E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Sparks / Mills Die Suche nach dem verborgenen Glück
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-641-13497-6
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-641-13497-6
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In Zusammenarbeit mit Billy Mills entführt uns Bestsellerautor Nicholas Sparks in die Welt von David, einem jungen Indianer, der sich auf die Suche nach dem Glück begibt. Ihre Erzählung weiht uns in manches ungeahnte Geheimnis ein - eine wundervolle Reise in die Kunst des Lebens.
Nicholas Sparks, 1965 in Nebraska geboren, lebt in North Carolina. Mit seinen Romanen, die ausnahmslos die Bestsellerlisten eroberten und weltweit in über 50 Sprachen erscheinen, gilt Sparks als einer der meistgelesenen Autoren der Welt. Viele seiner Bestseller wurden erfolgreich verfilmt, vier weitere Filme sind derzeit in Planung. Alle seine Bücher sind bei Heyne erschienen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Die Schriftrolle
Eine Lektion über das Glück
GLÜCK IST EIN WUNDERBARES GEFÜHL. ES VERMITTELT EINEM IN JEDER SITUATION WOHLBEHAGEN. ES GIBT HOFFNUNG IN ZEITEN DER VERZWEIFLUNG. ES STIMMT FRIEDLICH IN EINER WELT DES CHAOS. ICH MÖCHTE, DASS SIE GLÜCKLICH SIND, WANN IMMER SIE ES WÜNSCHEN. ZU DIESEM ZWECK SIND SIE EINGELADEN, MIT DAVID, EINEM JUNGEN INDIANER, DER INS GEHEIMNIS DES GLÜCKS EINGEWEIHT WURDE, EINE REISE ZU UNTERNEHMEN UND DABEI DIE NOTWENDIGEN LEKTIONEN ZU LERNEN.
In jenem Jahr gab es zwei Ereignisse, die Davids gesamtes weiteres Leben grundlegend beeinflussten. Das erste machte ihn schwermütig und traurig. Das zweite enthüllte ihm das größte Geheimnis, das er bis dahin erfahren hatte. Jedenfalls würde er diesen außergewöhnlichen Sommer vor fast 30 Jahren in Süd-Dakota nie vergessen.
Es war einer der heißesten Sommer seit Menschengedenken. Die Trockenheit hatte die Ernte vernichtet, und drei Tage zuvor waren 14 weitere Kühe tot auf der Weide von Henry Bear Claw gefunden worden. Die schwächsten Tiere – die alten, jungen und kranken – starben zuerst. Es war der Wille Wakantankas, der dazu beitrug, das Gleichgewicht der Natur zu bewahren. Die kräftigen Tiere lebten und würden kräftige Junge haben. Es war der Lauf der Dinge, wie er immer schon gewesen war und immer sein würde. Henry jedoch sah das nicht so. Er war stets unfähig gewesen, über seinen Geldbeutel hinaus zu schauen.
Die Nahrung war knapp und das spärliche Wasser in den Brunnen verunreinigt infolge der Bergwerksarbeiten vor 20 Jahren. Die Menschen befürchteten, dass dieser Sommer ihren bisherigen Lebensgewohnheiten ein Ende bereiten würde. Aber nicht deshalb hatte David Angst. Sie würden auch diesmal durchkommen, das wusste er. Die Lakota hatten Kriege, Naturkatastrophen und Pocken überstanden. Eine Dürre würde sie nicht umbringen. Trotzdem war David besorgter denn je.
Sein Vater war an diesem Morgen nicht zum Gottesdienst in die Kirche gekommen.
Die drängenden Probleme beängstigten ihn nicht annähernd so wie die Frage, warum sein Vater zu Hause geblieben war. Etwas Schlimmes musste geschehen sein.
Er hatte Recht.
Dies war das erste Ereignis, das sein gesamtes weiteres Leben grundlegend beeinflussen sollte.
