E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Standiford Verflixt, vertauscht, verliebt
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-646-92647-7
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-646-92647-7
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Scarlet und Lavender könnten unterschiedlicher nicht sein. Scarlet ist hübsch, sportlich und beliebt, Lavender hingegen das genaue Gegenteil. Es gibt nur eine Gemeinsamkeit: Sie haben beide am selben Tag Geburtstag.
Bisher hat sie das einander nicht näher gebracht. Dann aber gehen ihre Geburtstagswünsche auf unerwartete Weise in Erfüllung und am Morgen danach wacht jede im Körper der anderen auf. Um zurücktauschen zu können, müssen sie aber erst einmal herausfinden, wie es ist, jemand ganz anderes zu sein.
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Lavender Blue Ich hatte keine großen Erwartungen an meinen dreizehnten Geburtstag. Ich war also vor genau dreizehn Jahren auf die Welt gekommen. Und? Das war noch lange kein Grund, dass dieser Montag anders sein würde als alle anderen. Die ersten zwölf Jahre, elf Monate und dreißig Tage meines Lebens hatten mich gelehrt, mir keine übertriebenen Hoffnungen zu machen. In der Schule kam Maybelle Dawson auf mich zugerannt und überreichte mir ein Päckchen, das in blasslila, um nicht zu sagen lavendelfarbenes Papier eingewickelt war. Maybelle Dawson war meine beste Freundin. Na gut, meine einzige Freundin. »Herzlichen Glückwunsch, Schmitzy!«, rief sie. Mein vollständiger Name lautet Lavender Myrtle Schmitz. Ganz richtig: Lavender. Myrtle. Schmitz. Da Maybelle wusste, dass ich meinen Namen hasste (bei Lavendel dachte doch jeder sofort an alte Omis oder Klospray), nannte sie mich Schmitzy. Was meine Mutter zum Heulen brachte. Maybelle war sehr hübsch, sie hatte lockige Haare, strahlend blaue Augen und runde rosige Wangen. Ihre Hände hatten allerdings die Größe von Kohlenschaufeln und wegen ihrer Plattfüße war ihr Gang ungefähr so elegant wie der eines Ackergauls. Vermutlich reichte das, um sie in die Losertruppe zu verbannen. Bei mir war es offensichtlicher: kurz geratenes, haariges Neandertalermädchen + Brille = Loser. Ich kannte es nicht anders. »Pack dein Geschenk aus«, drängte Maybelle. Unter dem Seidenpapier kam ein gerahmtes Foto von mir zum Vorschein, auf dem ich beim Falls-Road-Middle-School-Talentwettbewerb Ukulele spiele. Den Rahmen hatte Maybelle selbst gebastelt und mit winzigen Papp-Ukulelen und Lavendelzweigen verschönert. »Danke, Maybelle«, sagte ich. »Vielen Dank auch, dass du mich an einen der schlimmsten Momente meines Lebens erinnerst. So gerate ich bestimmt nie wieder in Versuchung, in der Öffentlichkeit zu spielen.« Ihre Miene verdüsterte sich und ich bereute meinen Kommentar sofort. Die Worte waren mir einfach so herausgerutscht. »Ich fand dich toll an dem Abend«, sagte Maybelle. »Du hättest den ersten Preis verdient gehabt.