Spieker | Im Alt singt jemand falsch | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 335 Seiten

Reihe: Piper Humorvoll

Spieker Im Alt singt jemand falsch

Roman
19001. Auflage 2019
ISBN: 978-3-492-98629-8
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 335 Seiten

Reihe: Piper Humorvoll

ISBN: 978-3-492-98629-8
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine chaotische Laienchorsängerin. Ein perfektionistischer Chorleiter. Ein charismatischer Tenor.Und eineanstrengende Großfamilie. Ein heiterer Roman für Chorsängerinnen und für alle, denen die liebe Familie manchmal zu viel wird.Die 27jährige Maja ist meistens zufrieden mit ihrem Leben: Ihre Arbeit im Jobcenter gefällt ihr, sie genießt die Treffen mit ihrer fröhlichen und unkonventionellen Großfamilie und sie freut sich jede Woche auf die Chorprobe, in der sie ihre besten Freunde trifft und mit dem schnuckeligen Tenor Tristan von Birkhain flirtet. Als der perfektionistische Dr. Wilhelm Heinrich die Leitung des Unichors übernimmt, ändern sich die Regeln im Chor und nach und nach gerät Majas ganzes Leben aus den Fugen. Aber vielleicht sind manche Veränderungen gar nicht mal so schlecht…
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Kapitel 1


»Wer sich nicht sicher ist, hält sich bitte erst mal zurück!«

Ein strenger Blick aus eisblauen Augen blitzte über den Konzertflügel und traf die ersten beiden Sitzreihen des Alts. Wenn Dr. Wilhelm Heinrich einen Missklang witterte, ging er der Ursache gnadenlos auf den Grund.

Im Alt wurde es mucksmäuschenstill. Nichts raschelte mehr, niemand tuschelte.

Obwohl Maja den Blick fest in ihre Noten heftete, spürte sie, wie alle Frauen um sie herum fünf Zentimeter kleiner wurden. Nur Regina, die neben Maja saß, drückte den Rücken durch. Bestimmt nickte sie Wilhelm zu und hatte ihre Mundwinkel missbilligend nach unten gezogen. Ja, das habe ich auch gehört, sollte dieses Nicken heißen. Ich selbst habe selbstverständlich richtig gesungen, aber leider haben die Idiotinnen um mich herum keinen Funken musikalisches Talent!

Konnte diese blöde Streberin nicht ein einziges Mal solidarisch sein? Maja verdrehte innerlich die Augen.

»Bitte noch einmal! Den gesamten Refrain, tutti. Diesmal sauber, wenn es geht.«

Dieses ständige Bitte könnte er sich auch sparen, dachte Maja. Er meint doch sowieso keine Widerrede.

Wilhelm hob die Arme und der Chor setzte brav ein. Maja sang so leise, dass sie sich selbst nicht mehr hörte, und dem Gesamtklang nach zu urteilen, gab es im Alt etliche, die es genauso machten. Nur Regina jubilierte selbstzufrieden und leider absolut lupenrein: »Thank you for the music«. Ja, sie konnte singen. Aber musste sie das bei jeder Gelegenheit raushängen lassen?

Komischerweise ließ Wilhelm den Alt nach diesem Durchgang erst mal in Ruhe. »Ganz gut«, kommentierte er den Refrain und nickte knapp in Reginas Richtung. »Wir werden das in der nächsten Probe perfektionieren.«

Maja hätte am liebsten gestöhnt. Das Wort »perfektionieren« kam in ihrem Wortschatz nicht vor. Sie ließ fünfe lieber gerade sein, schon allein, weil ihr meist auch gar nichts anderes übrig blieb. Selbst wenn sie sich mörderisch anstrengte: »Perfekt« schien in allen Bereichen ihres Lebens grundsätzlich außerhalb ihrer Reichweite zu liegen.

»Wir machen mit ›Africa‹ weiter«, verkündetet Wilhelm. Er spielte am Flügel die ersten Takte des Songs und wartete darauf, dass der Chor sich bereit machte.

»Jetzt wird der Tenor gequält«, raunte Diana Maja zu, während alle um sie herum hektisch ihre Chormappen durchwühlten. In Dianas und Reginas Mappen fanden sich lauter ordentlich gestapelte, glatte Notenblätter. Aus Majas Mappe fielen ein zusammengeknülltes Kaugummipapier und eine Haarspange. Sämtliche Notenblätter hatten Falten, einige Blätter waren so stark geknickt, dass sie sich kaum noch glatt streichen ließen. Als Maja endlich ihre »Africa«-Noten fand, stellte sie fest, dass Kaffeeflecken das Titelblatt zierten. Wie peinlich!

»Was hast du denn damit angestellt?«, fragte Regina spitz und deutete auf die braunen Ränder.

»Ich wollte mir mit Textmarker meine Stimme markieren, damit ich nicht mehr aus Versehen den Tenor mitlese«, flüsterte Maja. »Deshalb lagen die Noten ein paar Tage in der Küche.«

»Aber du hast nichts markiert«, stellte Regina fest.

