Spinney | Der Urknall unserer Sprache | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Spinney Der Urknall unserer Sprache


1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-446-28360-2
Verlag: Hanser, Carl
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

ISBN: 978-3-446-28360-2
Verlag: Hanser, Carl
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Bestsellerautorin Laura Spinney erzählt die Frühgeschichte unserer Sprache. Eine spektakuläre Reise in die Lebenswelt und Kultur unserer Vorfahren
Griechische Tragödien, indische Veden, römische Mythologie, 'Beowulf' und 'Der Herr der Ringe' - all diese Erzählungen sind durch eine gemeinsame Sprache und deren Sprecher verbunden, den Indoeuropäern. Wer waren diese Menschen, wie lebten unsere Vorfahren? Dank bahnbrechender Erkenntnisse aus Linguistik, Archäologie und Genetik erzählt Bestsellerautorin Laura Spinney die unvergleichliche Entstehung unserer Ursprache. Vor 5.000 Jahren trafen am Schwarzen Meer Nomaden aus der Steppe auf Bauern aus der gemäßigten Zone. Laura Spinney erweckt den Alltag und die Sprache dieser Menschen zum Leben und zeigt, wie eng Ost und West miteinander verbunden sind. Eine faszinierende Reise zu den Ursprüngen unserer Kultur.

Laura Spinney, geboren 1971, ist eine preisgekrönte britische Wissenschaftsjournalistin und Romanautorin. Sie schreibt für den Guardian, Nature und den Economist. Ihr Buch 1918 - Die Welt im Fieber wurde in Deutschland zu einem Bestseller. Sie lebt in Paris.
Spinney Der Urknall unserer Sprache jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Einleitung:
Ariomanie


Der mächtigste Gott im alten indischen Pantheon war der Himmelsvater, (Sanskrit). Der oberste Gott der Griechen war , der später nur noch Zeus genannt wurde. Die Römer veränderten den Anfangslaut und nannten ihren Gott . Im Altnordischen wurde das zu einem , sodass er den Wikingern als bekannt war, während er im mit dem Altnordischen eng verwandten Englisch genannt wurde. Den Dienstag () widmeten englischsprachige Menschen dem Himmelsvater.

Sanskrit, Griechisch, Latein, Altnordisch und Englisch stammen alle von dem viel älteren Proto-Indoeuropäischen ab. »Proto« bedeutet »das Erste«, und »indoeuropäisch« zeigt die Sprachfamilie an. Die Sprecher des Proto-Indoeuropäischen, deren Zahl sich anfangs vielleicht auf wenige Dutzend beschränkte, lebten in der Schwarzmeerregion zwischen Europa und Asien. Auch sie beteten den Himmelsvater an. Vor 5000 Jahren breitete sich ihre Sprache über das Schwarzmeerbecken hinaus nach Osten und Westen aus und veränderte sich dabei. Binnen 1000 Jahren wurden spätere Formen dieser Sprache von Irland bis Indien gesprochen. Dieser Urknall der indoeuropäischen Sprachen ist innerhalb der Alten Welt das mit Abstand bedeutendste Ereignis der letzten 5000 Jahre. Ab 1492 fanden einige dieser Sprachen auch den Weg in die Neue Welt und verbreiteten sich von dort weiter.

Im Vergleich zur Lebensdauer eines Menschen sind 5000 Jahre eine Ewigkeit, verglichen mit der Zeit, seit der es Menschen gibt, nur ein Herzschlag. In dieser zugleich kurzen und langen Spanne von 5000 Jahren sind viele indoeuropäische Sprachen entstanden und ausgestorben, doch bis heute werden noch mehr als 400 davon gesprochen. Dazu gehören etliche Sprachen Indiens, Pakistans, Afghanistans und Irans, slawische und baltische Sprachen, Welsch, Irisch und andere keltische Sprachen, das Englische und seine germanischen Verwandten, Griechisch, Armenisch und Albanisch und die zahllosen vom Lateinischen abstammenden Sprachen.

In Europa und einigen ehemaligen europäischen Kolonien sehen die Menschen sich in der kulturellen Tradition des jüdisch-christlichen Mittelalters sowie der Römer und Griechen. Weiter im Osten berufen sich viele auf die iranischen Sprachen und den Propheten Zarathustra oder auf Sanskrit und die Religionen des alten Indien. Doch hinter Ovid, den griechischen Sagen und der Göttervielfalt Südasiens verbirgt sich eine Verbindung zwischen Osten und Westen. Wie eine gespannte Saite schwingt sie — vielleicht unbemerkt — in all jenen von uns, die indoeuropäische Sprachen sprechen. Diese Verbindung entstand im Herzen Eurasiens vor der Erfindung der Schrift — in der Vorgeschichte, in der Zeit der Mythologie. Sie setzt sich zusammen aus Drachen und Bären, Hexern und Kriegern, mächtigen Himmelsgöttern und weisen, sinnlichen Königinnen. Sie entstammt dem Reich der Träume und Albträume, der Fantasien und Ängste. Die hinduistischen Texte, Homers Sagen, und berufen sich darauf. All diese Werke sprechen uralte Wurzeln in der Psyche ihres Publikums an. Und alle stehen in linguistischer Hinsicht in der Schuld der ersten Indoeuropäer. Jahrhundertelang haben wir diese Menschen mit Faszination betrachtet oder gar verklärt. Nun rücken sie in den Fokus. In den letzten zehn Jahren hat die Wissenschaft unser Verständnis dieser Menschen verändert. Ihre Sprache, ihre Vorfahren und ihre Nachkommen, die die Welt bereisten, sind Gegenstand dieses Buchs.

