Soppa | Der große Muntprat | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 552 Seiten

Soppa Der große Muntprat

Die Lebensgeschichte des Konstanzer Patriziers Lütfried Muntprat. Historische Romanbiografie
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-87800-988-7
Verlag: Südverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Die Lebensgeschichte des Konstanzer Patriziers Lütfried Muntprat. Historische Romanbiografie

E-Book, Deutsch, 552 Seiten

ISBN: 978-3-87800-988-7
Verlag: Südverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Der größte deutsche Kaufmann vor Jakob Fugger: Lütfrid II., genannt der Große Muntprat: Er war zu seiner Zeit der reichste Kaufmann Süddeutschlands und der Eidgenossenschaft: Lütfried Muntprat, Sohn lombardischer Geldhändler, geboren 1383 in Konstanz, aufgewachsen in Barcelona. Seine Kindheit unter Menschen fremden Glaubens und fremder Sprache prägte ihn und legte den Grundstein für seine große Karriere in Handel, Zünften und lokaler Politik.

Chris Inken Soppa erzählt in diesem historischen Roman seine Lebensgeschichte genauso spannend wie informativ:

Muntprat als Weltbürger: Begegnungen mit Cosimo de' Medici, Oswald von Wolkenstein, Jan Hus und vielen anderen wichtigen Persönlichkeiten des Spätmittelalters und der Frührenaissance.
Muntprat als Weltbürger: Begegnungen mit Cosimo de' Medici, Oswald von Wolkenstein, Jan Hus und vielen anderen wichtigen Persönlichkeiten des Spätmittelalters und der Frührenaissance.
Muntprat als Kaufmann und Patrizier: die Gründung der Ravensburger Handelsgesellschaft, seine Handelsreisen durch Europa und die Konstanzer Zunftunruhen.
Muntprats Leben am Bodensee: die Zeit des Konstanzer Konzils und sein Wirken als Bürgermeister während der Pest in Konstanz.
Die Frauen an Muntprats Seite: seine Ehefrau Brida von Rosenberg, die Geschichte seiner unehelichen Tochter und der Austausch mit seiner Schwägerin Agatha.
Aberhaken, Katzenjunker, wunderfremd: Lokalkolorit und gründliche Recherche lassen Schauplätze und historische Figuren lebendig werden.
Auf den Spuren eines mittelalterlichen Weltbürgers: Zuhause in Konstanz und Europa

Der Handel mit Safran, Korallen und Stoffen machte ihn reich. Lütfrid Muntprat bereiste dafür halb Europa: von Brügge bis Genua, von Frankfurt bis Venedig, von Ravensburg bis Lyon. Er musste stets damit rechnen, überfallen, verschleppt oder beraubt zu werden. Die Autorin berichtet nicht nur von Lütfrid Muntprats abenteuerlichen Reisen, sondern auch von seinen Freunden und Feinden, seiner Familie und den selbstbewussten Frauen in seinem Leben.

Ein historische Biografie literarisch gefasst: Hervorragend recherchiert, fesselnd und wendungsreich erzählt, lässt uns dieser Mittelalter-Roman in die Zeit Konstanzer Patrizier eintauchen!

