E-Book, Deutsch, 384 Seiten
Sperry Passion Project
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7517-7520-5
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman. Eine wunderbare Sad-Girl-meets-Sunshine-Liebesgeschichte
E-Book, Deutsch, 384 Seiten
ISBN: 978-3-7517-7520-5
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine berührende Geschichte über die Suche nach dem besonderen Funken
Mittzwanzigerin Bennet ist nach New York gezogen, um über den Verlust ihrer ersten Liebe hinwegzukommen, aber nun fühlt sie sich orientierungslos und ohne Zukunft. Als sie nach einem schief gegangenen Date den fast schon nervtötend optimistischen Henry trifft, macht sie ihm ein alkoholgetränktes Geständnis: Es ist Jahre her, dass sie sich für etwas begeistert hat. Henry ruft spontan das »Passion Project« ins Leben. Er wird Bennet helfen, eine neue Leidenschaft zu finden. Als Freunde, versteht sich. Die beiden probieren vom Tätowieren bis hin zum Erklimmen von Wolkenkratzern fast alles aus. Allmählich bemerkt Bennet jedoch, dass ausgerechnet Henry ihr Herz höherschlagen lässt. Aber ist sie wirklich schon bereit für eine neue Liebe?
London Sperry hat an der Universität von Pennsylvania Kunst studiert und danach einige Jahre eine Schauspielkarriere verfolgt, bevor sie ihre Leidenschaft fürs Schreiben wiederentdeckte. 2023 hat sie außerdem einen Abschluss in Öffentlichkeitsarbeit gemacht und arbeitet als Eventmanagerin im Bundesstaat New York.
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Kapitel 1
Schuld waren nur die Spaghetti carbonara.
Ich setze mich auf die Fersen, versuche, dabei nicht umzukippen und mir den Kopf an der Toilettenwand zu stoßen oder am Rand der grünen Toilettenschüssel vor mir, was noch übler wäre. Dean Martins Stimme säuselt aus den Lautsprechern, eine peinliche Erinnerung daran, wo ich mich gerade befinde – in der Toilette eines kleinen italienischen Restaurants auf der Lower East Side. Und ich habe mir gerade die Seele aus dem Leib gekotzt wie früher auf dem College. Ich wische mir das Kinn ab, drücke die Spültaste und erschrecke, weil der Raum zu schwanken beginnt, als wäre ich seekrank.
Ich habe gelogen. Schuld war nicht wirklich die Pasta. Es war der Wein. Die zweieinhalb Flaschen Côtes du Rhône, die ich in mich hineingekippt habe, als wäre ich eine der Frauen aus der Serie Real Housewives. Wer zum Teufel hat mir bloß eingeredet, dass ich mir das leisten könnte? Ein einziger Blick auf mein Bankkonto würde mich mit Sicherheit wieder zum Kotzen bringen.
Ich kneife die Augen zusammen und lasse den Kopf in die Hände sinken. Es kommt mir vor, als hätte mein Magen gewusst, dass er sämtliche Beweise dieses abendlichen Desasters aus meinem Körper herausschaffen musste.
Mein Date ist vermutlich schon vor Stunden gegangen. Sicher bin ich mir aber nicht. Ich habe seine Nummer bereits blockiert. Wir wollten uns eigentlich auf der anderen Straßenseite im Rosencrantz & Guildenstern treffen, einer Cocktailbar, in der Gäste lernen, wie sie ihre eigenen Cocktailkreationen mixen können, um diese dann den ganzen Abend zu verkosten. Auf Instagram warb die Bar mit Maple Manhattans mit in Bourbon eingelegten Kirschen, Mezcal Palomas mit gerösteten Grapefruitspalten und Matcha Martinis mit Mangohonig. Mit anderen Worten, für jemanden wie mich, die ich die Angst eines Therapie-Wartezimmers mit mir herumschleppe, der perfekte Ort für ein erstes Date. Man kann Augenkontakt vermeiden, die Konzentration ganz auf den Barkeeper-Schrägstrich-Seminarleiter richten und sich anschließend betrinken, um das Ganze bis zum nächsten Morgen zu vergessen.
