.2;4.2Soll die Partnerin oder der Partner eingeweiht werden?;60
5.3;4.3Gibt es Medikamente, die gegen die Sexuelle Sucht eingesetzt werden können?;60
5.4;4.4Ist eine professionelle Psychotherapie für die Überwindung der Sexuellen Sucht nötig?;61
5.5;4.5Wie sollen Partnerinnen und Partner mit der Sexuellen Sucht umgehen?;63
6;Anhang;66
6.1;Zitierte Literatur;66
6.2;Hilfreiche Internet-Links;66
6.3;Anlaufstelle für eine Beratung zur Sexuellen Sucht;66
6.4;Arbeitsblätter;67
1 „Sexuelle Sucht“ – Was ist das?
Sexuelle Sucht ist als Thema in den Medien zunehmend präsent, da es offensichtlich viele Menschen interessiert und somit Auflagenzahlen und Einschaltquoten erhöht werden können. Bei der Berichterstattung stehen häufig Prominente im Mittelpunkt, die durch Promiskuität aufgefallen sind und in den Beiträgen wird öffentlich darüber gerätselt, ob ein krankhaftes Verhalten vorliegt. Manchmal erklären auch die so an den Pranger Gestellten selbst ihr offensichtlich empörendes Verhalten mit Sexueller Sucht. Leider werden hierbei häufig irrige und falsche Vorstellungen über die Kernmerkmale der Sexuellen Sucht verbreitet.
1.1 Erscheinungsformen von Sexueller Sucht
Fallbeispiele: Sexuelle Sucht
Herr A., ein 28-jähriger Verwaltungsangestellter, meldet sich in unserer verhaltenstherapeutischen Ambulanz, da er nach eigenem Bekunden unter einer Sexuellen Sucht leide. Als sein Hauptproblem beschreibt er einen exzessiven Konsum von Pornografie mit begleitender Masturbation. Schon morgens nach dem Aufwachen müsse er Pornografie konsumieren. Darüber verliere er jedes Zeitgefühl, sodass es ihm öfters passiere, dass er erst nach zwei Stunden realisiere, wie spät es sei. Dadurch komme er regelmäßig zu spät zu seiner Arbeit. Hier müsse er dann immer wieder neue Ausreden erfinden, wobei bereits erste disziplinarische Maßnahmen angedroht wurden. Auch während seiner Arbeitszeit könne er ab und zu nicht widerstehen, Internetseiten mit pornografischem Inhalt aufzurufen, trotz seiner Angst, dass seine Internetaktivität über den Systemadministrator der Firma entdeckt werden könne. Ihm sei klar, dass eine Entdeckung wahrscheinlich zu einer fristlosen Kündigung führen würde.
Herr B. lebt zurzeit alleine. Seit der Trennung von seiner Freundin vor drei Jahren sei der Konsum von Pornografie zu einem festen Lebensbestandteil geworden. Abends konsumiere er zwischen zwei und vier Stunden Pornografie, manchmal könne es aber auch bis tief in die Nacht dauern, bis er zum Einschlafen komme. Nach solchen Exzessen sei am nächsten Tag seine Leistungsfähigkeit im Beruf stark eingeschränkt. Herr C. gibt an, glücklich verheiratet zu sein. Trotzdem sei er immer auf der Suche nach sexuellen Abenteuern mit ihm unbekannten Frauen. Dafür recherchiere er stundenlang während der Arbeitszeit in einschlägigen Internetforen und verabrede sich mit Frauen, die zu einem sexuellen Treffen bereit sind. Wichtig sei ihm, dass er sich immer nur einmal mit den jeweiligen Frauen treffe. Aussehen, Sympathie und Alter seien ihm bei seinen Kontaktsuchen ziemlich egal. Er registriere, dass die Suche nach potenziellen Sexpartnerinnen immer mehr Zeit in Anspruch nehme, die ihm für seine beruflichen und privaten Verpflichtungen fehle. Die Fallbeispiele machen deutlich, dass verschiedenste sexuelle Verhaltensweisen außer Kontrolle geraten können. Manche Menschen leiden darunter, dass sie ständig auf der Suche nach potenziellen Sexualpartnern sind, dass sie exzessiv Sexualkontakte zu anderen unterhalten oder dass sie exzessiv Pornografie konsumieren. Seltenere Erscheinungsformen der Sexuellen Sucht betreffen die Nutzung von sexuellen Chatangeboten im Internet, Telefonsex- Hotlines oder den exzessiven Besuch von Prostituierten. Daher dient der Begriff „Sexuelle Sucht“ als Überbegriff, unter dem zum Beispiel auch die Pornografiesucht einzuordnen ist.
Ein Kernsymptom der Sexuellen Sucht ist der erlebte Kontrollverlust. Kontrollverlust meint hier, dass die Betroffenen versuchen, ihr Verhalten zu reduzieren, aber immer wieder feststellen, dass ihnen dies nicht dauerhaft gelingt. Am Beispiel der Pornografiesucht heißt das, dass Betroffene bemüht sind, ihren Pornografiekonsum einzuschränken, aber immer wieder die Erfahrung machen, dass ihnen die Kontrolle entgleitet und sie mehr, länger oder öfter konsumieren, als sie beabsichtigt hatten.