E-Book, Deutsch, 162 Seiten
Spiri / Euskirchen / Engelke Militärkonzerte in Kirchen?
3. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7597-1862-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wissenschaftliche und theologische Beiträge sowie Erfahrungsberichte
E-Book, Deutsch, 162 Seiten
ISBN: 978-3-7597-1862-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Militär-Konzerte in Kirchen - passt das zusammen? Werden Märsche oder Kirchenlieder gespielt? Wird das Hausrecht auf die Bundeswehr übertragen? Was hätte Jesus dazu gesagt? Wieviel kostet ein solches Konzert? Gibt es Proteste? - Wenige Menschen wissen, dass Militär-Kapellen etwa 100 Mal pro Jahr in Kirchen auftreten, auch auf Kirchentagen. Die Meinung der Autoren: Unter dem Dach der Kirche sind alle willkommen, aber nicht alles. Soldaten als kirchliche und musizierende Privatpersonen sind willkommen. Aber Image-Werbung für das Militär sollte nicht in der Kirche stattfinden.
Der Pianist Anthony Spiri gilt als einer der vielfältigsten und angesehensten Liedbegleiter, Kammermusiker und Solisten der heutigen Musikszene. Er lebt in München und ist als Professor für Klavierkammermusik an der Musikhochschule Köln tätig, deren Prodekan er ist.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Einleitung
In Deutschland finden pro Jahr 90 bis 100 Militärkonzerte im kirchlichen Rahmen statt. Ungefähr die Hälfte in evangelischen, die Hälfte in katholischen Kirchen. Die Hälfte in der Adventszeit, die Hälfte im restlichen Jahr.1 In Kirchen werden kirchliche, klassische und moderne Stücke gespielt. Nur selten ein Marsch. Die ungefähr 850 Musik-Soldat*innen der 15 Militärmusikkorps sind professionell ausgebildet. Militärkonzerte bilden laut Bundeswehr-Website eine "eine wichtige Brücke zwischen Bundeswehr und Bevölkerung"2. Es geht um Image- und Sympathiewerbung. Wie bei jeder Image-Werbung geht es auch in diesem Fall um die Übertragung eines Gefühls auf ein Produkt.3 Bei einem Militärkonzert überträgt sich das „Hochgefühl“ der Musik auf die Bundeswehr. Auch die besondere Atmosphäre der Kirche überträgt sich auf die Bundeswehr. Passt das zusammen? Dieses Buch möchte auf einen Missstand aufmerksam machen. Dieser Missstand wird in der Advents- und Weihnachtszeit besonders deutlich. An Weihnachten feiern Christ*innen, dass Gott in Gestalt eines wehrlosen Säuglings auf der Erde erschienen ist. Das Kind wurde in Windeln gewickelt und in eine Futterkrippe gelegt. Das „Jesuskind“ und seine Eltern besitzen keine weltliche Reichtümer, weder ein Schloss noch Ländereien. Weder viel Geld noch Kriegswaffen. Auch keine Befehlsgewalt über Untertanen. Diese Linie setzt sich fort: Als erwachsener Mann lehnt Jesus Christus militärische Gewalt und weltliche Macht ab.4 Er predigt das Teilen und das Helfen. Er predigt Nächsten- und Feindesliebe. Die Sanftmütigen, die Barmherzigen und die Friedensmacher preist er selig. Ohne Gegenwehr lässt er sich festnehmen. Er wurde Friede-Fürst5 genannt. Diese Linie setzt sich weiter fort: Christ*innen lehnten, mit wenigen Ausnahmen, den Kriegsdienst ab. Etwa 12 Generationen lang, bis zur Konstantinischen Wende im Jahr 312 nach Christus. Diese Wende geschah nicht plötzlich, sondern nach und nach, schrittweise. Jedoch gab es auch nach der Konstantinischen Wende immer Stimmen, die die bewaffnete Gewalt konsequent ablehnten. Selbst 17 Jahrhunderte, in denen die Kirche eng mit der weltlichen Macht verbunden war, konnten die Erinnerung nicht ganz auslöschen, dass christlicher Glaube mit militärischer Gewalt eigentlich nicht zusammenpasst. Ein Indiz: Wenn Männer zum Kriegsdienst eingezogen werden, dann sind auch heute6 Theologiestudenten, Pfarrer und Ordensbrüder in der Regel von der Dienstpflicht ausgenommen. In Kirchengebäuden wird Jesus Christus verehrt. Deshalb sollten Kirchengebäude für die militärkritische Tradition stehen, die bis zur frühen Kirche und bis Jesus Christus zurückreicht. Auch wenn auf evangelischer Seite unklar ist, ob Kirchen profane oder heilige Bauwerke sind. Im Handbuch des Staatskirchenrechts steht folgendes: Obwohl zwischen dem katholischen und dem evangelischen Verständnis des Sakralen nicht unbeträchtliche Auffassungsunterschiede bestehen, zeichnet sich auch der Protestantische Kirchenraum durch seine besondere Würde, über alle Zweckfunktionen hinaus, aus. Er soll Zeugnis von dem geben, `was sich unter der gottesdienstlich versammelten Gemeinde begibt: nämlich die Begegnung mit dem gnadenhaft in Wort und Sakrament gegenwärtigen heiligen Gott´.7 Sicher ist: Das Wort Kirche hat griechische Wurzeln und bedeutet „Haus des Herrn“. Katholische Kirchen sind Jesus Christus geweiht, evangelische sind ihm – seinem Wort und seiner Gemeinde – gewidmet. In diesem Haus tritt nun die Bundeswehr auf, in Form eines Militär-Orchesters. Was ist die