Meine Mitbewohnerin und älteste Freundin Sonya hatte diesen Abend organisiert, und ich gebe zum Teil ihr die Schuld an diesem Desaster. Sonya hatte alles genau geplant – den Typen, die Location, den Tag, die bis auf die Minute genaue Zeit und auch mich. Sie hatte Fotos von meinen Social-Media-Accounts herausgesucht und daraus eine Art Dating-Profil zusammengeschustert. Ich muss zugeben, dass ich beeindruckt war, als ich zum ersten Mal einen Blick darauf geworfen hatte. Auf dem Bildschirm sehe ich aus wie eine strahlende fünfundzwanzigjährige Frau, die bereit ist, ihr Leben in Angriff zu nehmen.
Oh, wie überaus irreführend.
Henry hatte mein viertes Foto gelikt, auf dem ich Sonya am Tisch gegenübersitze. Aufgenommen an einem der Abende, an denen ich mal nicht zu deprimiert gewesen war und zugelassen hatte, dass sie mich zum Abendessen hinauszerrte. Ich grinse darauf. Es ist sogar ein breites Grinsen. Vor mir steht eine riesige Schüssel mit Guacamole. Ich sehe glücklich aus.
Lügnerin.
Sonya erklärte mir beharrlich, dass es genau das wäre, was ich bräuchte, um aus meiner Krise herauszukommen. Genau dieser Typ. Ich brachte es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass es keinen Typen auf der Welt gebe, der mich in Versuchung führen könnte, mich in ihn zu verlieben. Nicht mal, wenn es der schwedische Boyfriend aus Mamma Mia! 2 wäre oder der englische Boyfriend aus Mamma Mia! 2. Oder der andere englische Boyfriend aus Mamma Mia! 2. Nicht mal dann.
Henry ist sowieso nicht wirklich mein Typ. Sein Profil war nichts Besonderes. Ein Schnappschuss von ihm mit ein paar Freunden auf einer Hochzeit, ein weiterer beim Klettern, ein scheinbar ohne sein Wissen aufgenommenes Foto auf einem Berggipfel mit einer Kamera um den Hals.
Ich habe die Augen verdreht, als ich es sah. Ich bin alles andere als ein Outdoor-Fan.
Auf seinen Fotos konnte ich erkennen, dass er verwuschelte walnussbraune Haare hat und ein verschmitztes Lächeln. Seine Augen hinter der Nickelbrille sind waldgrün. Das weiß ich, weil Sonya bis zu seinen Augäpfeln heranzoomte und fragte: Hast du eine Ahnung, wie selten so grüne Augen sind, Bennet?
Ich hatte mich darauf eingelassen, mit Henry auszugehen, weil er mir eine sichere Wahl zu sein schien. Offenbar hatten wir nicht viel gemeinsam, außer, dass wir zur selben Zeit in derselben Stadt wohnten. Aber aus seinen wortreichen Antworten auf die Fragen in seinem Profil schloss ich, dass er in der Lage sein würde, eine Unterhaltung zu führen, selbst wenn ich nicht dazu imstande wäre. Die Gelegenheit zu lächeln und zu nicken, ohne den Druck, über mich selbst reden zu müssen, kam mir entgegen. Im Grunde schien er ganz nett zu sein. Nicht mehr und nicht weniger. Sein Profil sagte mir, dass er mich höchstwahrscheinlich nicht umbringen würde und es noch unwahrscheinlicher wäre, mich in ihn zu verlieben.
Sonya gab sich alle Mühe, mich aufzuhübschen. Sie suchte Klamotten für mich aus, schminkte mir die Augen, sprühte mir ein teuer aussehendes Parfüm auf den Hals, das nach kandiertem Apfel duftete, und dabei dröhnte die ganze Zeit ABBA aus ihrem Handy. Als es dann so weit war, schubste sie mich aus der Tür, als ob sie mich ohne Fallschirm aus einem Flugzeug stoßen würde.
Sie meint es gut, das weiß ich, aber ist es wirklich zu viel verlangt, in Ruhe gelassen zu werden? Ich bin doch nicht ihr Projekt. Ich bin ihre Mitbewohnerin.