« Bei dem Talentwettbewerb hatte ich vor der versammelten Schule den hawaiianischen Popsong Tiny Bubbles gesungen und mich dabei selbst auf der Ukulele begleitet. Ich hatte monatelang geübt und am Tag des Wettbewerbs fand ich mich ziemlich gut. Während ich hinter der Bühne darauf wartete, dass ich drankommen würde, sah ich mir die anderen an. Die meisten Mädchen sangen Taylor-Swift-Songs oder tanzten zu Hip-Hop-Musik. Ein Junge führte einen Zaubertrick vor, der aber niemandem zu gefallen schien. Je länger ich zusah, umso nervöser wurde ich. Tiny Bubbles war eine fatale Fehlentscheidung. Keiner meiner Mitschüler würde den Song kennen. Ich hätte etwas Bekannteres raussuchen sollen – oder zumindest etwas aus diesem Jahrhundert. Ich bekam feuchte, zittrige Hände. Mein Gesicht glühte. Als mich Mr Brummel, unser Musiklehrer und der Conférencier für diesen Abend, aufrief, erkannte ich meinen eigenen Namen kaum. Hätten sich meine Füße nicht angefühlt, als wären sie am Boden festgenagelt, wäre ich in Panik nach Hause gerannt. Aber so stand ich mutterseelenallein im Scheinwerferlicht auf der Bühne und hielt meine Ukulele umklammert. Ich fing an, Tiny Bubbles zu spielen. Meine Stimme zitterte. Meine Finger waren unsicher. Ich klang völlig anders als in meinem Zimmer. Ich vergeigte es. Und wurde mit Buhrufen von der Bühne gejagt. »Ich finde, es ist ein tolles Bild von dir«, versicherte mir Maybelle. War es nicht. So etwas wie ein tolles Bild gibt es von mir nicht. »Lieb gemeint«, sagte ich. John Obrycki kam vorbei und betrachtete das Bild. Ich packte es weg. »Hast du heute Geburtstag?«, fragte er. »Hätte ich das gewusst, hätte ich dir ein Geschenk mitgebracht.« »Nein, hättest du nicht«, sagte ich. Wir waren nicht unbedingt Freunde. Auch wenn er vermutlich einer der weniger ätzenden Typen an unserer Schule war. »Warte«, sagte John. »Wie wäre es damit?« Er riss eine Seite aus seinem Notizbuch und faltete einen Origami-Stern. »Wow«, sagte ich. »Echt cool, dass du in zwei Sekunden ein persönliches Geschenk für jemanden basteln kannst.« Johns Wange zuckte leicht. »Schmitzy!« Maybelle versetzte mir einen Rippenstoß, weil ich so grob zu John war. Keine Ahnung, warum, eigentlich fand ich den Stern nämlich ziemlich hübsch. »Danke«, sagte ich zu John und steckte den Stern zu meinem schauderhaften Foto. Vom anderen Ende des Gangs war lautes Gelächter zu hören. Scarlet Martinez sah über die Menge hinweg zu mir, dann drehte sie sich weg. Ein Problem der mittelmäßigen Falls Road Middle School war, dass sie mitten zwischen zwei sehr unterschiedlichen Wohnvierteln lag: Hampden und Roland Park. Hampden bedeutete Reihenhäuser und Secondhandläden und Hipster und Damen mit Lockenwicklern, die jeden ›Schätzchen‹ nannten. Roland Park stand für große Häuser und große Bäume und Bonzen mit dicken Schlitten. Ich wohnte natürlich in Hampden. Scarlet Martinez und die meisten ihrer Freunde in Roland Park. Scarlet hatte langes, welliges Haar und Endlosbeine und große braune Augen. Sie war dünn, aber nicht zu dünn. Was immer sie trug, sah perfekt aus. Sie spielte gut Fußball. Sie schien überhaupt in allem gut zu sein. Wenn sie doch nur ein einziges Mal etwas Peinliches getan und sich blamiert hätte! Aber das passierte nie. Sie war immer von den beliebtesten Schülern umringt, der Glossgang und ihrem Jungstross. Der Boden zu Scarlets Füßen war mit Geschenkpapier zugemüllt. Scarlets Freunde bedienten sich aus einer Schachtel Cupcakes, die irgendjemand mitgebracht hatte. »Hat sie heute auch Geburtstag?«, fragte John. »Ja«, antwortete ich. »Du wirst es nicht glauben, aber Scarlet und ich wurden am selben Tag geboren.« Scarlet bekam einen Schlüsselanhänger, ein Portemonnaie, eine Glitzerhaarspange, Schminksachen und jede Menge Schmuck geschenkt – nicht, dass ich mir die Mühe machte, hinzuschauen. Kelsey Tan, Scarlets zweitbeste Freundin – sie hatte so viele beste Freundinnen, dass sie sie durchnummerieren musste –, schenkte ihr ein pinkes T-Shirt mit der Aufschrift STAR. Scarlets allerbeste Freundin, Zoe Carter, überreichte ihr Geschenk mit großem Trara. Scarlet packte es aus und es entpuppte sich als iPod. Zuerst schien sie verwirrt. Vermutlich hatte sie schon einen iPod. »Den habe ich überall gesucht«, sagte sie. »Ist das nicht meiner?« »Ich hab ihn gestern heimlich mitgenommen«, sagte Zoe. »Ich habe fünfhundert meiner Lieblingssongs draufgespielt und ihn in diese süße Krokohülle gesteckt. Gefällt sie dir?« »Zoe! Vielen Dank!« Scarlet schlang die Arme um Zoe und sie hopsten kreischend auf und ab. Das taten sie ziemlich häufig. In meinen Augen kam das einzig brauchbare Geschenk unter diesem ganzen Plunder von Charlie Scott. Er überreichte ihr einen Strauß blauer Blumen. Scarlet schnupperte daran. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen rochen sie richtig gut. In diesem Moment kam Mr Brummel den Gang hinunter und watete durch die Berge aus Geschenkpapier auf dem Boden. »So, so – sieht aus, als würde hier Geburtstag gefeiert?«, fragte er. »Zwei Geburtstage«, klinkte sich Maybelle ein und deutete mit einem Kopfnicken auf mich. »Möchten Sie einen Cupcake, Mr B?« Scarlet hielt ihm die weiße Kuchenschachtel entgegen. »Danke, nein.« Mr Brummel klopfte sich leicht auf den Bauch. »Ich achte auf meine Linie. Herzlichen Glückwunsch, ihr zwei.« Scarlet packte noch ein Lipgloss aus und ließ es aus Versehen auf den Boden fallen. Es rollte über den Gang auf mich zu und blieb neben meinem Fuß liegen. Ich hob es auf. »Ich hol es dir«, sagte Zoe. Sie kam zu uns herüber und streckte die Hand aus. »Schmitzy hat heute auch Geburtstag«, erklärte ihr Maybelle. »Na großartig«, sagte Zoe. »Gib her.« Ich reichte ihr das Lipgloss. Auf solchen Tussikram war ich eh nicht scharf. Zoe rannte wieder zum anderen Ende des Gangs. »Vielleicht bringst du das lieber in den Laden zurück«, sagte sie, als sie Scarlet das Gloss gab. »Jetzt ist es ja voll eklig und mieft nach Klospray.« Sie lachten. Scarlet warf das Gloss in ihre Tasche. Ich versuchte mich so unauffällig wie möglich zu verhalten, damit sie bloß nicht hersah, aber irgendwie passierte genau das. Auf ihrem Gesicht lag ein seltsamer Ausdruck – nicht richtig traurig, eher verwirrt, irgendetwas schien nicht zu stimmen. Aber was sollte bei dem hübschesten, beliebtesten Mädchen der Schule nicht stimmen? Noch dazu an ihrem Geburtstag, der aus meiner Sicht ziemlich perfekt aussah. Sie wandte schnell den Blick ab und lachte wieder mit ihren Freunden. Wahrscheinlich hatte ich mir das Ganze nur eingebildet. Aus irgendeinem Grund spähte ich den Gang hinunter, um zu sehen, ob Mr Brummel meine neueste Demütigung mitbekommen hatte. Er verschwand gerade um die Ecke. Vermutlich also nicht. Es hatte eine Zeit gegeben, wo ich wegen eines fiesen Kommentars wie dem von Zoe am Boden zerstört gewesen wäre. Aber mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt, täglich am Boden zerstört zu werden. Man hatte mich als Yeti, Haarball, Furby bezeichnet … Das Schlimmste war das Gerücht gewesen, ich müsste zum Hundefriseur, weil ich so behaart war. Das ging mir aus irgendeinem Grund echt an die Nieren. Doch inzwischen war ich abgehärtet. Keiner konnte mich mehr verletzen. Ich hatte jede...