Spiegel / Bürger | Gewaltverzicht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 28, 412 Seiten

Reihe: edition pace

Spiegel / Bürger Gewaltverzicht

Grundlagen einer biblischen Friedenstheologie

E-Book, Deutsch, Band 28, 412 Seiten

Reihe: edition pace

ISBN: 978-3-7693-9414-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Der vorliegende Band im Regal "Pazifismus der frühen Kirche" erschließt eine bibeltheologische Gesamtschau zum Themenkreis "Gewalt - Gewaltverzicht - Frieden". Unsere Neuedition des erstmals 1987 veröffentlichten Pionierwerks "Gewaltverzicht" von Egon Spiegel folgt ohne Änderungen der zweiten Auflage aus dem Jahr 1989. Der Verfasser arbeitet nicht nur die Tragweite des Gewaltverzichts Jesu heraus. Indem er der Frage nachgeht, warum sich Jesus jeder Gewaltanwendung enthalten hat, führt er in eine wenig bekannte alttestamentliche Theologie des Gewaltverzichts ein. Selbstverständlich setzt er sich dabei auch ausführlich mit der weitverbreiteten Vorstellung eines gewalttätigen Gottes auseinander. Im dritten Hauptkapitel wird gewaltfreies Handeln in der Reich-Gottes-Perspektive erklärt. Das zentrale Fazit der Untersuchung: Gebrauch und Einsatz von Gewalt sind atheistisch. Wo immer Gewalt angewandt wird, da wird nicht mit Gott als einer lebensfördernden Macht gerechnet, ja wird ein Eingreifen Gottes dadurch verhindert, dass die Konfliktpartner die Lösung des Konflikts eigenmächtig in allein ihre Hand zu nehmen versuchen. Umgekehrt ist es das Ziel der gewaltfreien Aktion, einen von Gewalt und Gegengewalt freien Raum der politischen Auseinandersetzung zu schaffen, in dem göttliche Dynamik schalom-stiftend wirksam werden kann. edition pace. Regal: Pazifismus der frühen Kirche 3. Herausgegeben von Peter Bürger. In Kooperation mit: Lebenshaus Schwäbische Alb, Ökumenisches Institut für Friedenstheologie.