Und ich hatte recht. Ich schaffte es einfach nicht. Als ich mich schließlich für mein Date zur Bar geschleppt hatte, erstarrte ich. Ich stand dort vor der Tür, geriet in Panik, und die Straße um mich herum schien immer näher auf mich zuzukommen. Was, wenn er nicht an mir interessiert ist? Oder ich nicht an ihm? Oder mir nichts einfällt, was ich sagen kann. Was, wenn er mich hasst? Oder viel schlimmer noch … wenn er es nicht tut? Ich presste meine Nase ans Fenster, um einen Blick auf ihn zu erhaschen. Wenn ich ihn einfach mal sehen könnte, seine Eigenarten beobachten könnte, dann wäre ich vielleicht nicht so verdammt panisch. Aber ich sah nur Pärchen. Überall Pärchen. Die sich auf Wangen küssten, unter den Tischen Händchen hielten, Cocktails aus demselben Glas tranken. Ich versuchte mir vorzustellen, Teil eines dieser Pärchen zu sein. Versuchte, so zu tun, als ob es nicht total falsch wäre.
Ich hätte schon genau in diesem Moment wissen müssen, dass dieser Abend mit dem Kopf über der Kloschüssel enden würde, denn mir kam bereits da die Galle hoch.
Ich klappte auf dem Bürgersteig zusammen, auf ausgespuckten Kaugummis und Zigarettenkippen. Ich brachte weder einen tiefen Atemzug noch irgendeinen zusammenhängenden Gedanken zustande, während die Welt um mich herum erzitterte und in Schieflage geriet. Ich konnte nur noch meine Knie an die Brust ziehen und abwarten, bis es vorüber war, meine Finger aufhörten zu kribbeln und ich aufstehen konnte, ohne gleich wieder umzukippen. New York hielt nicht einen einzigen Moment an, machte sich nicht einmal die Mühe, dem Mädel auf dem Bürgersteig mit dem Kopf zwischen den Knien mehr als nur einen einzigen Blick zu schenken. Vermutlich war es das Uninteressanteste, was die Leute, die an mir vorüberliefen, am heutigen Tag gesehen hatten. Ich konnte fast ihren inneren Monolog hören, als sie an mir vorbeihasteten. Nervenzusammenbruch auf dem Bürgersteig? Na und?
Ich konnte mich unmöglich mit Henry treffen. Ich brachte es einfach nicht fertig. Also schlich ich über die Straße zum L’Italiano hinüber und setzte mich dort an den Tresen, um meine Panikattacke wegzutrinken. Wahrscheinlich hält er mich für ein Arschloch. Und er hat vermutlich recht.
Wieso passiert mir das bloß immer wieder? Wieso kann ich nicht normal sein?
Die Dates von normalen Menschen enden mit einem Gute-Nacht-Kuss, nicht mit einer Kotzorgie in den Toilettenräumen eines netten Restaurants.
Ich sollte mich zusammenreißen, bevor noch jemand einen Krankenwagen ruft. Mir brummt der Schädel, als ich mich vom Fliesenboden aufrappele und versuche, vor dem Marmorwaschbecken stehen zu bleiben. Zu meiner Überraschung erblicke ich nicht mein Spiegelbild, sondern eine weiße Backsteinwand, auf der in schwarzer Farbe das Wort Bellissima! geschrieben steht. Die unterschwellige Botschaft lautet: Mach dir keine Gedanken darüber, wie du aussiehst! Geh raus und genieße dein Leben! Sei nicht eitel! Das ist wie in diesen schrecklichen Coffeeshops, in denen es kein Wi-Fi gibt, weil sie wollen, dass du dich mit anderen Leuten unterhältst, anstatt auf irgendein Gerät zu starren. Folter. Ohne einen Spiegel in Sicht verdrehe ich die Augen und öffne die Kamera-App auf meinem Handy. Von wegen Belissima!
Mein Eyeliner hat es auf magische Weise geschafft, nicht zu verschmieren, aber da ist nur noch eine dünne Linie aus schweißigem Lidschatten übrig, der sich in die Falte meiner Augenhöhle gesetzt hat. Die Foundation, die ich benutzt hatte, um meine Sommersprossen zu überschminken, ist nahezu verschwunden, und mein dunkelbraunes Haar sieht aus, als hätte ich es mit einem Laubbläser gestylt. Ich trage einen kinnlangen Bob, damit ich mir keine großen Gedanken um meine Frisur machen muss. Das funktioniert auch meistens gut, aber heute wünschte ich, ich könnte mir die Haare zu einem Dutt knoten, um meinen verschwitzten Nacken zu lüften. Da ist ein kleiner beiger Fleck auf dem Kragen meiner...