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2 – Konstanz (1397–1398) Die Haartracht des Mädchens glich verknäulten blonden Schlangen; sie schimmerten im bunten Licht, das durch die Kirchenfenster fiel. Form und Länge der Schlangen verstand Lütfrid nicht. Sie schienen sich unter der Haube des Mädchens in alle Richtungen zu sträuben, ihren heimlichen Nacken hinab bis zu den leinenverhüllten Schultern, die sie beim Gebet hochzog. Lütfrid glaubte, das Mädchen atmen zu hören, so nah stand er hinter ihr. Das Dies Irae ließ alles andere verstummen. Lütfrid hob den Blick zum Christus, dem er sich auf einmal unerträglich nahe fühlte. Das fremde Mädchen blickte in dieselbe Rich­tung. Was mochte sie empfinden beim Anblick dieses bluten­den Leibes, der so viel zeigte und so viel verbarg? Der Sohn Gottes, wie menschlich er schien! Wie konnte man ihn derart ausstellen? In der Kirche war es kalt, doch Lütfrid schwitzte. Ursula stieß ihn in die Seite, er sollte mitsingen. Lütfrid dachte an Ägtlins Blicke. Wie sie die Augen aufgerissen hatte, als er ihr erstmals den König vom Brett fegte. Danach hatte er sie wochenlang nicht mehr schlagen können. Als er zum zweiten Mal gewann, küsste sie ihn auf den Mund und machte ihn ganz starr. Dabei hatten sie Ägtlin dem Noffri versprochen, bevor sich der Noffri einem Kaufmannszug anschloss, um dem Vater nach Perselone nachzureisen. Das Mädchen wandte den Kopf und sah zum Seitenschiff. Ihre Stirn schien glatt und kühl. An ihrem Mundwinkel entdeckte Lütfrid einen Fleck, als hätte sie sich die Lippen nicht gewischt. Das Paternoster murmelte Lütfrid mechanisch; das Mädchen hatte sich wieder abgewandt. Für wen betete sie? Für sich selbst? Oder für einen, dessen Namen sie heimlich vor sich hin flüsterte? Träumte sie, jemand möge sie bewundern, jemand, an den sie immerzu denken musste? So wie der Noffri, der gar nicht mehr aufhören konnte, von Ägtlin zu sprechen? In der gemeinsamen Kammer hatte er Lütfrid geschildert, wie schön Ägtlin war und was er alles mit ihr tun würde, bald, sehr bald. Der Noffri, der schweigsame Noffri, wie wenig er seine Worte neuerdings im Zaum hielt! Lütfrid war froh gewesen, als der Noffri endlich abreiste. Sollte er doch dem Frick Humpis erzählen, was er seiner Tochter antun wollte, hätte er den Mut dazu? Dabei war es schwer vorstellbar, dass Ägtlin das alles ohne Widerrede hinnähme; sie würde den Noffri an den Haaren ziehen und ihm ihre schwarze Königin ins Gesicht werfen. Lütfrid unterdrückte ein Lachen, und Ursula legte sich einen Finger an die Lippen. Lütfrid sollte um eine gute Reise für den Noffri beten. Das fremde Mädchen nahm die Paxtafel entgegen und drückte ihre Lippen darauf. Wie gern hätte Lütfrid ihr das Schild aus den Händen genommen, doch sie reichte es an eine ältere Frau weiter, die neben ihr stand. Als Lütfrid die Tafel endlich bekam, legte er seinen Mund auf die Stelle, wo die Lippen des Mädchens gewesen waren, auf die linke Ecke unter der glasierten Gestalt eines Engels. Der eiserne Rahmen wog schwer, Ursula streckte die Hand nach der Tafel und lächelte. So viele Jahre war sie nun mit seinem Vater verheiratet. Er hätte sie gern umarmt und an sich gedrückt, gleich hier in der Kirche. Doch er schien alles verlernt zu haben. Seine Hände waren zu groß, seine Arme zu lang; nichts, was er tat, fühlte sich richtig an. Nicht einmal seine Stimme gehörte mehr ihm; sie quietschte und rumpelte, als hätte sie ihr eigenes Leben. Auch seine Gedanken hatten ihr eigenes Leben. War der Noffri mit seinem Gerede über Ägtlin daran schuld, oder hatte der Leibhaftige selbst nach Lütfrid gegriffen? „Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona nobis pacem …“ Die Schultern des fremden Mädchens hoben und senkten sich, ihre Haarschlangen hoben und senkten sich auch. Am liebsten hätte Lütfrid eine genommen und in der Hand gewogen. Da drehte das Mädchen den Kopf; sie hatte ernste, flachsblaue Augen. Das Lateinische bereitete ihm Mühe und Stockhiebe vom Lehrer, Lütfrid rechnete lieber. Im Zählen und Sortieren der Münzen fand er eine Welt ohne Schmerz. Nur der Wert einer Münze war wichtig. Ihr Platz auf den Linien. Münzen hatten keine Seele, er konnte sie schieben, stapeln, sammeln, wie er wollte. Zählte er sie, so gingen ihm die Münzen vor den Zahlen aus. Wäre es möglich, mehr Münzen zu haben als Zahlen? Was war die letzte, die allerletzte Zahl, die es gab? Oder könnte er bis zum Jüngsten Tag weiterzählen? Seinen Aureus bewahrte Lütfrid unter einer geborstenen Dielenleiste in der Schlafkammer auf. Einmal hatte ihn der Hans beobachtet: „Was hast du da?“ Schützend ballte Lütfrid seine Finger zur Faust. Als der Kleine nicht lockerließ, stieß ihn Lütfrid weg. Sein Gebrüll rief Ursula und Änneli. Ursula nahm den Hans bei der Hand und führte ihn hinaus. Änneli fragte: „Hast du ihn gehauen?“ Ihr Gesicht umringt von schwerem Haar, das ihr unordentlich über den Ohren hing. Egal, wie oft sie gekämmt wurde, sie dröselte ihre Schnecken immer wieder zu Krähennestern auf. Lütfrid dachte an das fremde Mädchen aus der Kirche: „Du siehst zottig aus. Mach dir die Haare.