»Nein, es kam irgendwie immer was dazwischen.«

»Aha.«

Maja wurde rot. Regina gab ihr grundsätzlich das Gefühl, eine hoffnungslose Chaotin zu sein. Regina konnte alles, wusste alles und sah noch dazu immer aus, wie aus dem Ei gepellt. Sie war unter Edeltraut Buschkempers Leitung die unangefochtene Königin des Alts gewesen und hatte immer alle Soli gesungen. Maja nahm an, dass Reginas Talent auch Dr. Wilhelm Heinrich längst aufgefallen war. Zumindest kassierte Regina auffällig oft ein zufriedenes Nicken von ihm.

Neuerdings setzte sie sich leider ständig neben Diana und Maja, weil ihre langjährige Sitznachbarin Isabell weggezogen war. Maja fühlte sich dadurch irgendwie kontrolliert. Andererseits: Sollte Regina doch sitzen, wo sie wollte. Majas entspannte Chorabende waren sowieso dahin, seit Dr. Wilhelm Heinrich den Chor übernommen hatte. Der Donnerstagabend, der immer der Lichtblick der Woche gewesen war, war neuerdings anstrengender als jeder Arbeitstag.

»Die Männerstimmen bitte. Takt neun«, forderte Wilhelm und gab den Tenören und Bässen die richtigen Töne.

Maja atmete leise auf und lehnte sich zurück. Diana hatte Recht, jetzt würde erst mal der Tenor gequält, die Frauen hatten Pause.

Eigentlich mochte Maja »Africa«, so wie sie fast alle Lieder mochte, die im Moment geprobt wurden. Und als der neue Chorleiter, Dr. Wilhelm Heinrich, in seiner ersten Probe verkündet hatte, sie würden auf ein »Back to the 80s«-Konzert hinarbeiten, hatte das nach Spaß und guter Laune geklungen. Der Jubel war groß gewesen. Aber inzwischen war die Stimmung deutlich erlahmt. Denn Wilhelm hatte dem Chor schnell klargemacht, dass es unter seiner Ägide nicht primär um Spaß ging, sondern darum, dass man in den Proben musikalische Ziele erreichte. Er ließ den Chor wieder und wieder die gleichen Takte singen, winkte ab, sobald etwas gut saß, und forderte ununterbrochen absolute Konzentration von allen. Schon wenn man in einer Arbeitsphase aus Versehen mit den Noten raschelte, brachte einem das grundsätzlich einen dieser strengen, eisblauen Blicke ein.

Sicher, er war ein fantastischer Musiker, spielte unglaublich gut Klavier und es hieß, dass ihm in Sachen Dirigat an dieser Uni niemand das Wasser reichen konnte. Aber auf all diese Eigenschaften legte Maja herzlich wenig Wert. Sie hatte keine musikalische Ausbildung genossen, sondern liebte vor allem das Gemeinschaftsgefühl, dass ihr das Singen im Unichor schon seit über acht Jahren vermittelte.

Edeltraut Buschkemper hatte den Chor mit mütterlicher Milde geleitet, man sollte mit einem breiten Lächeln aus den Proben gehen. Falsche Atmer oder unpräzise S-Absprachen hatten sie nie gestört.

»Maja? Wir warten!«, unterbrach Wilhelms Stimme ihre Erinnerungen an Edeltraut. Alle um Maja herum hatten ihre Notenblätter bereits gezückt. Mist, was hatte Wilhelm gerade gesagt? Hilflos blickte Maja zu Diana.

»Takt neun, tutti«, zischte Regina laut genug, dass Wilhelm es hören musste. Klugscheißerin! Regina war natürlich ganz begeistert von Wilhelm und wurde es nicht müde zu betonen, dass sie sich jetzt endlich mal gefordert fühlte. Maja konnte es nicht mehr hören.

Aber jetzt hob sie ihre Noten, lächelte Wilhelm halb verkrampft und halb entschuldigend an und atmete auf sein Handzeichen hin mit den anderen ein.

Nach vier Takten verzog Wilhelm den Mund und brach den Gesang ab.

»Leute, ihr klingt, als wäre euch das völlig neu – wir haben das beim letzten Mal doch sehr gründlich geprobt, besonders in den Männerstimmen. Wo ist das Problem!« Die Frage klang nicht wie eine Frage, sondern wie ein Vorwurf.

»Können wir den Tenor einfach noch mal machen?«, rief Tristan, der in der Mitte der ersten Reihe saß, fröhlich. »Ich war letzte Woche nicht da. Ich glaube, ich hab gerade im Bass mitgesungen.« Maja atmete tief ein und musste unwillkürlich lächeln. Möglichst unauffällig schielte sie durch die Reihen vor ihr zu Tristan. Und sie wurde nicht enttäuscht: Er sah mal wieder göttlich aus. In Jeans, T-Shirt und Lederjacke thronte er breitbeinig auf seinem Stuhl. Der Osterurlaub in Thailand hatte seinen halblangen, braunen Haaren ein paar sonnenblonde Strähnen hinzugefügt und seine sonst eher helle Haut schimmerte goldbraun, was seine Lachfalten auf eine sehr attraktive Art betonte.