Auf dem Nachhauseweg sah er, wie in der Ferne der sota in Schwaden aufstieg. Plötzlich war ihm schlecht. Sie ist gestorben, dachte er, und Vater verbrennt ihr Bett, damit wir nicht auch krank werden. Er wollte weinen, unterdrückte aber die Tränen, um seine jüngeren Brüder und Schwestern nicht zu betrüben. Ich muss ein Mann sein, sagte er sich, obwohl er immer noch ein Junge war. Meine Familie ist jetzt darauf angewiesen, dass ich stark bin.
Nicht alle Geschwister waren gleicher Abstammung. Ja, die meisten waren Halbbrüder, Halbschwestern und adoptierte Mitglieder der Familie. Selbst wenn das Haus nur wenig Platz bot, war es die Pflicht der Indianer, der Familie zu helfen – wobei »Familie« nicht nur im ursprünglichen, sondern im weitesten Sinne aufgefasst wurde: Sämtliche Lebewesen sind miteinander verbunden. Der Glaube an den Kreislauf der Schöpfung, der alles mit allem verknüpft, erschien David keineswegs befremdlich. Das war seine Denkweise, wie es auch schon die seines Vaters und seines Großvaters gewesen war.
Drei Tage später wurde seine Schwester am Rande des Friedhofs begraben. Die Stelle war nicht von Bäumen beschattet, sodass die glühende Sonne sehr schnell das Unkraut aus der Erde treiben würde. David wollte versuchen, es immer wieder auszureißen, aber er wusste, dass ihm dies nicht leicht fallen würde. Schule und Hausarbeiten beanspruchten einen Großteil seiner Zeit. Dennoch störte ihn die Tatsache, dass auf dem Grab seiner Schwester Unkraut wachsen würde, weitaus weniger als seine Lage. Es befand sich nur wenige Schritte vom Eingang des Friedhofs entfernt. Die Leute, die hierher kämen, würden bestimmt auf das Grab trampeln. Schlimmer noch: Der Hauptweg würde eines Tages – wahrscheinlich schon innerhalb der nächsten Jahre – verbreitert werden, und dann müsste der Körper seiner Schwester an einen anderen Platz verlegt werden, damit die Buicks und Pontiacs durchfahren und die Bessergestellten ihre geliebten Verstorbenen besuchen könnten.
Das erinnerte ihn an seine Vorfahren, die aus ihren Grabhügeln entfernt und ins Dachgeschoss des Smithsonian Institute verbracht worden waren, damit die Wissenschaftler in ihren sterblichen Überresten herumstochern konnten, nur um festzustellen, dass sie genauso waren wie du und ich. Die Indianer waren nie mit Respekt behandelt worden. Trotzdem war diese Stelle besser als gar keine und außerdem die einzige, die sie sich leisten konnten.
Sein Vater hatte das Auto verkauft, um die Beerdigung zu bezahlen. David verstand nicht, warum gerade seiner Familie dauernd etwas Schreckliches zu widerfahren schien. Er wollte nicht wieder zu hören bekommen, dass das Leben im Reservat eben nicht leicht sei. Simple Erklärungen wie diese stammten von Menschen, die die Hoffnung verloren hatten. David mochte solche Leute nicht.
Er hatte seine Schwester ebenso innig geliebt wie seine Mutter, die drei Jahre zuvor gestorben war, als er elf war. Jenes Jahr war für ihn sehr schwer gewesen und er rechnete damit, dass dieses nicht anders sein würde. Schmerz, Trauer, Einsamkeit und ausgehöhlte Erinnerungen – mehr hatte er angesichts ihres Todes nicht aufzubieten.
Dann stellte sich die Depression ein. Mit ihr kam die Angst, die Kontrolle zu verlieren. Das Gefühl war so übermächtig, dass David meinte, im Fluss zu stehen und von der starken Strömung fast fortgerissen zu werden. Sie bedrängte und schwächte ihn und würde ihn bald besiegen. Diese Art von Kraft triumphierte immer.
