Staiger | Die Hoffnung ist ein Hundesohn | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 324 Seiten

Staiger Die Hoffnung ist ein Hundesohn


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-9814515-8-0
Verlag: MFM Entertainment
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 324 Seiten

ISBN: 978-3-9814515-8-0
Verlag: MFM Entertainment
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Berlin am Wochenende der Bundestagswahl 2012. Deutschland ist immer noch geteilt und Helmut Kohl noch immer an der Macht. Nachdem die DDR Führungsspitze am 09. Oktober 1989 die Montagsdemonstration in Leipzig zusammenschießen ließ, brachte dieser an der innerdeutschen Grenze Panzerverbände in Stellung, was ihn zum Volkshelden machte. Kohl wurde ein Jahr später mit überwältigender zwei Drittel Mehrheit wieder zum Kanzler gewählt und verstand es, durch die Errichtung einer modernen Mediendiktatur seine Macht immer weiter auszubauen, während zur gleichen Zeit die DDR in einem Strudel aus Inkompetenz und Korruption versank. Freiheits- und Bürgerrechte sind in beiden deutschen Staaten das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stehen und in Westdeutschland wird die restriktive Ausländerpolitik der frühen 90er Jahre voran getrieben. Die sogenannten Gastarbeiter und ihre Nachkommen leben abgedrängt in eigens für sie eingerichteten Wohnbezirken, in denen eigene Gesetze herrschen und die von Touristen in vergitterten Bussen auf Ghetto-Safari besucht werden. Die großen Oppositionsparteien wurden zerschlagen und das öffentliche sowie das mediale Leben wird von Helmut Kohls Deutscher Union bestimmt. Die Menschen, die in diesem Land wohnen haben sich längst daran gewöhnt und sich zwischen hedonistischen Partys und ihrer täglichen Arbeit mit den Verhältnissen arrangiert. Nach fast drei Jahrzehnten im System Helmut Kohl scheint der achten Wiederwahl des greisen, ewigen Bundekanzlers nichts im Wege zu stehen. Doch am Vortag der Wahl geraten die Dinge ins Rutschen. Als der rechtsradikale Postangestellte Klaus Jedele den Cousin des Oberhaupts eines arabischen Mafiaclans erschießt und der junge Journalist Stefan sich von seiner Freundin Sabine trennt, steht Ronald Kotsch, der Innenminister der BRD plötzlich vor der Aufgabe die schwersten Straßenschlachten seit den Mai Krawallen 1987 unter Kontrolle zu bringen.

Mit shakespearehafter Konsequenz erzählt Marcus Staiger die Geschichte von fünf Protagonisten, die sich durch ein Wochenende voller Gewalt, Sex und Drogen schlagen und darin versinken. Ein trostloses Buch voll grimmiger Ironie. So wirklich wie die Wirklichkeit nur anders. Marcus Staiger wurde 1971 in Leonberg bei Stuttgart geboren. Nach dem Abitur arbeitete er als Fabrikarbeiter in einer Farbenfabrik und bei Daimler, bevor er 1992 nach Berlin zog. Dort arbeitete er zunächst als Leiharbeiter und Gerüstbauer, später auch als Koch und Journalist. 1997 hob er eine Freestyle-Rap-Veranstaltung aus der Taufe, die von sämtlichen Größen der neueren Berliner Rap Geschichte besucht wurde und aus der dann das spätere Plattenlabel Royalbunker hervorging. Zehn Jahre lang beeinflusste Staiger die deutsche Hip Hop Szene nachhaltig, bis er 2007 nach großen Niederlagen aber auch großen Erfolgen das Label schloss und sich wieder ganz dem Journalismus widmete. Zwischen 2008 und 2011 arbeitete er als Chefredakteur der Internetplattform rap.de, wo er sich mit seinem kontroversen Stil in zahlreichen Beiträgen und Fernsehreportagen einen Namen machte. Nach seinem vollständigen Rückzug aus dem Rap Geschäft arbeitet Marcus Staiger seitdem als freier Journalist und Moderator für Medien wie SPEX, Berliner Zeitung, FAZ, JUICE, vice und auch vice.TV, sowie als Industriekletterer. Nebenher schreibt Marcus Staiger Bücher und lebt zusammen mit seiner Lebensgefährtin und insgesamt drei Kindern in einer Patchwork Familie in Berlin Kreuzberg.