“ Er ballte die Faust fester um seinen Aureus. Änneli schob sich Strähnen unter die Haube. „Hast du ihn gehauen?“, wiederholte sie. „Non sono affari tuoi“, gab Lütfrid zurück. Er mochte es nicht, wenn sich Änneli an ihn hängte und ihn umarmte. Er wollte ihren heißen Atem nicht an seinem Ohr. Ihre Berührung weckte Scham und Schauer und merkwürdige Gedanken. Er wollte einen Stein aus dem Fenster werfen oder mit dem Pfeil nach einer Taube schießen. Stattdessen wartete er, bis auch Änneli die Kammer verlassen hatte. Dann legte er sich aufs Bett, den Aureus vor sich aufs Kissen. So nahe, dass die Münze vor seinen Augen zum goldenen Flecken verschwamm. Der dunkle Fleck am Mädchenmundwinkel verfolgte Lütfrid. Ursula hatte ihn zum Merzler geschickt, Unschlitt besorgen, Milch und Schmalz. Und hier stand sie hinter der Theke. Sie mit dem Fleck und den flachsblauen Augen. Er ließ Münzen in ihre Hand fallen, direkt auf die zwei Linien, die in andere Linien mündeten wie der See in den Rhein. Er wagte nicht, ihre Finger zu berühren. Sie verschwand hinter einer Wand. Von dort zerrte sie eine große Kanne Milch über den Lehmboden und drückte Lütfrid den Henkel in die Hand. „Ihr werdet es tragen können“, sagte sie. Ihr Blick schien ihm zu folgen, als er die Kanne auf die Straße wuchtete. Lütfrid drehte sich um. Da stand nur noch ein Mann hinter dem Ladentisch, ein grober Kerl mit roter Nase. Er hielt einen Haken in der Hand und sah Lütfrid unbewegt an. Auf der Gasse verfolgten ihn andere Buben mit Worten und Stöcken. „Welscher“ und „Kawerz“, brüllten sie, und: „Rädert den Jungherr!“ Der Pfister-Üli vom Haus „Zur Roten Kanne“ riss Lütfrid die Mütze vom Kopf und zerrte ihn am Haar: „Wie ein Rabenflügel, kannst du denn auch fliegen?“ Sie stellten ihm Beine, warfen ihn in den Dreck, traten und schlugen ihn; er wehrte sich nicht, es waren zu viele. Geschunden und staubig schlich er zurück ins Haus, in die Kammer. Seinen zerrissenen Kittel steckte er in einen Sack, und später beim Essen zeigte der Hans auf ihn: „Du hast Blut in der Nase!“ Die Astlöcher auf der Tischplatte schienen Lütfrid mit ihren klaffenden Mäulern anzugrinsen, er konnte sie nicht zum Wegsehen zwingen. Es hatte keinen Zweck, den Blick zu heben; es galt, durchzusehen, durchzustehen, durch die Zeit zu gehen. Vaterbruder Johann Mundbrot zur Haue hatte sich zum Lehrherrn von Lütfrid und Hans aufgeschwungen. In seinem Haus mussten die Brüder lange Warenlisten zusammenzählen, Münzen wiegen, Pfennige in Heller oder Pfund Heller in Gulden umrechnen. Der Hans tat sich schwer mit Ziffern und Geld, das machte den Vaterbruder wütend. „So kommt Haue zur Haue“, flüsterte Lütfrid, wenn der Hans gleich nach dem ersten Hieb zu heulen begann. Ab und zu wurden sie vom Vaterbruder zur Leinwandschau in das große Kaufhaus mitgenommen. Dort halfen sie beim Ausmessen der Tücher. Drei Ellen breit mussten die Tücher sein, sonst durften sie nicht verkauft werden, und der Mundbrot-Vaterbruder ließ sie vor den Augen der Leinweber zerreißen. Einmal maß Lütfrid ein Tuch, das nur wenige Fäden zu schmal war. Der Mann, der es ausgebreitet hatte, sah hungrig und ausgemergelt aus, doch Lütfrid meldete das Tuch. Als es zerrissen wurde, konnte er dem Weber nicht in die Augen sehen. Am Neujahrstag leistete Lütfrid vor dem Rat seinen Bürger­eid. Er musste schwören, zwanzig Pfund Heller in die Stadtkasse zu zahlen, der Stadt und dem Rat treu zu sein und dem Ruf der Sturmglocke zu folgen. Alles, was der kleine und der große Rat je getan hätten und noch tun würden, jeden einzelnen ihrer Beschlüsse wolle er gutheißen. Lütfrid hob seine Hand, krümmte den kleinen Finger und den Ringfinger; dabei sprach er die Wörter, die ihm der Ratsschreiber vorsagte. Hatten alle anderen dasselbe schwören müssen, sein ­Vater, der Noffri, die Vaterbrüder? Wenn Lütfrid das Tun der Ratsherren einmal nicht guthieß, was würde geschehen? Schlüge man ihm dann die Schwurhand ab? Etwa zwanzig Männer saßen vor ihm auf den Bänken, auch der Mundbrot-Vaterbruder. Sie schauten ernst drein. Geradezu grimmig wirkte ein stämmiger Mann mit knotig roter Nase. Es war der Merzler, von dem er Unschlitt gekauft hatte. Bei ihr mit den Schlangenhaaren...


Chris Inken Soppa wurde 1966 in München geboren, wuchs in Friedrichshafen auf und lebt heute in Konstanz. Nach dem Studium der Anglistik und Romanistik an der Universität Konstanz und am Trinity College, Dublin war sie als Nachrichtenredakteurin tätig und von 2004 bis 2009 als Koordinatorin der Konstanzer ¬Internationalen Sommerschule für Literaturwissenschaft. Chris Inken Soppa arbeitet als Übersetzerin und gehört seit 2012 der Meersburger Autorenrunde an. Sie hat mehrere Romane -veröffentlicht und zusammen mit dem Grafiker und Illustrator Ralf Staiger ein Künstlerbuch und ein historisches Kinderbuch herausgebracht.



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