David vermisste seine Schwester unendlich – weil sie seine Schwester und zugleich seine beste Freundin gewesen war. Er vermisste sie, weil er sie für das liebte, was sie sagte und tat. Und … ohne seine Schwester würden ihm die Tage länger, trüber und dunkler erscheinen denn je. David empfand eine tiefe Verwandtschaft zu ihr. Nach dem Tod der Mutter hatte sie geholfen, die kleineren Kinder großzuziehen, und er war der Ansicht, dass der Zusammenhalt der Familie allein ihr zu verdanken war. Es war für alle eine sehr harte Zeit gewesen, doch ihre Stärke hatte ihn viele Male wieder aufgerichtet. Sie war seine Ratgeberin und Vertraute. Sie lernte mit ihm und brachte ihm Mathematik so bei, wie sein Lehrer es niemals vermocht hätte. Sie spielte mit ihm, ging mit ihm spazieren und angeln, erzählte ihm jeden Abend eine Geschichte. Und jetzt… war sie fort … für immer. David würde sie nie mehr wieder sehen. Bei dem Gedanken daran weinte er stundenlang ununterbrochen. Er saß am Fluss und starrte ziellos auf das vorbeiziehende Wasser. Mehrere Male zog er in Betracht, hineinzuspringen und seinem Leben ein Ende zu setzen. Obwohl er nur wenig davon verstand, hatte er doch die schwerste und destruktivste Form von Depression. Sie ließ ihn nicht mehr schlafen, verzehrte sein Herz und seine Seele, um ihn schließlich ins Land der Dunkelheit zu führen.
Zum Glück war er nicht der Typ, der Selbstmord begeht. Er war zu jung, um die Hoffnung aufzugeben. Und auch wenn er es gewollt hätte, wusste er nicht, ob er dafür den Mut aufbrächte. Allerdings gab es noch einen gewichtigeren Grund, warum er sich nicht umbrachte. Seine Schwester würde das nicht verstehen. Gewiss, sie war tot, doch … manchmal fühlte er sie in seinem Innern, und dann war sie lebendig und stark. Er hatte keine Ahnung, ob er sich dieses Gefühl nur einbildete, achtete es aber trotzdem; es war einfach zu heftig, um ignoriert zu werden.
Frühmorgens und spätnachmittags konnte David fast hören, wie seine Schwester zu ihm sprach. Ihr Lachen vermischte sich mit dem Zwitschern der Vögel und ihr Flüstern schwebte im Hauch des Windes. Tief im Herzen fühlte er, dass sie mit ihm kommunizieren wollte. Tagelang versuchte er herauszufinden, was sie dazu trieb, aber die Depression verdunkelte seine Gedanken. Alles in allem brauchte er fast zwei Wochen, um zu erkennen, dass sie ihn im Grunde aufforderte, wieder glücklich zu sein.
Glück.
Ja, David wollte wieder glücklich sein. Er sehnte sich nach einem friedlichen und zufriedenen Leben. Seine Schwester hatte es nach dem Tod der Mutter geschafft, ihren Kummer zu überwinden. War er nicht auch dazu fähig?
Er wusste es nicht.
David wünschte sich die Stärke, die seine Schwester vor Jahren gehabt hatte. Ihm war klar, dass er nicht damit rechnen konnte, all das, was ihm widerfahren war, plötzlich zu vergessen. Er würde diese Dinge stets in sich tragen. Doch wo konnte er die Stärke finden, die er brauchte? Und, wichtiger noch: Wie konnte er wieder glücklich werden?
Diese Frage weckte ihn morgens, verfolgte ihn in der Schule und bei den täglichen Hausarbeiten und sie war das Letzte, woran er vor dem Einschlafen dachte.
Wie konnte er wieder glücklich werden? Das hätte er gerne erfahren. Die Antwort wäre so viel wert wie die kostbarsten Edelsteine der Welt zusammen. Wenn er eine Möglichkeit hätte, wieder glücklich zu sein, würde er wissen, worin der Sinn des Lebens besteht. Darüber hinaus wäre er dann imstande, den Wunsch seiner Schwester zu erfüllen. Aber … konnte er der Antwort allein auf die Spur kommen? Er betrachtete sich als klug, doch dafür war er nicht klug genug. Nein, ihm war bewusst, dass die Antwort von anderswoher kommen musste.
Oder von einem anderen Menschen.
Aber wer wusste eine Antwort...