Speier | Welt /Raum /Reisen | Buch | 978-3-926677-63-1 | sack.de

Buch, Deutsch, 76 Seiten, GB, Format (B × H): 130 mm x 200 mm, Gewicht: 244 g

Reihe: Texte und Bilder

Speier

Welt /Raum /Reisen

Gedichte und Zeichnungen
1. Auflage 2007
ISBN: 978-3-926677-63-1
Verlag: Aphaia Verlag

Gedichte und Zeichnungen

Buch, Deutsch, 76 Seiten, GB, Format (B × H): 130 mm x 200 mm, Gewicht: 244 g

Reihe: Texte und Bilder

ISBN: 978-3-926677-63-1
Verlag: Aphaia Verlag


Der in Berlin lebende und 2007 mit dem Schillerpreis ausgezeichnete Autor Michael Speier nimmt in seinem Gedichtband welt/ raum/ reisen seine Leser mit auf eine ausgedehnte lyrische Reise durch die Städte Europas und ins Ungewisse. Dabei ist er immer auf der Suche - die Ohren passen sich den Orten an, Töne wechseln und er fängt die Atmosphäre eines Raumes mit Worten und Metaphern ein. So zeigt sich die Berliner Ringbahn im taubenrauch, in der geschälten frühe (…) das fenster fliegt in die überstunde dicht bei dicht stehn wir in diesem gedicht. Anlass für seine Texte ist aber auch, was verborgen ist und unsichtbar bleibt hinter den lauschenden Ohren und halbsehenden Augen – das Ich des beobachtenden und aufmerksamen Schreibenden. Illustriert wurden die vielschichtigen lyrischen Texte mit federleichten und beschwingten Zeichnungen des Berliner Malers und Grafikers Xago, der die Reise in Worten zu einer Reise für die Augen ausweitet. Für Liebhaber von Originalen empfiehlt sich eines der Künstlerexemplare dieses wunderbaren Gedichtbandes mit einer handcolorierten und vom Künstler signierten Zeichnung von Xago.
f.b.