Egon Spiegel, Dipl.-Theol. (Universität Freiburg i.Br.), Dipl.-Pol. (Universität Marburg), Ausbildung zum Pastoralreferenten (Diözese Fulda), theologische Promotion in Christlicher Gesellschaftslehre (Universität Freiburg i.Br.), theologische Habilitation mit Venia legendi für Religionspädagogik (Universität Münster), Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Religionspädagogik des Instituts für Katholische Theologie und ihre Didaktik der RWTH Aachen, Wissenschaftlicher Assistent im Institut für Lehrerbildung der Universität Münster, Lehrkraft für besondere Aufgaben im Institut für Lehrerbildung der Universität Münster, Lehraufträge an den Universitäten Köln, Siegen, Gießen, Professor für Religionspädagogik in der Philosophischen Fakultät der TU Dresden, Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Theologie: Religionspädagogik und Pastoraltheologie in der Universität Vechta, zwischenzeitlich Titularprofessor der Ermländisch-Masurischen Universität in Olsztyn/Polen, Visitingprofessor der Cyber University in Seoul/Südkorea, Rufe an die Universitäten Wien und Luzern, seit der Pensionierung Advisory Professor am UNESCO-Lehrstuhl für Friedenswissenschaft der Nanjing University, Nanjing/China. - Als einer der Pioniere der kritischen Friedenswissenschaften: zahlreiche Publikationen zur Friedenserziehung und Friedensarbeit, seit den 1970er Jahren aktiv in antimilitaristischen und pazifistischen Bewegungen,1974 wegen seiner Totalverweigerung (Zivildienst "Kriegsdienst ohne Waffen") in einem Aufsehen erregenden Prozess zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt und inhaftiert. Friedenswissenschaftlich international vernetzt mit Projekten in den USA, Asien und Afrika.
Spiegel / Bürger Gewaltverzicht jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1 | Umfang des Gewaltverzichts Jesu
Jesu Gewaltverzicht hinsichtlich seines Umfanges in den Blick zu bekommen, ist angesichts der Quellenlage und des großen zeitlichen Abstandes kein unproblematisches Unterfangen. Selbstverständlich heißt es dabei, die Ergebnisse der historisch-kritischen Exegese aufzugreifen, was freilich nicht ausschließen muß, sich in die Existenz Jesu, d. h. hier sein Ringen um den rechten Weg in den Auseinandersetzungen mit den religiösen und politischen Kräften seiner Zeit, einzufühlen. Das Profil Jesu, die Konturen seines gewaltfreien Handelns erschließen sich – das unterstreicht auch die Vielfalt der zitierten Beiträge – im Geltenlassen, mehr noch in der einander ergänzenden Zusammenführung unterschiedlichster Entdeckungsversuche. Eine historisch völlig abgesicherte Wiedergabe des Verhaltens Jesu wird es niemals geben und braucht es auch niemals zu geben: der geglaubte, kerygmatische Jesus ist zugleich auch der irdische, historische Jesus, wie umgekehrt der historische Jesus als vor allem der geglaubte zur Überlieferung Anlaß gibt. Natürlich ist dabei auch die Unterscheidung von jesusechten Worten bzw. Taten und sogenannten Gemeindebildungen35 und – damit verbunden – die interessante und reizvolle Frage nach dem historischen Jesus36 angezeigt. Um jedoch nicht in dem weiten Feld der dadurch aufgeworfenen (Vor)fragen stecken zu bleiben, wird dem hier nur exemplarisch und nicht durchgängig entsprochen. Das Bild des historischen Jesus mag von den Verfassern und Redaktoren der neutestamentlichen Schriften verschiedentlich verzeichnet sein, indes niemals so verzerrt, daß dadurch das Anliegen Jesu verdunkelt oder gar verraten wäre. Der geglaubte Jesus der nachösterlich entstandenen schriftlichen Zeugnisse ist auch ein Spiegelbild des historischen, mehr noch: eine dichte Wiedergabe jesuanischen Profils. Die Inkaufnahme einer mehr verschwommenen Sicht des historisch wahren Wirkens Jesu, die z. T. unkritische Hinnahme vielfältiger, situations- und auseinandersetzungsbedingter Einfärbungen37 halten freilich dazu an, wo immer im folgenden vom Gewaltverzicht Jesu die Rede ist, ergänzend mitzudenken: im Zeugnis seiner ersten Jünger, in der Wiedergabe der Evangelisten. Um es abschließend noch einmal zu betonen: so sinnvoll die angedeuteten Differenzierungen sind, hier würden sie, streng durchgehalten, den Versuch einer Orientierung in der Gewaltfrage, ausgehend vom Beispiel Jesu, eher behindern als fördern. Nach Jesu Verhältnis zur Gewalt fragen heißt auch, nach dem der ersten Gemeinden (in denen die schriftlichen Glaubenszeugnisse entstanden sind) fragen. Darin sauber unterscheidende Detailuntersuchungen bleiben reizvoll und sind überaus wünschenswert; hier können sie nicht geleistet bzw. nicht in jedem Fall referiert werden. Mit diesen Einschränkungen gilt es nun, in einem ersten Kapitel nach Umfang und Tragweite des Gewaltverzichts Jesu zu fragen, um in den beiden darauffolgenden Kapiteln (2 und 3) die Gründe und Absichten seines Verhaltens so herauszuarbeiten, daß daraus Verhaltenskriterien ableitbar sind, die zu einem eigenständigen, über eine bloße Nachahmung hinausreichenden Gewaltverzicht befähigen. 1.1 | „… gehorsam bis zum Tod“ Aus dem Martyrium wächst Leben. Der Anblick des Leidens verwandelt. Um die Verkrustung eines Herzens aufzubrechen, um einen Gesinnungswandel herbeizuführen, ist manchmal das äußerste geboten: das Opfer des Lebens unter Verzicht auf Gewalt. „Nur das Kreuz, nicht das Schwert, besiegt die Welt und die Hölle.