E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: GU Mind & Soul Einzeltitel
Sperlich Wenn du kein Problem hast, mach dir eins!
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8338-7470-3
Verlag: GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Warum unsere grauen Zellen Herausforderungen brauchen – und wie wir damit glücklich werden
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: GU Mind & Soul Einzeltitel
ISBN: 978-3-8338-7470-3
Verlag: GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. med. Franz J. Sperlich ist Arzt und Experte für angewandte Neurowissenschaften. Neben der Tätigkeit in seiner Praxis für integrierte Medizin in Lilienthal bei Bremen tritt er international als Keynotespeaker auf: Es gelingt ihm hervorragend, komplexes Wissen verständlich, bildhaft und fesselnd zu vermitteln. Dank seiner Erfahrungen als Arzt wie als Trainer weiß er, wie groß der Wunsch vieler Menschen ist, in unserer schnelllebigen Zeit den Weg zurückzufinden in ein glücklicheres, entspannteres und stressärmeres Leben. www.dr-med-sperlich.de
Autoren/Hrsg.
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Impressum
Wie jetzt? Ein Ratgeber, der Probleme empfiehlt?
Ein Wort zuvor
Problemlos glücklich? Kannste vergessen!
Probleme sind Auszeichnungen
Mach deine Probleme größer!
Wähle deine Probleme, sonst wählen sie dich
Nutz deine Probleme, um deine Ziele zu erkennen
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Der Autor
Problembeladen glücklich 1: Probleme sind Auszeichnungen
Du hast viele Probleme? Dann sieh es doch mal so: Mit jedem Problem sagt dir das Leben, dass du es draufhast. Dass du in der Lage bist, mit Schwierigkeiten umzugehen. Aber auch, dass es dich und dein Gehirn dringend für die weitere Evolution braucht. Das Leben zählt auf dich!
Es läuft nicht, wie du willst? Super!
»Probleme sind die Medaillen, die dir die Evolution verleiht.«
AUTOR UNBEKANNT
Es gibt eine Tatsache, die wir über unseren Problemen ganz oft vergessen: Sie sind ein Gütesiegel für uns. Wenn etwa ein Arzt morgens in sein Wartezimmer guckt und dort vierzig Patienten sitzen sieht, dann kann er stöhnen und sich genervt denken, dass er wieder keine Mittagspause haben wird. Er kann aber auch sagen: »Wow, vierzig Leute wollen von mir behandelt werden! Die warten alle, um mit mir sprechen zu dürfen. Was für eine Anerkennung!« Auf dieser Basis kann er dann den nächsten Gedanken lenken: »Ja, es ist gut was los, und ich möchte das beste Ergebnis für alle Beteiligten erreichen. In drei Stunden sollen alle gut versorgt wieder zu Hause sein.«
Seine Einstellung und seine Energie ändern sich erheblich – obwohl immer noch vierzig Leute warten. Und mit dieser Haltung ändert sich dann auch etwas im Umfeld, denn der Arzt wird ruhiger und entspannter sein, und das überträgt sich auch auf sein Team und die Patientinnen und Patienten. Nicht umsonst sagt man: »In der Ruhe liegt die Kraft.«
Wenn du Probleme hast, ist das eine Auszeichnung, die das Leben dir verleiht. Natürlich sind sie auch zuweilen lästig. Ein volles Wartezimmer oder ein überbordender Schreibtisch können lästig sein. Kinder zu haben, ist oft furchtbar lästig. Und zugleich oft unsagbar schön. Auf jeden Fall aber ist es eine Auszeichnung, denn fast alle Probleme bekommen wir nur, weil wir alle vorherigen gelöst haben. Das qualifiziert uns dafür, uns auch den aktuellen zu stellen.
Ein Merkspruch, der gegen unsere automatisch oft negativen Interpretationen hilft, lautet: G.?N.?A.?D.?E. – Glaube nicht allen deinen Eingebungen!