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Michael Speier sucht.   Das heißt, er wechselt die Töne – passt die Ohren den Orten an, aus denen der Anlass kam für den Text. Anlass aber wird immer auch, was verborgen ist, unsichtbar bleibt, sogar vor einem selbst, nicht allein der Ort, an dem man steht (aufrecht oder gebeugt, lauschend, halbsehend, halbblind), heiße er “Natur” oder Werft, Vondelpark oder Cincinnati, nicht allein das, was man bereisen kann, sondern vor allem jenes, was mitreist – man selbst.   “Selbst”, so nennen wir es. Ein Gebilde, entstanden aus lebenslanger Interaktion zwischen Innen und Außen, die nur zustande kommen mag, weil das eine sich dem anderen anformt, ein Prozess, der wechselseitig sein muss, sagt uns seit langem die Philosophie, sagt uns seit kurzem die Gehirnwissenschaft, sagen längst uns Gedichte. Und da stehen wir: gebeugt oder aufrecht, im Wind am Meer von Saint-Nazaire, die Hand am Ohr, an den Augen, und versuchen zu verstehen – zu sehen, was nicht zu sehen, wohl aber zu fühlen, wohl unter der Haut zu wissen ist.  Auch das nennen wir Ton.   Ton, wie ein Mensch klingt, wenn er Welt wahrnimmt, auf sie reagiert. Das wollen wir hören, allemal in einem Gedicht. Bei Michael Speier hören wir es, manchmal klingt es, als wehten Orte wie Vorhänge um uns, “bei meerwind”, durchsichtig, leicht, in changierenden unerhörten Mustern, “seemöwen-felder” vielleicht oder “figuren getaucht, gesicht zu gesicht”.  So treten wir ein und werden in Gedichten durchwandert von Literatur, Musik und Bildender Kunst, von verschiedenen Sprachen, in Fragmenten, von alten Bildern und neuen, von Comics, Videos. In fast jedem Text zeigt sich etwas dieser “künstlichen” Welt, eine Farbe, eine Geste, ein Sprachton, der adaptiert wurde – wie etwa jener des Thomas Kling, dem calw, kling! zugehört. Da spricht nicht Speier bei sich, sondern ein Speier, der die Fügel ausstreckt in etwas anderes, wie man es tun muss, wenn man sich an unvertrauten Orten findet, und die Sprache einen mitnimmt in einen fremden Raum.  Dort wird das Eigene sich verändern.  Die Herausforderung ist, sich verändern zu lassen.  Auch als Leser. Die Gedichte dieses Bandes bilden, in sich, schieblich, beweglich, eine unruhige Landschaft, unterschied-lich in die Weiten von Strophen und Versen geformt. Und gespannt – einmal um die Welt. Welt als Raum: gemacht, erdacht, erfunden, gemessen in Worten. Wie rumpelt die Tram in Amsterdam am Spuj, wie erscheinen zugleich Rembrandt, “holländerinnen, riesenzellig” und Rudi Carell – wie umgibt so vieles uns simultan. Vergangenheit und Gegenwart gleiten aneinander. Gedichte machen uns fühl-findlich für solche Spannungen, lassen uns spüren, wie angestrengt manche der Brücken sind, auf denen wir stehen, wie wahnsinnig ein Jetzt. Joggen im Vondelpark, Radfahrerin aus einem Bild Vermeers. Und dann sitzen wir in einem Flugzeug, transatlantic, mit zweien, die unterschiedliche Sprachen sprechen, Seite an Seite; der serbische Freund liest Brentano, während der andere auf die Welt (Wolke) von oben schaut.  Es ist inzwischen im Internet leicht, selbst als Satellitenauge über die Welt zu fliegen, in sie hineinzusehen, an einen beliebigen Ort. Meere, Berge, Gebäude erscheinen, auch Autos, nie aber Menschen. Hier flieg-schauen wir anders, hier sehen wir – unvermutet – uns. Und “Weltraum” ist nicht (mehr) außerhalb, sondern meint einen Blick in unser Innerhalb.  Wo fing es an?  Wo fing es an, uns verloren zu gehen?  Und wo – holen wir es wieder ein?   Wie zur Antwort wird ein Gespräch unter schirmen geführt (S. 28): zu zweit in einem Café, dann zu dritt, die Schirme gehören Platon, darunter stehen heiße Getränke, sie werden gerührt. Auch Bäume, hier, mögen Schirme bilden, Platons Höhle erscheint, voller Schemen und Ideen, voller Bilder. Sie treiben auf und heran, wollen winterlich sein. “was nehmen wir, sagst du” – eben dies ist die Frage, zwischen einem Echo auf Bert Brecht und einer Schönen, die aus Atomen besteht (die aber flüstern immerhin vernehmlich), und Schwerkraft gibt sich hinzu. In ihr verfängt Zeit, eilig sein oder nicht wird zu einer Frage des Systems. Unter dem Schirm, nämlich der Beschirmung der vier Strophen des Gedichtes, dreht sie sich von vorn nach hinten, auf sich. Das versprengt zwar alle Ge-danken, sie, die lichtschwachen, stottern von Mängeln und geknickten Karten, von Pyramiden, Blättern und Akademien. Fest nur bleiben jenes “du”, das fragte, und ein “uns”, das zurückfragt und damit gerade in dem Augenblick nach mehr Worten verlangt, als man als Leser plötzlich SIEHT, dass beschirmt zu sein auch heißt, in jemandes Schatten zu sitzen oder zu stehen.  So mag Welt-Raum in einem Gedicht aufgebaut werden, wobei ‚Welt’ nicht Synonym des Planeten Erde ist, sondern von jeher meinte, was wir auf diesem Himmelskörper erzeugen: die Welt unserer Leben.   Langsam denken sich in den Gedichten dieses Bandes Raum und Zeit einander zu. Stück um Stück wird deutlich, dass die unruhige Landschaft, geformt, einem Gedanken, einer Leit- oder Leuchtlinie folgt – einer Art und Weise (Ton), wie der Daumen sich einsetzt in das weiche Material der Welt-Wahr-Scheinlichkeit, jener Software, die in uns einströmt durch Auge, Hand und Ohr. Auch “die ringbahn, der epische faden” (S. 24) nimmt sich unserer an, bis wir uns endlich doppelt sehen: als Weltbewohner in den Gedichten und zugleich als jene, die beobachten, wie sie in den Gedichten erscheinen, im Spiegel ihrer Welt, “dicht bei dicht”, im “zeigefeld”.   Zeigefelder sind große Anordnungen, in den langen Gedichten besonders schön, voller Überraschungen, Sprünge, Wortspiele, Erfindungen, Sprachmischungen auch (ganz darin und daraus: fremdland). Gedichte gleich Schwämmen mit Tentakeln, Meergebilde, bei Saint-Nazaire erstmals heraufgetaucht, im September 2001.   Diese Tentakel oder aus den Poemen ragenden Fäden lassen sich nicht immer auf Anhieb “verstehen” (doch: was hätte solch ein “Hieb” in zugewandtem Lesen zu suchen?). Da mischt sich ein bretonisches Wort ein, dort ein lieffste lieve ziel – man rät, überlegt, und eben dieses zögernde Innehalten macht nichts, ganz im wörtlichen Sinn. Es macht nichts, sondern zeigt Faden und Weg, zeigt, dass es da – nebenan – einen Raum gibt, dass das Gedicht ihn jetzt nicht weiter betritt, er aber angespielt ist. Wir sehen die Tür. Wie wir mit ihr verfahren, mögen wir selbst entscheiden. Schwämme also und Fäden, erfundene Tiere, aus Meer oder Luft, an Land, etwas, das atmet, Wasser saugt, sich füllt, also aufnimmt, was wir uns wünschen, was wir uns zu imaginieren verstehen.   Man kann weich werden dabei, auf dem Trampolin Raum und Zeit.  “zerstreut war / auf der vorderseite noch gestern rückwärts / schon zukunft, eine zunge” (S. 11). Raum mag herausgerissen sein (S. 12) und bleibt doch fühlbar, denn er ist Nemos Raum, Raum also eines Niemand, den es gibt, wenn auch als Fiktion. Und Zeit mischt als Geschichte sich ein, früher und jetzt, immer erfunden. Speiers Gedichte nehmen sie auf, sie lassen sich treiben und stürzen, aber gezielt, das “blinken absegelnder möwen” – “zum stillstand gebracht / im ich”.   Auf uns läuft zurück, was wir sehen, was wahrzunehmen wir imstande sind. Allmählich erweitert sich im Zeige- das Sehfeld: Raum, Ich und Zeit umspielen einander in gegenseitiger Abhängigkeit, und unsere Ordnungskategorien beginnen, sich, als Schatten der Sprache, in Rhythmen und Bildern selbst zu befragen.   Es ist der schönste Effekt eines Buches: Dass das Selbst-verständliche uns als wundersam erscheint.     Dass es erscheinen mag.
Ulrike Draesner


MICHAEL SPEIER geb.1950, lebt in Berlin als Lyriker, Übersetzer und Literaturwissenschaftler. Er hat bisher sieben Gedichtbände veröffentlicht, zuletzt scherbenschnitte (1999) und wüste pfade (2004), und ist in über 40 Anthologien vertreten. Er übertrug zeitgenössische Poesie aus dem Französischen, Englischen und Italienischen, ist Herausgeber mehrerer Lyrik-Anthologien sowie des Paul-Celan-Jahrbuchs. 1976 gründete er die internationale Poesiezeitschrift Park, die er bis heute herausgibt; außerdem ist er Redaktionsmitglied der Literaturzeitschrift PO&SIE (Paris). Nach Studium und Promotion war er bis 1989 u.a. Wissenschaftlicher Assistent an der Freien Universität Berlin und lehrte danach an verschiedenen Universitäten in USA und in Deutschland sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Seit 1997 ist er Professor an der University of Cincinnati/USA. 1993-2003 war er Leiter der Reihe ‚Literaturwerkstatt’ im Künstlerhaus Berlin. Teilnahme an internationalen Lyrikfestivals u.a. in Medellín, Rosario, Belgrad, Malmö; Aufenthaltsstipendien in Deutschland, Frankreich, USA und Amsterdam; Schillerpreisträger.

XAGO1942 in Elsterwerda als ROLF X. SCHRÖDER geboren. Abitur, Studien der Literatur, Philosophie und Ästhetik in Berlin. Assistent an der Filmhochschule. 1970-1975 an der Deutschen Bauakademie. Seit 1976 freiberuflich als Maler, Grafiker, Texter; zahlreiche Buchillustrationen. 1990 zum Präsidenten des Verbandes Bildender Künstler gewählt. Seit 1991 Mitglied der fiktiven Künstlergruppe EUROPHA (EUROpäische PHAntasten). Lebt in Berlin.



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