Bundeswehr? Wenn ein Fluss über die Ufer tritt, schleppen Soldaten Sandsäcke. Wenn eine Seuche ausbricht, helfen Soldat*innen in Impf-Zentren. In Afghanistan halfen Soldat*innen Schulgebäude aufzubauen und Wasserleitungen zu verlegen. Alles Tätigkeiten, die auch zivile Kräfte8 erledigen könnten, wenn man sie finanziell und personell besser ausstatten würde. Die Kernkompetenz des Militärs ist jedoch der Einsatz von Kriegswaffen. Dazu gehört das Üben mit Kriegswaffen und das Drohen mit dem Einsatz derselben, also die Abschreckung. Die Frage lautet nun: Soll man einer Organisation, deren Kernkompetenz die militärische Gewalt ist, erlauben, Image-Werbung in einem Haus zu betreiben, das Jesus Christus gewidmet ist, der militärische Gewalt abgelehnt hat? Ein weiterer, ähnlicher Gedanke: Die Bundeswehr ist hierarchisch strukturiert. Es gilt das Prinzip von Befehl und Gehorsam, auch wenn Soldat*innen der Bundeswehr das Recht haben, wenn sehr wichtige Gründe vorliegen, die Ausführung eines Befehls abzulehnen.9 Die hierarchische Organisation und die Gewaltbereitschaft der Bundeswehr passen schlecht mit der Botschaft Jesu zusammen. Denn sein zentrales Thema war das nahe Gottesreich. Über dieses Thema sprach er in vielen Gleichnissen. In den unteren Schulklassen würde man sagen, es ist ein „Lieblingsthema Jesu“. Jeus hat auch entsprechend dieser Reich-Gottes-Botschaft gelebt.10 Das Gottesreich bricht überall an, wo Menschen miteinander teilen, einander helfen, Außenseiter einladen, Gottes Gegenwart feiern und Gewalt nicht mit Gewalt beantworten. Auch in einer gewalttätigen Umgebung, zum Beispiel im Römischen Reich oder in einem heutigen Imperium11. Jesus geht – im Sinne dieser Botschaft – selbstverständlich freundlich auch auf Soldaten zu. Wie passt die zentrale Botschaft Jesu vom nahen Gottesreich, zu dem die Gewaltfreiheit gehört, mit der Image-Werbung für eine gewaltbereite und gewalttätige Organisation zusammen? Randthemen Es gibt Veranstaltungsformen, die öffentlichen Militär-Kirchen-Konzerten in gewisser Weise ähnlich sind: z.B. Militärgottesdienste, Gelöbnisse12 und Gelöbnisgottesdienste, Soldaten-Wallfahrten, Trauerfeiern für gefallene Soldaten und Große Zapfenstreiche. Außerdem bundeswehrinterne Militärgottesdienste auf Kriegsschiffen, in Kasernen, im Rahmen von Manövern, in Auslandseinsätzen, dort im Feldlager - bis zu Andachten, die auch in frontnahen Stellungen gefeiert werden. Bei allen diesen militärischen Veranstaltungsformen spielen sowohl Religion als auch Musik eine Rolle. Bei manchen Militär-Kirchenkonzerten sind die liturgischen und verbalen Elemente ausgeprägt: Begrüßung, Psalm, Gedenken an gefallene Soldaten und an Soldat*innen im Auslandseinsatz, Erläuterung des Spendenzwecks, ausführliche Abkündigungen13, Segen oder segensähnliche Worte. In solchen Fällen kommt dieses Militärkonzert einem evangelischen Gottesdienst oder einer katholischen „Wort-Gottes-Feier“ recht nahe. 1 Siehe Anhang „Liste der Militärkonzerte“. Dort die genaue Begründung und Differenzierung. 2 www.marine.de/portal "160 Jahre Marinemusik", 08.06.2012. Screenshot siehe https://is.gd/V7mH7Z 3 Ein Beispiel: Bei der Werbung für Ritter-Sport-Schokolade wird die Gedanken- und Gefühlswelt „Sport“ übertragen auf Schokolade. 4 Die Versuchung Jesu, Matthäus 4,8-10 und Lukas 4,5-8 5 Friede-Fürst ist ein Hoheitstitel in Jesaja 9,5: „Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.“ Die Aussage wird in der christlichen Liturgie auf Christus bezogen. Aufnahme fand der Titel "Friede-Fürst" unter anderem in der auf einem Choral basierenden Bachkantate "Du Friedefürst, Herr Jesu Christ" sowie in dem Adventslied "Tochter Zion". 6 Bis zur Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011. Vermutlich wird es auch nach der Wiedereinführung wieder so sein. 7 Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, zweiter Band, herausgegeben von Joseph Listl und Dietrich Pirson, 2., grundlegend neubearbeitete Auflage, Verlag Duncker & Humblot, Berlin, 2020, Seite 79f. Anmerkung des Verfassers: Es gibt auch Kirchengebäude, die entweiht oder entwidmet wurden. Diese Kirchen dienen nun nicht mehr gottesdienstlichen Zwecken, sondern beispielsweise kulturellen Zwecken. Manche dieser Kirchen haben dennoch ihre „heilige“ Atmosphäre bewahrt. 8 Die deutschlandweite Initiative „Sicherheit neu denken“ möchte die Bundeswehr zu so etwas wie einem international einsatzfähigen „Technischen Hilfswerk“ umbauen, und zu gewaltfreien Konfliktlösungs-Einheiten. 9 Soldatengesetz §11 Pflicht zum Gehorsam: "Der unterstellte Soldat hat die Befehle des Vorgesetzten gewissenhaft zu befolgen, im Dienst und auch außerhalb." § 19 Abs 1 Wehrstrafgesetz: "Wer einen Befehl nicht befolgt und dadurch wenigstens fahrlässig eine schwerwiegende Folge verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu...