E-Book, Deutsch, 143 Seiten
Sotscheck Nichts gegen Engländer
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-86287-057-8
Verlag: FUEGO
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Psychogramm eines merkwürdigen Volkes
E-Book, Deutsch, 143 Seiten
ISBN: 978-3-86287-057-8
Verlag: FUEGO
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Über den Engländer sind viele Klischees im Umlauf, und sie sind alle wahr: Er hängt an Traditionen; er ist so höflich, dass er sich sogar entschuldigt, wenn man ihm auf den Fuß tritt; er ist sportbesessen, was sich jedoch mehr oder weniger aufs Zuschauen beschränkt; er hält seine Insel für den Mittelpunkt der Welt und fühlt sich anderen Nationen überlegen; er hasst es, Emotionen zu zeigen; er hält Sex für eine ausländische Erfindung, kauft aber massenhaft die Sun mit ihrem nackten Seite-3-Mädel; er findet die englische Küche mit ihren absurden, den Gaumen schädigenden Gerichten vorzüglich. Jeremy Paxman schrieb in seinem Buch 'The English', dass die Engländer stets Wärmflaschen an Stelle eines Sexuallebens hatten: 'Wie sie sich vermehrten, war eins der Mysterien der westlichen Welt.' Statt dessen taten sie ohne zu murren ihre Pflicht. 'Meine Güte, ich habe mein Bein verloren', sagte der Graf von Uxbridge, nachdem ihn in der Schlacht von Waterloo eine Kanonenkugel getroffen hatte. 'Meine Güte, das hast du tatsächlich', antwortete der Herzog von Wellington. Als in Dublin lebender England-Korrespondent der taz weiß niemand besser Bescheid über die tiefe Wahrheit der Vorurteile, die über die Engländer im Umlauf sind.
Ralf Sotscheck, geboren 1954, lebt seit 1985 in Dublin und ist irischer Staatsbürger. Er arbeitet als Großbritannien- und Irland-Korrespondent für die taz und schreibt für die Wahrheit-Seite die beliebte Montagskolumne. Das Buch basiert auf Kolumnen, die seit 1991 wöchentlich in der taz erscheinen. Sie wurden für diese Ausgabe aktualisiert und erweitert.
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Mad Dogs And Englishmen Der Engländer und seine Freizeitbeschäftigungen Der Engländer an sich ist ein geräuschvolles Volk. Vor allem, wenn er trinkt. Der Richter Charles Harris beklagte, seine Landsleute seien so schlecht erzogen, dass sie keine akzeptablen Mengen an Alkohol wie anderswo in Europa – außer in Irland – zu sich nehmen können. »Je mehr es zu trinken gibt, und je mehr Zeit sie dafür haben, desto mehr werden sie trinken«, schrieb er in einem Gutachten über die Folgen der verlängerten Sperrstunde in England. »Eine Gallone ist normal, zwölf Pints keine Seltenheit. Und diese Mengen an Bier werden mit diversen Schnäpsen verdünnt. Die Lage ist ernst, wenn nicht sogar grotesk. Es grenzt an Wahnsinn, die Gelegenheit zu trinken noch auszudehnen. Es bedeutet, dass unsere Innenstädte jede Nacht Banden von kampflustigen, besoffenen, lärmenden und kotzenden Flegeln überlassen werden.« Das typische Geräusch für eine englische Kleinstadt in einer beliebigen Samstagnacht sei das Reihern eines Trunkenboldes. In einer Studie ist es zum widerwärtigsten Geräusch der Welt erklärt worden. Akustik-Professor Trevor Cox von der Universität Salford hat das Ergebnis seiner einjährigen Untersuchung veröffentlicht. Er hat 1,1 Millionen Menschen befragt, um herauszufinden, warum bestimmte Geräusche so anstößig sind. Bei der Verkündung des Ergebnisses demonstrierte ein Schauspieler den Sound des Übergebens mit Hilfe eines Eimers gebackener Bohnen. Der brechende Engländer verwies den Zahnarztbohrer, das brüllende Baby, den Brunftschrei einer Katze, das Klingeln eines Handys und die Rückkopplung eines Mikrofons auf die Plätze. Schnarchen landete sogar nur auf dem 26. von 34 Plätzen. Hoch im Kurs der Ekelgeräusche stand dagegen das Kreischen einer Eisenbahn auf den Schienen. Das ist aufgrund der veralteten Bahnanlagen ein speziell englisches