*

Das Sanskrit und seine Schwestersprachen entstanden erst zu einem späten Zeitpunkt in der Geschichte des ältesten Werkzeugs der Menschheit — der Sprache. Als in Afrika vor 300.000 Jahren der auftauchte, verfügte er bereits über die Sprache; er war in der Lage, alle Laute zu produzieren, derer auch wir mächtig sind, und Bedeutungseinheiten — Wörter — zu Sätzen zu kombinieren.

So lautet die eine Sichtweise. Die andere besagt, dass sich die Sprache überhaupt nicht entwickelt hat, sondern vor 80.000 Jahren in der südostafrikanischen Wüste erfunden wurde — vielleicht von Kindern, die sich selbst überlassen waren, ähnlich wie in . Möglicherweise wurde sie sogar in unterschiedlichen Teilen Afrikas mehrfach erfunden.

Die ersten menschlichen Sprachen waren eine gesprochene oder mit Gesten übermittelte Kombination beider Szenarien. Sie wären uns vielleicht äußerst rudimentär erschienen, weil sie beispielsweise nicht über Adjektive oder eine feste Anordnung der Wörter verfügten. Doch selbst mit einfacher Syntax konnten die Sprecher (oder Gestenanwender) ihren Gesprächspartnern etwas über die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung, über die Gegenwart hinaus vermitteln. Die Annahme, dass die ersten Sprecher bereits Geschichten erzählen konnten, ist vor diesem Hintergrund nicht unvernünftig.

Unsere Vorfahren waren Jäger und Sammler, die in Kleingruppen umherzogen und sich ihre Geschlechtspartner außerhalb der eigenen Gruppe suchten. Dabei müssen sie auf neue Sprachen gestoßen sein, und Kinder wuchsen mit mehr als nur einer Sprache auf. Unterbewusst wählten sie die nützlichsten Eigenschaften jeder dieser Sprachen und verfeinerten sie so. Als die Menschen vor 60.000 Jahren Afrika verließen, kommunizierten sie wahrscheinlich hauptsächlich durch Sprache und waren zu komplexer Ausdrucksweise fähig.1

Vor 60.000 Jahren war die Erde kalt und wurde noch kälter. Irgendwann bedeckten Gletscher einen Großteil Westeurasiens, und jenseits des Eises begann die baumlose Tundra. Die Menschen folgten ihrer Beute in wärmere Gebiete. So könnte das Erzählen von Geschichten zu einer überlebenswichtigen Fähigkeit geworden sein. Vor etwa 14.000 Jahren begannen die Gletscher zu schmelzen, und die Überlebenden zogen wieder in die freigelegten Regionen. Binnen weniger Jahrtausende begannen ihre Nachfahren im fruchtbaren Halbmond um Euphrat, Tigris und Unterem Nil, Pflanzen und Tiere eher zu züchten, als zu jagen. So erschlossen sie ganz neue Nahrungsmittel.

Am Vorabend der Revolution durch den Ackerbau lebten auf der Erde etwa zehn Millionen Menschen. Sie sprachen vielleicht 10.000 Sprachen, von denen jede höchstens 1000 bis 2000 Sprecher hatte. Dank neuer, durch den Ackerbau hervorgebrachter Energiequellen wuchsen die Gemeinschaften und mit ihnen ihre jeweiligen Sprachen. Wie Supernovas entstanden ganze Sprachfamilien. In diesem Zeitalter, dem Neolithikum oder der Neusteinzeit, ereignete sich eine linguistische Explosion: Nun wurden mehr Sprachen gesprochen als zu jeder anderen Zeit der Menschheitsgeschichte. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung könnten es bis zu 15.000 gewesen sein.

Sie waren natürlich nicht gleichmäßig verteilt. Wie wir Menschen selbst sammeln sich die Sprachen oder spalten sich auf. Eine Inselgruppe umfasste vielleicht so viele Sprachen wie Inseln. Für den Kaukasus, der von einem arabischen Geografen im 10. Jahrhundert auch als »Berg der Sprachen« bezeichnet wurde, beschreibt die Linguistik das Phänomen der vertikalen Mehrsprachigkeit: Menschen in höher gelegenen Orten kennen die Sprachen der weiter unten Lebenden, doch umgekehrt trifft dies nicht zu. Orte hoher linguistischer Diversität sind zugleich Orte hoher Biodiversität, weil diese Regionen mehr verschiedensprachige Gruppen aufnehmen können, die nicht auf andere Gebiete ausweichen müssen. Melanesien und Westafrika bieten Einblicke in die einstige weltweite Sprachenvielfalt und sind noch heute davon gekennzeichnet.

Sprachen passen sich also der bewohnbaren Landschaft an. Doch »bewohnbar« ist kein festes Merkmal, sondern es wird jeweils von der natürlichen Umgebung, dem Klima und der menschlichen Anpassungsfähigkeit definiert. Als das Klima sich änderte, zogen die Menschen weiter oder passten sich an. Ihre jeweilige Reaktion spiegelte sich in ihrer wandlungsfähigen Sprache. Als Bantu-Bauern vor circa 5000 Jahren aus...


Singh, Stephanie
Stephanie Singh, Jahrgang 1975, Übersetzerin von Elisabeth Badinter, Michel Onfray, Stephane Courtois, Yves Grevet, James Patterson.

Spinney, Laura
Laura Spinney, geboren 1971, ist eine preisgekrönte britische Wissenschaftsjournalistin und Romanautorin. Sie schreibt für den Guardian, Nature und den Economist. Ihr Buch 1918 – Die Welt im Fieber wurde in Deutschland zu einem Bestseller. Sie lebt in Paris.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.