Staiger Die Hoffnung ist ein Hundesohn jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Kapitel 1
... und wenn die Sehnsucht schreit.
Freitagabend, 05. Oktober 2012
Wir sitzen auf ihrem Bett und alles ist anders. »Aber deswegen sind wir doch nach Berlin gegangen, damit alles anders wird. Sabine, hör mir doch zu ...«, aber sie hört nicht. Sie weint. Ich sitze bei ihr und bin der Einzige, der sie trösten könnte, aber ich darf nicht. Ich will nicht. Sabine ist eine tolle Frau. Wir sind zusammen aus Gießen hierhergezogen, aber jetzt ist es eben vorbei. Manchmal ist das halt so. Was soll ich denn machen? Ich habe mich in den letzten paar Monaten verändert und sie ist irgendwie stehen geblieben. Ich habe neue Leute kennengelernt. Spannende Leute. Ich muss viel arbeiten und sie hat viel Zeit. Sie hängt da mit ihren komischen Werbeagenturleuten rum und das ist einfach nicht mein Ding. Kann man doch auch akzeptieren. Die Menschen verändern sich eben. Hätte ich ja auch nicht gedacht, dass das so schnell geht. »Sabine«, sage ich und strecke die Hand nach ihr aus, obwohl ich eigentlich nur gehen will. Was für eine Scheiße. Lasst mich doch einfach in Ruhe. Das ist mein Leben. Ich will raus hier. Mir ist das alles zu eng und trotzdem greife ich nach ihrer Hand. Ich will nicht, dass sie weint. Ich habe das Gefühl, dass ich alles, was ich anfasse, zerstöre. »Sabine«, sage ich noch einmal und sie lehnt sich an mich, gleitet in meine Arme, schluchzt und zittert und ich halte sie und starre auf meine Armbanduhr. Es ist wie im Film. Ich sehe mich, wie ich sitze, Sabine ganz aufgelöst in meinen Armen, und die Dinge passieren mir einfach. Ich lebe mein Leben nicht, mein Leben lebt mich. Ich spüre ihre Wärme. »Alles ist gut. Alles wird gut«, flüstere ich. Eigentlich will ich nicht flüstern und ich weiß, dass ich es nur mache, damit der Schmerz nicht so groß ist, damit sie endlich aufhört zu heulen, damit es ihr wieder besser geht und mir auch. Ich bin nicht hart genug. Ich müsste jetzt hart bleiben. Ich müsste noch einmal alles wiederholen, was ich eben erst gesagt habe, ich müsste es so lange wiederholen, bis sie es versteht, und ich müsste immer wieder nachstechen, doch stattdessen spüre ich, wie ich weich werde. Ich spüre, wie auch sie weich wird. Ich spüre ihren schönen, warmen Körper und ihr Gesicht wendet sich dem meinen zu und mein Mund, der eben noch in ihr Ohr geflüstert und ihre Haare berührt hat, ist nun ganz nah an ihrem Mund und ich kann das Salz ihrer Tränen schmecken und ich spüre ihre Lippen an meinen Lippen, ganz weich, und ihre Zunge. Ihr Körper drängt sich dem meinen entgegen, voller Sehnsucht, ihre Brüste heben sich und ich sehe wie meine Hand unter ihren Pulli gleitet, weil ich weiß, was mich dort erwartet, weil ich weiß, wie es geht, weil ich den Weg kenne, weil ich genau weiß, was ich machen muss, und es ist alles so leicht und vertraut und so leidenschaftlich. So leidenschaftlich, wie es schon lange nicht mehr war, ich schmecke die salzige Flüssigkeit in ihrem Mund, es kitzelt und ich überlege, wie lange wir uns schon nicht mehr so geküsst haben und denke, warum nicht? Warum sollte ich sie nicht küssen und sie streicheln. Ihre Brüste streicheln. Warum verdammt noch mal nicht? Nur weil ich gestern eine andere gevögelt habe? Nur weil ich gerade eben Schluss gemacht habe? Nur weil ich eben alles ausgesprochen habe, was mir die letzten Monate so schwer gemacht hat? Ich denke noch nicht einmal mehr an dieses drückende, bleierne, graue Gefühl in diesem Moment. Diese Lähmung, wenn man morgens nebeneinander aufwacht und sich nichts mehr zu sagen hat. Alles weg und das Licht heute Abend ist warm und vertraut und ich würde alles dafür geben, dass es genauso bleibt und alles wieder so wird wie früher. Ja, wir bleiben zusammen, Sabine. Niemals würde ich dir wehtun. Ich scheiß auf die Welt da draußen. Auf diese Leute, auf das Glitzern und das Geld, auf den Fame und all das. Ja, wir bleiben zusammen, Sabine, hier in unserer kleinen Gießener Welt. Ja, wir beide. Und ich spüre ihre Hand an meiner Hose und alles ist ganz weich und zart und hart und nass und das Salz ihrer Tränen, ihr Atem, ihre Haut und ich höre ein leises Stöhnen direkt an meinem Ohr. Ganz sanft, ganz nah und schon ewig war es nicht mehr so wie heute Abend und es wird uns zu heiß und wir müssen uns ausziehen. Wir streifen uns die Kleider ab. Ungeschickt, ungestüm, als wäre es das erste Mal, voll Verlangen und Sehnsucht und doch so vertraut. Auf einmal sind wir ganz