Problem. Dabei können die Engländer seit der Bahnprivatisierung froh sein, wenn die Züge überhaupt noch fahren. Cox hatte eigentlich erwartet, dass das Quietschen eines Fingernagels auf einer Schiefertafel ganz oben rangieren würde, da es einen historischen Reflex auslöse: Das Geräusch ähnelt dem Schrei von Affen, die ihre Artgenossen vor Gefahr warnen wollen. Aber die Befragten empfanden es nicht schlimmer als das Hochziehen von Rotz oder das Zerknautschen von Styropor. Die meisten Geräusche sind für Frauen unerträglicher als für Männer, lediglich bei lärmenden Babys gaben die Männer Höchstnoten in der Skala des Grauens. Auch das Alter spielt offenbar eine Rolle: Der Zahnarztbohrer ist für unter Zehnjährige und für Menschen zwischen 40 und 50 besonders unangenehm, weil sie in dem Alter ständig damit in Berührung kommen. Was ist der Sinn der Umfrage? »Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus verstehen wir eigentlich gar nicht, warum manche Geräusche so schrecklich sind«, sagt Cox. »Wenn wir herausfinden, was die Leute stört, können wir Wissenschaftler die betreffenden Geräusche in manchen Fällen vielleicht eliminieren.« Ein guter Plan. Aber es ist vermutlich illegal, Millionen von Engländern zwischen 12 und 30, die an den Wochenenden die Bürgersteige vollkotzen, zu eliminieren. Ebenso unangenehm wie brechende Engländer ist ihr Wetter. Dennoch reden sie sehr gerne darüber. Aber es trifft sie immer wieder unverhofft. Der Engländer läuft stets unbeschirmt durch den Regen, denn er rechnet trotz täglicher Belehrung eines Besseren nicht mit einem Schauer. Und erst recht nicht mit einer Hitzewelle. 2006 wurde der heißeste Julitag aller Zeiten gemessen – 36,3 Grad, das sind 0,3 Grad mehr als 1911 in Epsom. Die britische Presse berichtete darüber wie aus einem Krieg. Vor allem die Boulevardpresse lief zur Hochform auf. Ob Mail, Mirror oder Sun – überall noch mehr spärlich bekleidete Damen als sonst. Londons Busfahrern hingegen drohte die Entlassung, falls sie in kurzen Hosen zur Arbeit erschienen. Dabei herrschten in den Bussen Temperaturen von 52 Grad, empörte sich die Sun: »Das ist fast doppelt so viel, wie beim Rindertransport als Höchstwert zugelassen ist.« Aber selbst Rinder, die nicht Bus fahren, drehten durch. In Dorset wurde eine Herde von einem Fliegenschwarm verrückt gemacht und trampelte bei einer Stampede einen Jogger nieder. Einen Jogger? Da bewahrheitet sich mal wieder das Sprichwort, wonach sich nur verrückte Kühe und Engländer hinaus in die Mittagssonne begeben. Im Originalsprichwort geht es um verrückte Hunde. Die Daily Mail warnte vor einem anderen Phänomen. »Innerhalb einer Viertelstunde ist ein Bier so warm wie Badewasser«, schrieb das Blatt. Wie günstig! So trinkt es der Engländer doch am liebsten. Die Sun wies mit glühenden Bäckchen auf die Gefahr hin, dass Menschen bei lebendigem Leib geröstet werden könnten. »Wenn die Körpertemperatur 43-44 Grad erreicht, werden die Organe gekocht«, zitierte das Blatt den Medizinprofessor Bill Keatinge. »Das Hirn ist am ehesten betroffen. Es wird wie ein Ei gegart. Es kann danach nie mehr in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden. Das Kochen geht ganz schnell und richtet ungeheuren Schaden an.« Wie man an der Sun-Leserschaft unschwer erkennen kann. Das Blatt hatte einen Fotowettbewerb ausgerufen: Für das verschwitzteste Foto konnte man eine Reise nach Island gewinnen. Auch der Guardian, der sich 2005 nicht nur vom Format her boulevardisiert hat, wollte von seinen Lesern Fotos und Geschichten rund um die Hitze haben. Ein gewisser Glurk fand die Temperaturen großartig: »Alle stinken nach Schweiß, da falle ich nicht weiter auf.« Archibald Strang berichtete, er habe sich ein Hemd mit Dutzenden kleiner Taschen nähen lassen, in die er Eiswürfel steckt. Und Little Jo schrieb: »Vor zwei Jahren war ich während einer Hitzewelle in Frankreich. Dort starben viele Omas. Die Leichenhallen waren überfüllt, weil die Verwandten zu geizig waren, ihren Urlaub abzubrechen und die Omas zu beerdigen.