Er sah aus wie ein Filmstar, fand Maja. Wie der Hauptdarsteller in einer romantischen Hollywood-Komödie. Leicht schräg stehende, braune Augen, wunderschöne, geschwungene Lippen, ein markantes Kinn … Gegen ihn konnten all die kleinen Studenten, die um ihn herum saßen, einpacken. Gegen Tristan von Birkhain waren alle Tenöre und Bässe im Unichor unscheinbare Milchbubis.

Alle Jahre wieder, genauer gesagt, immer, wenn Maja gerade Single war, brach ihre Schwärmerei für Tristan aus. Und diesmal hatte es sie besonders schlimm erwischt. Ihr entfuhr sogar ein leiser Seufzer, wenn sie daran dachte, was Tristan wohl alles mit seinen starken Händen …

Diana sah überrascht in die gleiche Richtung wie ihre Freundin und knuffte Maja in die Seite.

»Ungezogenes Mädchen«, wisperte sie in Majas Ohr. »Bist du dafür nicht zu alt?«

»Blödsinn«, wisperte Maja und rieb sich die Flanke, »für so ein Törtchen wird man nie zu alt, oder?«

Maja und Diana kicherten, was Regina veranlasste, wieder einmal ihr berühmtes »Pssssst!« abzusondern.

»Machen wir also alle Stimmen noch einmal einzeln.« Wilhelms Kiefer wirkte so angespannt, dass man jeden Moment erwartete, ihn mit den Zähnen knirschen zu hören. »Ich weise an dieser Stelle noch mal darauf hin, dass mir regelmäßige Teilnahme sehr wichtig ist. Wer öfter als drei Mal fehlt, singt das Konzert nicht mit. Behaltet das bitte im Hinterkopf.«

Wilhelm probte die Stelle nacheinander noch mal im Bass, Tenor, Alt und Sopran und ließ den Chor das Ganze schließlich ein zweites Mal tutti – also mit allen Stimmen – singen.

Diesmal war er zufrieden. »Schön gemacht«, lobte er. »Genau so will ich es haben!«

»Und ich dachte schon, ›ganz gut‹ wäre das höchste Lob, das du zu vergeben hast«, rief Tristan. Der ganze Chor lachte. Und Maja lachte so begeistert, dass es ihr einen weiteren Schubs von Diana eintrug.

Wundersamerweise lachte sogar Wilhelm mit. »Wartet nur ab. Wenn ihr endlich mal genau das umsetzt, was ich vorgebe, hab ich noch ganz andere Lobeshymnen auf Lager.«

»Raffiniert«, rief Lissi aus dem Sopran und plinkerte süß mit den Augen. »Und jetzt erwartest du wohl von uns, diesen fantastischen Lobeshymnen...


Spieker, Karin
Karin Spieker, Jahrgang 1976, lebt mit ihrem Mann und ihrer Katze Lotti bei Paderborn und ist Mutter eines erwachsenen Sohnes. Irgendwie geschrieben hat sie schon immer: In ihrer Kindheit waren es lustige Gespenster-Geschichten für die kleinen Geschwister, in der Jugend hat sie ausufernd Tagebuch geführt und seitenlange Briefe an die beste Freundin verfasst. Nach einem Studium der Literatur- und Medienwissenschaften arbeitete sie zunächst im PR-Bereich und als Werbetexterin, bevor sie sich hauptberuflich dem Schreiben widmete. Die Autorin hat mit einigen Romanen für Kinder und Jugendliche bereits Erfahrung als Selfpublisherin gesammelt. Außerdem schrieb sie Theaterstücke für Kinder und Erwachsene, die unter Pseudonym erschienen sind. Wenn sie nicht schreibt oder Freunde trifft, macht Karin Spieker Musik. Sie spielt seit früher Kindheit Klavier und Gitarre, außerdem singt sie in verschiedenen Ensembles und leitet einen evangelischen Kirchenchor.

Karin Spieker, Jahrgang 1976, lebt mit ihrem Mann bei Paderborn und ist Mutter eines erwachsenen Sohnes. Nach einem Studium der Literatur- und Medienwissenschaften arbeitete sie zunächst im PR-Bereich und als Werbetexterin, bevor sie sich hauptberuflich dem Schreiben widmete. Die Autorin macht seit früher Kindheit Musik. Sie spielt Klavier und Gitarre und singt in verschiedenen Ensembles. Außerdem leitet sie einen evangelischen Kirchenchor. In ihrem Chor gibt es aber keine Diven, keine Diskussionen um die richtige Chorkleidung und bei den bisherigen Chorwochenenden musste niemand im Keller schlafen. „Im Alt singt jemand falsch“ ist also völlig frei erfunden. Ehrlich!



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