Spring | Todesnacht auf Rügen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 312 Seiten

Reihe: Grundschullehrer Stefan Wolff

Spring Todesnacht auf Rügen

Kriminalroman
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8392-7596-2
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 1, 312 Seiten

Reihe: Grundschullehrer Stefan Wolff

ISBN: 978-3-8392-7596-2
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Seine Freundin Julia liebt Rügen, bei Stefan Wolff hingegen kommt am Strand von Binz noch lange keine Urlaubsstimmung auf. Der Lehrer interessiert sich viel mehr für die illustren Dauergäste - allesamt älter und äußerst wohlhabend - die im Hotel für allerhand Streitigkeiten sorgen. Als dann Katharina von Berg tot in ihrer Suite gefunden wird, erwacht in Wolff der Detektiv. Kann er in dem Gewirr von Lügen und Intrigen den Mörder der Millionärsgattin stellen?

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Prolog
Wolff drehte sich erwartungsvoll zu der Uhr um, die über der Tafel hing. Der große Zeiger unter dem vergitterten Milchglas schob sich allmählich zur Zwölf hinauf. Noch sieben Minuten, dann konnte er gehen. Vor ihm lag das Klassenbuch. Er tippte mit dem Kugelschreiber auf die leeren Zeilen. Er hatte keine Ahnung, was er in der vergangenen Woche unterrichtet hatte. In der 4b war er mit dem Stoff weiter gekommen als in der 4c, das wusste er genau. Und in der zweiten Klasse ging es um die Zahlen bis 100 – das ganze Schuljahr schon. Aber die 4c? Nervös trommelte er mit dem Stift auf das Papier. Der Direktor erwartete das Klassenbuch nachher im Lehrerzimmer auf dem neusten Stand, da war er penibel. Aber wenn Wolff heute nicht pünktlich aus der Schule fortkam, würde zu Hause Julia einen Aufstand machen. Immerhin wollte sie noch bestimmen, was Wolff in die Koffer packen sollte. Und sie wollte ihn abfragen, ob er den Wagen getankt hatte, ob er Frau Keller an die Post und die Blumen erinnert hatte, ob er im Hotel angekündigt hatte, dass sie vor 14 Uhr kommen würden, und – das Wichtigste – ob er daran gedacht hatte, doch wirklich gleich für den ersten Morgen eine Massage zu buchen. Noch fünf Minuten. Hatte er mit den Viertklässlern multiplizieren oder dividieren geübt? Es wollte ihm beim besten Willen nicht einfallen. Es wurde wirklich Zeit, dass er Ferien bekam. Er vergaß ja alles. Lag das vielleicht daran, dass er im letzten Jahr die Vierzig geknackt hatte? Aber nein, beruhigte er sich. Er brauchte einfach nur dringend Erholung! Und wen interessiert es überhaupt, was da im Klassenbuch stand? Wie wollte der alte Direktor das überprüfen? War es nicht letztlich egal? Noch zwei Minuten. Wolff atmete tief ein. Es war nur eine kleine, harmlose Lüge. Er lehnte sich zurück und setzte den Kugelschreiber an: Am Mittwoch, in der zweiten und dritten Stunde, hatte er mit der 4c also … Da klopfte es. Es klopfte so zögerlich, als ob die Person vor der Tür eigentlich gar nicht auf sich aufmerksam machen wollte. Und doch schreckte Wolff wie ertappt auf. »Ja!«, rief er und räusperte sich. Schnell legte er den Kugelschreiber beiseite, als könnte er ihn verraten. »Ja!«, rief er noch einmal, diesmal etwas lauter, weil sich an der Tür nichts tat. Da trat ein Mann ein, den Wolff noch nie gesehen hatte. Trotz seiner Massigkeit huschte er gelenkig wie eine Katze durch den offenen Spalt und schloss die Tür auch schon lautlos hinter sich, alles im selben Augenblick. Der Mann sah Wolff aus gehetzten Augen an. Das verlegene Lächeln auf seinem Mund wirkte wie angeklebt. »Entschuldigen Sie – Herr Wolff? Haben Sie noch Sprechstunde?