« Apropos Oma: Auch die Queen meldete sich zu Wort. Sie beklagte, dass der Rasen vor dem Buckingham Palace nicht gesprengt worden sei. Man sollte die Gärtnereiabteilung von al-Qaida beauftragen. Die könnte gleich den ganzen Palast sprengen. Die britische Regierung riet der Nation, sie möge die Sonne meiden und viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Oha, welch fundamentale Erkenntnis. Der Rat kommt allerdings zu spät. Die Kabinettshirne sind längst gargekocht. Man sollte sie mit warmem Bier servieren. Das gilt auch für die Hirne der Angestellten bei Morgan Stanley. Die US-amerikanische Investment-Bank, die in Großbritannien eine Werbekampagne für ihre Platin-Kreditkarten führte, befürchtete, dass man die Bank mit einer Katze verwechseln könnte. Sie erhob Klage gegen die Baronin Penelope Cat of Nash, die eine Internetseite unter dem Namen mymorganstanleyplatinum.com angemeldet hat. Die Bank hatte nachgeforscht, wer sich hinter der dubiosen Baronin verbirgt. Es stellte sich heraus, dass die Adlige als zweiten Vornamen »Miau« sowie als Adresse eine Scheune bei Tenbury Wells in Worcestershire angegeben hatte. Morgan Stanley rief den Vermittlungsausschuss zu Hilfe, der bei Internet-Streitigkeiten eingreift. Der entschied, dass eine Katze keine Domain registrieren lassen kann. Der Vermittler Richard Hill begründete das recht einleuchtend: »Es ist wohlbekannt, dass eine Katze ein Raubtier ist, das vor langer Zeit domestiziert wurde.« Er fügte hinzu: »Es ist gleichermaßen wohlbekannt, dass eine Katze weder sprechen, noch schreiben kann. Entweder handelt es sich bei der Beschuldigten um eine besondere Art von Katze, wie jene aus dem Film ›Die Katze aus dem Weltraum‹, oder die Angaben der Katze, eine Katze zu sein, sind inkorrekt.« Falls es sich bei der Katze tatsächlich um ein außerirdisches Wesen handle, hätte das auf dem Antrag vermerkt werden müssen, um unnötige Verblüffung beim Vermittler zu vermeiden, schrieb der Vermittler. Die Katze hatte laut Antrag einen Michael Woods bevollmächtigt, die Domain zu nutzen. Woods ist Firmenberater. Sein Spezialgebiet sind Vorträge vor Managern über die Notwendigkeit, offensichtliche Domain-Namen registrieren zu lassen, damit man keine böse Überraschung erlebt. Woods hatte zwei Jahre zuvor bereits den Domänennamen »Morganstanley.com« angemeldet. Das genehmigte der Vermittler Hill: Woods sei schließlich ein Mensch. Doch wenn eine außerirdische Katze verschweige, dass sie außerirdisch sei, habe sie offenbar etwas zu verbergen. Deshalb bekam die Bank in diesem Fall Recht. Andernfalls hätte die Gefahr bestanden, dass jemand Geld abheben will und statt dessen mit einer Katze nach Hause kommt. Oder schlimmer noch: mit einem Catfish – zu deutsch: Wels. Auch bei diesem Tier muss man mit Namen vorsichtig sein. Sharron Killahena aus Poole in Dorset hatte ihren zwanzig Zentimeter langen Catfish leichtfertig »Kipper« getauft, was »Räucherhering« bedeutet. Ein durchaus passender Name, wie sich herausstellte. Als Kipper mal wieder im Aquarium herumtobte, löste das Spritzwasser einen Kurzschluss in der Aquariumsbeleuchtung aus, die überhitzte, so dass der Deckel schmolz. Das heiße Plastik tropfte auf die Couch, die Feuer fing. Eine halbe Stunde später war das gesamte Haus niedergebrannt. Killahena und ihre beiden Kinder konnten sich in letzter Minute retten und wurden mit Rauchvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert. Kipper hatte weniger Glück: Er wurde zum Räucherfisch. Wie gut, dass sie das nasse Tier nicht »Killer« getauft hatte. Oder steckte etwa ein Versicherungsbetrug dahinter? Es war zumindest eine grandiose Ausrede, aber darin sind die Engländer ohnehin...