“38 Wenn den Verstockten mit den besten Worten nicht beizukommen ist, kann ein Leiden unter bewußtem Verzicht auf Gegengewalt zu einer Notwendigkeit werden, das bereitwillige Todesopfer zu einem „Muß“ (vgl. Lk 24,46; Mt 26,53f).39 So fragt denn auch die urchristliche Gemeinde in ihrem Bemühen, den Tod Jesu zu verstehen: „Mußte nicht der Messias all das erleiden, …?“ (Lk 24,26) Oder hätte Jesus seinen Leidensweg doch besser und zur rechten Zeit verlassen sollen? Petrus tritt nicht zum erstenmal als advocatus diaboli, als Anwalt des scheinbar Gebotenen auf, wenn er bei der Gefangennahme Jesu mit dem Schwert zuschlägt und dadurch Jesu Weg noch kurz vor dem Ende zu verbauen droht (vgl. Joh 18,10 und Mk 8,31-33). Jesus verbittet sich jedoch diese Art von „Nothilfe“: „Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat – soll ich ihn nicht trinken?“ (Joh 18,11)40 Noch steht, nachdem alle anderen Mittel (wie Beispiel, Gespräch, Belehrung usw.) erschöpft sind, das letzte, das Opfer seines Lebens, aus. Durch alle menschliche Todesangst hindurch entscheidet sich Jesus zur Passion,41 Gipfelpunkt seines Lebens und Wendepunkt vor allem im Leben seiner Gemeinde: die sich im letzten Augenblick von ihm abgewandt hatten, die ihre alte Freundschaft mit ihm geleugnet hatten, die „rennen“ jetzt zum Grab, einer schneller als der andere (vgl. Joh 20,4). Den Emmaus-Jüngern „gingen die Augen auf, und sie erkannten ihn“, schreibt Lukas (Lk 24,31). Jetzt bricht mit Macht die Wahrheit herein, und es wird Wirklichkeit, was Jesus verkündet hat: Gottes Reich in dieser Welt, exemplarisch verwirklicht in der Pfingstgemeinde. „Wahrlich, das war Gottes Sohn!“ (Mt 27,54) bekannten schon der Hauptmann und die Männer, die den Gekreuzigten zu bewachen hatten; wie von einem Erdbeben erschüttert sind sie durch seinen Tod (vgl. Mt 27, 51.54f). Leiden unter Verzicht auf Gegengewalt kann verstehen helfen. Sodann befreit es, weil es die erlittene Gewalt für immer aus der Welt schafft: Der Gottessohn „erlöste die Menschen dadurch, daß er ihre bösen Taten sich bis zu ihrem perversen Höhepunkt entwickeln, aber nicht mehr auf die Täter zurückfallen ließ. Nachdem sie ihre innersten Begierden auf Jesus entladen hatten, konnte vom Getöteten und Auferweckten her eine Liebe in ihr Innerstes zurückflie-ßen, die sie in keiner Weise mehr vergewaltigte. Was keine menschliche Phantasie hätte ersinnen können, trat ein: das Gesetz der Vergeltung wurde zum Gesetz der erlösenden Liebe. Der Fluch wurde mit Segen vergolten. Der Verschwörung des Hasses antwortete die verströmende Liebe.“42 Das Samenkorn muß in die Erde fallen und vergehen, damit neue vielfältige Frucht daraus hervorwachsen kann (vgl. Joh 12,24). Jesu Tod ist die „Geburtsstunde der gewaltfreien, neuen Gesellschaft des Volkes Gottes im Neuen Bund“.43 Ein neuer Anfang ist gemacht.44 Am Kreuz gibt Jesus sein deutlichstes Zeugnis des Gewaltverzichts.45 Hier „ist die Methode des Nichtwiderstrebens völlig und endgültig veranschaulicht“.46 Im Martyrium des Kreuzestodes sind die Forderungen des Dienstes und der Feindesliebe bis zur letzten Konsequenz durchgehalten.47 Über die Inhalte seiner „Reich Gottes“-Botschaft in den Konflikt mit den Verteidigern des Status quo geraten, läßt sich Jesus – selbst angesichts drohender Todesstrafe – nicht zur Gewaltausübung hinreißen. Nicht „auf einem Schlachtfeld, sondern an einem römischen Kreuz“ führt Jesus bezeichnenderweise seine messianische Aufgabe ans bittere Ende.48 Seiner „Linientreue“ wegen mußte er ans Kreuz oder, wie es ein alter Christushymnus sagt, weil er „gehorsam“ war (vgl. Phil 2,7f). Weil er sich „in einen absoluten Konflikt mit der religiös-politischen Gesellschaft“ gesetzt hatte, verlor Jesus sein Leben durch einen Mord.49 Weil er diesen Mord unter Gewaltverzicht annahm, konnte daraus neues Leben entstehen: bald danach („am dritten Tage“) wurde er auferweckt, wie die urchristliche Gemeinde nicht zuletzt durch ihre Neukonstituierung bezeugt.50 1.2 | „… nicht gekommen, Menschen zu vernichten, sondern zu retten“ Daß Jesu bereitwilliges Sterben am Kreuz auf dem Horizont seines gewaltfreien Umgangs mit den Menschen zu sehen und zu verstehen ist, zeigt sich in folgender Begebenheit: Auf dem Weg nach Jerusalem wird Jesus und seinen Jüngern in einem samaritanischen Dorf die Beherbergung verweigert. Seine Jünger sind darüber sehr aufgebracht und fragen ihn: „Herr, sollen wir befehlen, daß Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet?“ (Lk 9,54). Doch Jesus wehrt, wie es heißt, entschieden ab: „Da wandte er sich um und wies sie zurecht (und sagte: Ihr wißt nicht, was für ein Geist aus euch spricht. Der Menschensohn ist nicht gekommen, um Menschen zu vernichten, sondern um sie zu retten).“ (Lk 9,55) Mit der folgenden lapidaren Mitteilung endet schließlich der Text: „Und sie gingen zusammen in ein anderes Dorf.“ (Lk 9,56) Jesus akzeptiert diesem Text zufolge, daß er nicht aufgenommen wird. Er verläßt das Dorf, um in einem anderen nach Unterkunft zu fragen. Jesus drängt sich nicht auf. Er respektiert die Freiheit des Menschen auch unter Inkaufnahme ihrer Schattenseite, hier der Ablehnung...


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.