Dass wir gern nur die eine Seite der Medaille sehen (die lästige), liegt daran, dass unser Gehirn versucht, Schwarz oder Weiß zu erzeugen, denn es ist schwer auszuhalten, dass die Dinge »sowohl als auch« sind. Aber ein und dieselbe Situation oder Sachlage ist immer sowohl schwarz als auch weiß – je nach Blickwinkel. Wir haben die Deutungshoheit. Wir können auf das Schwarze starren – und damit problematisieren oder gar katastrophisieren – oder eben auf das Weiße blicken.
Letzteres tut unser Arzt im zweiten Fall, wenn er die Herausforderung annimmt: Er lässt die negative Interpretation weg. Das heißt, er verknüpft nicht die Tatsache, dass vierzig Leute in seinem Wartezimmer sitzen, mit der Schlussfolgerung, dass ihn das wieder die Mittagspause kosten wird. Das erste ist ein Fakt, das zweite eine Interpretation, eine Möglichkeit, die überhaupt nicht eintreffen muss. Zu sehen, dass es verschiedene Sichtweisen gibt, ist der erste Schritt hinein in einen souveränen Umgang mit den eigenen Problemen.
Kein Schönreden
Es geht nicht darum, sich Schwierigkeiten rosa anzumalen und so zu tun, als wären da gar keine Hügel oder Berge, über die wir müssen. Vielmehr ist es wichtig, die eigenen Prognosen zu hinterfragen. Würden wir uns alles nur schönreden, schöpften wir auf Dauer keine Energie aus einer positiven Sicht, sondern merkten irgendwann, dass wir uns selbst betrügen.
Wenn es unserem Arzt mit seinem vollen Wartezimmer regelmäßig nicht gelingt, die Patienten in einem sinnvollen Zeitraum zu versorgen, dann hat es keinen Sinn, wenn er sich jeden Morgen sagt: »Super, dass so viele Patienten da sind. Ich freue mich, was für eine Anerkennung!« Wenn etwas nicht zu schaffen ist, dann ist es sinnvoll, aus einer positiven Haltung heraus einen neuen Weg zu suchen. Die Auszeichnung hat er bereits bekommen: Viele Menschen wollen seine Unterstützung. Um die geben zu können, braucht er wahrscheinlich eine andere Praxisorganisation. Ich habe Ärzte erlebt, die nach Jahren von Dauerstress einen Abstellraum in der Praxis zu einem zusätzlichen Behandlungsraum umbauten – und plötzlich lief es, weil die Arbeitsabläufe dadurch effektiver ineinandergriffen. Aber auf diese Idee konnten sie jahrelang nicht kommen, weil sie im Problemstress gefangen waren. In einer Opferhaltung. Und der erste hilfreiche Schritt war es, das Problem als das anzusehen, was es war: eine Auszeichnung für ihre Leistungen. Sie konnten so das Problem öffnen und bewusster und sinnvoller bearbeiten.
Probleme öffnen
Es gibt große und kleine Probleme. Vor allem aber gibt es geschlossene und offene Probleme. Geschlossene Probleme haben im Gehirn schon ein sich selbst verstärkendes Netzwerk an Neuronen gebildet. Wann immer entsprechende Reize – eine Bemerkung, eine rote Ampel, oder eben ein volles Wartezimmer – von außen auftauchen, wird dieses Netzwerk wieder aktiviert und unterhält sich so selbst, ja festigt sich sogar noch. Wie in einem Motodrom ziehen dann die Gedanken Kreise, immer schneller und schneller. In solchen Fällen ist es wichtig, die Probleme erst einmal wieder zu »öffnen«, sich also einen Ausgang aus dem Gedankenkarussell zu erschließen. Genau das bietet dir letztlich jedes Kapitel in diesem Buch.
Probleme funktionieren in gewisser Weise wie Ängste. Wir wollen sie nicht haben, wehren sie ab und verstärken sie genau dadurch. So wie wir Angst vor der Angst haben können, haben wir auch häufig ein Problem mit unseren Problemen – mit denen, die real da sind, und mit denen, die uns möglicherweise eines Tages heimsuchen könnten. In diesem Setting empfinden wir uns als Opfer und wenig selbstwirksam.