nackt. Die Luft streift unsere erhitzten Körper und ich spüre Haut, so viel Haut, überall Haut, und wir finden uns, wir kennen die Wege, wir wissen Bescheid und alles ist so logisch und einfach. Es ist nichts Falsches dabei in diesem Moment und ich stehe neben mir und beobachte uns. Ich sehe, wie ich in sie hineingleite, sehe wie ich zucke und sich ihr Gesicht verkrampft. Ich sehe ihren Schmerz, ihre Lust, sehe, wie ich komme, wie sie kommt und mit einem Mal fällt alles in sich zusammen. Ich kann es nicht aufhalten. Es geht alles so schnell. So rasend schnell und in jenem Moment, in dem die weiße Wolke in meinem Kopf explodiert, weiß ich, dass alles falsch ist. Alles ist falsch und verwandelt sich zurück. Das Licht ist nicht länger warm. Die Gerüche nicht länger betörend, das Gefühl der verschwitzten Haut plötzlich unangenehm und klebrig. Ein Abschiedsfick und beide wissen wir es. Wir liegen hintereinander. Ich will sie halten, aber meine Beine beginnen zu schwitzen. Ich muss hier raus. Ich will weg. Wir sprechen kein Wort. Was soll ich auch sagen? Sie beginnt zu weinen. Bitte nicht. Mir wird schlecht. Scheiße. Dann schüttelt sie sich, reißt sich zusammen, rafft sich auf, bedeckt sich und zieht den Pulli über. Fest verschränkt sie die Arme vor ihrer Brust. »Du gehst jetzt besser«, sagt sie. Ich sage: »Sabine ...«, sie sagt: »Was?«, ich sage: »Nichts.« Unter ihrem kalten Blick ziehe ich mich an. Sie schaut mir zu und ich lasse den Kopf hängen, weil ich denke, dass ich zumindest so tun müsste, als sei ich zerknirscht. Wie ein Verlierer lasse ich den Kopf hängen, während sie kühl und beherrscht den ihren hebt und mich mustert. Ich bin fertig und entschuldigend hebe ich die Hände. »Ich bring dich zur Tür.« Wir gehen in den Flur. Ich dreh mich noch mal um, will sie küssen, umarmen zum Abschied. Sie wendet ihren Kopf ab. »Was soll das?« Sie schaut mich abschätzig an. Ich versuche zu lächeln, zucke mit den Schultern. Alles falsch. Ich mache alles falsch. Sie schaut mich an mit diesem Gesichtsausdruck, der sagt: »Wenn du dich nur einmal entscheiden könntest ...« Ich hasse ihn, diesen Gesichtsausdruck. »Du bist eine Wurst«, zischt sie und ihre Gefühle schwanken zwischen endloser Liebe und tiefster Verachtung. Lass mich endlich in Ruhe, schreit es in mir, während ich wortlos dastehe. Das ist mein Leben und wenn ich hundert Mal eine Wurst bin. Es ist MEIN Leben. Trotzdem fühle ich mich wie ein Verlierer. Ich sage: »Tschüss«, sie lächelt verächtlich und schließt die Tür hinter mir. Ich sollte verzweifelt sein und bin froh. Ich sollte glücklich sein und fühle mich wie Dreck. Wie auf Wolken gehe ich die Treppe nach unten. Bin ich jetzt frei? Ich weiß, dass sie mir aus dem Fenster hinterherblickt, wie ich zum Auto gehe, aber als ich hochschaue, sehe ich sie nicht. Ich muss noch einmal nach oben schauen und sie muss hinter dem Vorhang versteckt stehen und mich beobachten. So steht es im Drehbuch, auch wenn das hier das echte Leben ist. Es ist meine Hand, die den Schlüssel ins Schloss steckt. Mein Ohr, das die Geräusche hört. Meine Haut, die das kalte Metall spürt. Es ist mein Gesicht, das den kalten Nachtwind fühlt und dort oben sitzt ein Mädchen, das wegen mir weint. So ist das im Film. So ist das Leben. Jedele sitzt vor dem Fernseher. Wie jeden Abend. Kann sein, dass da draußen irgendwelche Menschen ein echtes Leben leben. Interessiert ihn nicht. Das Fernsehprogramm ist scheiße. Wie jeden Abend. Er zappt durch die 32 Kanäle, vielleicht findet er ja irgendeinen Sexkanal zwischen all dem Schrott. Bei den »Sexy Sport Clips« bleibt er hängen. Kennt er alle schon, aber diese kleine tschechische Hure, die sich gerade die Titten reibt. Darauf hat er sich schon mal einen gewichst. Die war gut. Haha. Die war gut. Jedele fischt nach seinem Schwanz. Mit heruntergezogener Jogginghose versucht er ihn steif zu bekommen. Früher konnte er ihn noch sehen, aber das ist schon lange her. Er schnauft und schielt nach dem verklebten Taschentuch. Wie oft schon heute Abend? Egal. Gleich ist es so weit. Die kleine Tschechin spreizt ihre Beine und er stellt sich vor, wie er ihren Kopf auf seinen Schwanz drückt, dass sie würgen muss. Da, du kleines Miststück, das habt ihr jetzt von eurer Eurodollar-Osterweiterung, du kleine Kommunistenhure. Das hast du jetzt davon und er stellt sich vor, wie er in einem Abschiebeknast arbeitet, wo diese ganzen kleinen Ostnutten sitzen und auf ihre Ausweisung warten. Erst neulich...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.