« Wolff sah zu der Uhr hinauf. Zwei Minuten nach vier. Er lächelte säuerlich und nickte. »Es geht um meinen Sohn«, erklärte der Mann und kam mit eiligen Schritten näher. Wolff versuchte, in dem teigigen Gesicht eine Ähnlichkeit zu irgendeinem seiner Schüler auszumachen, doch umsonst. Unter dem Zuviel an Fett und Haut konnten die Konturen eines jeden Jungen verborgen liegen, den Wolff unterrichtete. »Aber zuerst: meine Frau!«, hastete der Mann. Er zog einen der Stühle heran und nahm auf ihm Platz. Der Stuhl verschwand unter seinen ausladenden Hüften. »Ich weiß, dass Sie normalerweise mit meiner Frau über den Jungen reden, natürlich. Da will ich mich auch gar nicht einmischen. Und gerade deshalb – Sie verstehen sicher. Man ist ja auch nur ein Mensch, nicht wahr? Also, nun ja, unterm Strich: Ich will keinen Ärger, Sie verstehen? Deshalb wäre es mir ganz lieb, wenn Sie unser Gespräch – nun ja – meine Frau muss ja nicht unbedingt wissen, dass ich hier war. Deshalb möchte ich Sie bitten, die ganze Sache …« Sein gequälter Blick wandte sich von Wolff ab und schweifte die Tafel entlang. Ganz offensichtlich suchte er nach dem passenden Wort. Doch die Tafel war leer, und wenn sie es nicht gewesen wäre, wäre sie mit Zahlen statt mit Wörtern beschrieben gewesen. Wolff unterrichtete schließlich Mathematik. »Ich werde das Gespräch natürlich vertraulich behandeln«, half der Lehrer aus. Der Mann atmete erleichtert aus, und Wolff wusste nicht, ob es wegen des gefundenen Wortes oder wegen seiner zugesicherten Verschwiegenheit war. »Wissen Sie, der Friedrich …«, setzte der Mann an, da hob Wolff schon den Zeigefinger wie sonst seine Schüler. »Lange oder Marek?« »Marek natürlich! Friedrich Marek, Klasse 4c – ach ja.« Der Mann lachte in kurzen Stößen auf. »Sie kennen ja nur meine Frau. Und deshalb bin ich ja jetzt auch da. Weil mich das ja normalerweise auch alles gar nichts angeht. Welche Hefte für das neue Schuljahr gebraucht werden und wohin die Klassenfahrt geht und wer von den Eltern beim Wandertag als Begleiter mitfährt – Sie wissen schon, das ganze Zeug eben.« Er straffte den Rücken durch, indem er sich auf den Knien abstützte. »Ich würde mich da ja auch einbringen, bei den Wandertagen, meine ich. Aber ich bin berufstätig, selbstständig sogar. Da kann ich nicht alle Wochen auf Klassenfahrt gehen. Ich muss arbeiten.« Er dachte kurz über seine Worte nach, dann beugte er sich vertraulich Wolff entgegen. »Das soll nicht heißen, dass Sie nicht auch arbeiten würden. Aber Sie wissen ja, was ich meine, nicht wahr?« Wolff nickte ungeduldig. Ohne sich nach der Uhr umzudrehen, spürte er, dass es jetzt sicher schon zehn nach vier war. »Friedrich Marek also«, führte er zum vermeintlichen Anlass des Gesprächs zurück. »Ich weiß eigentlich gar nicht, worüber Sie da mit mir sprechen wollen. Friedrich gehört zu den Besten des ganzen Jahrgangs, ich habe auch eine Empfehlung geschrieben …« »Ja, genau!«, fiel ihm Marek ins Wort. »Darum geht es ja, um Ihre Empfehlung. Gerade Sie, als Klassenlehrer – und wo Sie doch auch noch Mathe unterrichten und nicht so ein Nebenfach wie Ethik oder Gestalten oder was es da noch so gibt – Sie wissen schon. Da zählt doch Ihre Meinung ganz besonders. Und was machen Sie? Meine Frau hat’s mir brühwarm erzählt. Ich hatte ja keine Ahnung!« Wolff legte die Stirn in Falten. »Ich kann Ihnen versichern, dass ich nur gute Worte über Ihren Sohn verloren habe.« »Ja, und wie!«, verschluckte sich Marek. »Ich höre sie ja jetzt noch: ›Hochbegabt, hat der Lehrer gesagt. Hörst du, Thomas, hochbegabt ist unser Sohn. Er soll aufs Gymnasium. Alles andere wäre ein Fehler. Und wir sollten ihn testen lassen, die Uni hat da so ein Programm für talentierte Kinder. Hochbegabt, Thomas, hättest du das gedacht – unser Sohn. Ich sag dir, das hat er von mir!