Impuls
Mir ist sehr wichtig, dass du nicht einfach glaubst, was ich hier erzähle. Untersuche und überprüfe es in deinem eigenen Leben und in deinem Umfeld. Erst dadurch wird es wertvoll für dich und anwendbar. Um hinter das Geheimnis der Auszeichnung zu kommen und so zum »Problemöffner« zu werden, kannst du wie folgt Schritt für Schritt vorgehen.
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Schreib ein paar Probleme jeweils auf ein Blatt Papier, noch besser: jeweils auf eine Seite in ein Notizbuch. Wichtig: Schreib so objektiv wie möglich, lass also alle Wertungen weg. Es hilft, wenn du eine Beobachterposition einnimmst und »die Szene« mit dir als Akteur beschreibst statt aus deiner Perspektive.
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Notiere nun unter jedes Problem: Inwieweit ist es eine Auszeichnung? Welche Kompetenzen erwartest du oder erwarten andere von dir?
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Überlege und notiere, was du einem anderen als Beobachter raten würdest. Schreibe auch das auf.
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Du kannst die Liste jederzeit modifizieren, wenn dir ein neues Problem, eine neue Auszeichnung oder auch ein Lösungsansatz einfällt. Wenn du ein Notizbuch verwendest, entsteht so ein Logbuch deiner Entwicklung.
Du bist zu gut für den Normalbetrieb
Die meisten von uns haben eine viel größere Problemlösekapazität, als wir sie im Alltag brauchen und vor allem einsetzen. Oder anders auf den Punkt gebracht: Wer viele Probleme hat, hat offenbar auch eine hohe Kapazität, sie zu lösen. Hört sich das nicht super an? Es klingt ganz anders als das übliche »Ich habe so viele Probleme, weil ich offenbar nichts gebacken kriege«. Wenn wir hier umdenken, sind wir nicht mehr defizit- oder mangelorientiert in der Welt unterwegs, sondern richten den Fokus auf unsere Stärken und Fähigkeiten.
Je mehr Probleme du also hast, umso höher stuft das Leben deine Fähigkeiten ein, mit Schwierigkeiten umzugehen, ja, sie zu meistern. Diese Sichtweise lenkt deinen Blick darauf, was du alles managst und schaffst. Und genau diese Sichtweise wollen wir im weiteren Verlauf dieses Kapitels intensivieren. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass du bald an deine Probleme mit diesem positiven Blick herangehst. Und vielleicht sogar mit ein wenig Stolz.
Fachkräftemangel ist ein anderer Ausdruck dafür, dass wir Menschen suchen, die sich mit bestimmten Problemen sehr gut auskennen.
Probleme sind das Prinzip des Lebens
»Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung.«
LEONARDO DA VINCI
Die gesamte Geschichte der Menschheit ist eine Ansammlung von Problemen, die immer wieder gelöst wurden. Jede dieser Lösungen hat Folgereaktionen und Folgeprobleme hervorgebracht. Genauso ist es auch bei jedem einzelnen Menschen. Jedes Problem, das er löst, ruft Folgeprobleme auf den Plan. Nur sprechen wir hier – bei Menschheits- und individueller Lebensgeschichte – nicht unbedingt von Problemen, sondern jeweils von Entwicklung.
Ein faszinierendes Beispiel dafür begann so oder ähnlich vor sehr langer Zeit in der afrikanischen Savanne: Frühe Vorfahren des Menschen waren von den Bäumen heruntergeklettert und versuchten, auf zwei Beinen zu laufen, um sich mehr Überblick in der Savanne zu verschaffen. Das sah wahrscheinlich für die Verwandten, die weiterhin auf Bäumen lebten, seltsam und ungeschickt aus. Und man hätte sich fragen können: Wer von den beiden würde langfristig wohl das Rennen machen? Aus damaliger Sicht hätte man sicher auf die Baumbewohner getippt. Schließlich waren diese kompakter, wehrhafter und besser...