‹ So ging das den ganzen Abend. Und am nächsten Tag wusste es das ganze Viertel. Da haben Sie mir ja was Schönes eingebrockt!« Wolff versuchte, einen milden Blick aufzulegen. »Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen«, sagte er schließlich. »Aber das muss Ihnen wirklich keine Angst machen. Auch wenn Ihr Sohn intellektuell vielleicht irgendwann einmal in anderen Sphären unterwegs sein sollte als Sie – und so genau kann man das ja in diesem Alter noch nicht wissen. Ich meine, wer kann schon sagen, was aus diesen kleinen Kerlchen wird? – selbst dann wird er Sie immer auf der sozialen Ebene gehörig brauchen. Glauben Sie mir, Sie werden als Vater immer eine wichtige Bezugsperson für ihn sein, egal, was wird.« »Aber das will ich doch gar nicht!«, brach es aus Marek heraus. »Darum geht es doch. Denken Sie doch mal an mich! Ich bin selbstständig, ich habe eine Firma. Sanitäranlagen Marek – kennen Sie doch sicher! Den ganzen Laden habe ich aufgebaut, praktisch aus dem Nichts. Und wer soll denn das alles mal übernehmen, wenn ich nicht mehr kann? Verstehen Sie? Was soll ich denn mit einen Sohn, der hochbegabt ist und irgendwas studiert, was keiner braucht – und wenn er den Nobelpreis dafür bekäme! Ich brauche einen Sohn, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat und nach der Ausbildung seinem alten Herrn unter die Arme greift.« Der Mann schien nach diesem Ausbruch erschöpft zu sein. Mühsam fingerte er ein Taschentuch aus seiner Hose und wischte sich damit die Stirn ab. »Ich brauche einen Nachfolger, kein Genie«, meinte er kläglich. Wolff überlegte. »Ich nehme an, dass Sie keinen weiteren Sohn haben – oder vielleicht eine Tochter?« »Friedrich ist unser Einziger. Und das war schwer genug, sage ich Ihnen! Deshalb schwirrt ja seine Mutter über ihm wie so ein Polizeihubschrauber überm Fußballfeld. Und deshalb hört sie ja so genau hin, wenn Sie oder irgendwer was über ihn sagt. Schon als damals unser Kinderarzt, der alte Huber, keine drei Monate nach der Geburt wegen Friedrichs Leisten meinte …« Wolff hatte das ungute Gefühl, dass der Mann drauf und dran war, elf Kinderjahre in Echtzeit nachzuerzählen. Die vergitterte Uhr in seinem Rücken fiel ihm ein. Und Julia. Und der Direktor, dazu das Klassenbuch. Was hatte er am Mittwoch unterrichtet: Multiplikation, Division – oder ganz allgemeine Bruchrechnung? Himmel, er war wirklich urlaubsreif! Je länger er darüber nachdachte, umso mehr mögliche Themen fielen ihm ein. Aber es war zumindest etwas Mathematisches, versuchte er sich zu beruhigen. Da hatte er eine Idee. »Herr Marek«, fiel er mitten in den Bericht über die Windpocken kurz vor Friedrichs drittem Geburtstag. »Ihr Sohn hat doch am letzten Donnerstag eine Leistungskontrolle bei mir geschrieben, nicht? Freitag hat er sie doch zurückbekommen – wieder ein Einser.« »Ja«, meinte Marek zerknirscht. »Schon wieder.« »Sie wissen nicht zufällig, worum es in dem Test ging – Multiplikation...


Spring, Bernhard
Bernhard Spring, 1983 in Halle (Saale) geboren, ist promovierter Germanist und Krimiautor. Für seine Kurzgeschichten und Romane erhielt er diverse Literaturpreise. Nachdem er mehrere erfolgreiche Krimis um den Dichter Joseph von Eichendorff und den Merseburger Kommissar Till Thamm veröffentlicht hat, legt er mit »Todesnacht auf Rügen« den ersten Krimi um den Lehrer und Hobbydetektiv Stefan Wolff vor. Spring lebt in Leipzig.



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