E-Book, Deutsch, 512 Seiten
Sittenfeld Hillary
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-641-27597-6
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Roman. Der New-York-Times-Bestseller
E-Book, Deutsch, 512 Seiten
ISBN: 978-3-641-27597-6
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jung, politisch erfolgreich und leidenschaftlich verliebt - Hillary Rodham und Bill Clinton sind das romantische Traumpaar der 70er-Jahre. Ihre Pläne für die gemeinsame Zukunft kennen daher auch nur eine Richtung: ganz nach oben. Doch als Bill um Hillarys Hand anhält, lehnt sie ab. Ein Nein, das ihr Leben für immer verändern wird... US-Erfolgsautorin Curtis Sittenfeld gibt der Weltgeschichte in ihrem gefeierten New-York-Times-Bestseller einen überraschenden neuen Lauf. In 'Hillary' erleben wir das politische Amerika, wie es noch nie jemand erzählt hat: hautnah und aus der Perspektive einer Frau, die für ihren Lebenstraum alles gibt. So unterhaltsam wie scharfsinnig beleuchtet Sittenfeld die Abgründe einer Frau, über die wir eigentlich alles zu wissen glaubten. 'Sittenfelds Hillary ist beides: Mitwirkende im Game of Thrones, romantische Romanheldin und wunderbar knallharte Frau.' O: The Oprah Magazine
Curtis Sittenfeld wurde 1975 in Cincinnati geboren und studierte in Stanford Creative Writing. Ihr literarisches Debüt 'Eine Klasse für sich' wurde von der Presse hochgelobt. Seitdem veröffentlichte sie sechs weitere Romane und Erzählsammlungen, die in 30 Sprachen übersetzt wurden und alle auf der Bestsellerliste standen. Das Leben von Frauen an der politischen Spitze beschäftigte Sittenfeld, die auch für Magazine schreibt, schon mehrfach: 2008 interviewte sie für das Time Magazin Michelle Obama. Ihr Roman 'Die Frau des Präsidenten' (2008) zeichnet ein fiktives Porträt der ehemaligen First Lady Laura Bush. In ihrem jüngsten Buch 'Hillary' (2020) erzählt sie das Leben von Hillary Clinton neu.
Weitere Infos & Material
KAPITEL 2
1971
Bill hielt tatsächlich Wort – anstatt im Sommer für die McGovern-Kampagne zu arbeiten, begleitete er mich nach Kalifornien. Wir machten uns in seinem orangefarbenen Opel Kombi auf den Weg. Vor unserer Abreise übernachtete er bei mir in New Haven und stand um sechs Uhr morgens auf, um nach Milford zu fahren und seine Reisetasche und seine Bücher zu holen. Laut Plan sollte er gegen acht wieder zurück sein, damit wir aufbrechen könnten. Doch als er wiederkam, war es fast schon Mittag. Obwohl er anfangs nicht damit herausrücken wollte, war schnell klar, dass er erst am Morgen zu packen begonnen hatte, aber wie hätte ich wütend sein können? Er gab so viel für mich auf.
Die Fahrt von New Haven nach Park Ridge, Illinois, wo wir eine Stippvisite bei meiner Familie machen wollten, würde etwa fünfzehn Stunden dauern: durch den Süden von Connecticut und New York, durch New Jersey und quer durch Pennsylvania, den Norden von Ohio und Indiana und dann um die Spitze des Lake Michigan herum. Wegen unseres verspäteten Aufbruchs beschlossen wir, die erste Nacht in einem Howard Johnson’s Motel außerhalb von Akron zu verbringen; da wir fürchteten, die Rezeptionistin werde einem unverheirateten Pärchen vielleicht kein Zimmer geben, betrat Bill allein die Lobby, um die zwanzig Dollar zu bezahlen, während ich, auf dem Beifahrersitz im Wagen wartend, zusah, wie sich der abendliche Maihimmel dunkel färbte.
Nachdem Bill den Schlüssel erhalten hatte, der an einem orange-blauen Plastikanhänger befestigt war, fuhren wir ein paar Meter weiter, um vor dem Zimmereingang zu parken. Die Unterkunft selbst war spartanisch eingerichtet, mit einem Waschbecken außerhalb des Bades. Wir gingen beide auf die Toilette, danach wusch ich mir Gesicht und Hände. Ich nahm an, wir würden gleich essen gehen, aber als ich mir die Hände abtrocknete, näherte sich Bill von hinten, legte mir die Hände auf die Schultern und begann mich seitlich am Hals zu küssen. Es war noch immer verblüffend, uns beide als Paar im Spiegel zu sehen – seinen geneigten Kopf, seinen hünenhaften Körper hinter meinem, seinen Bart auf der Haut meines Halses. Würde das für alle Zeiten so bleiben, oder würde ich mich daran gewöhnen? Ich drehte mich um, damit wir uns richtig küssen konnten, und er zog mich zum Bett. In Sekundenschnelle lagen wir nackt und ineinander verknotet da. Danach aßen wir in einem nahe gelegenen Diner zu Abend – Bill Hackbraten und ich ein Thunfischsandwich –, und als wir fertig waren, ging es bereits auf elf zu.
Am nächsten Morgen fuhren wir sechs Stunden, und plötzlich – ich saß gerade am Steuer – waren wir nur noch Minuten vom Ort meiner Kindheit entfernt, erst kamen wir an die Kreuzung, an der der Bruder meiner Freundin Maureen einmal einen Stein gegen ein Auto geworfen hatte, dann ging es vorbei an dem Haus, in dem ich bei einer gewissen Mrs Cacchione Klavierunterricht gehabt hatte. Als ich in die Wisner Street einbog und mich dem gelben Backsteinhaus näherte, in das wir 1950 gezogen waren, schlug mir das Herz bis zum Hals. Die Hillary, die ich in Bills Gegenwart war, fühlte sich authentisch und ambitioniert an, war die Hillary, die ich mir am meisten zu sein wünschte: weltoffen und geliebt. Während die Hillary, die ich inmitten meiner Familie war, unreifer und widersprüchlicher war, hin und her gerissen zwischen meiner Mutter, die glaubte, ich sei zu allem fähig, und meinem Vater, der wenig Unterstützung oder Interesse bekundete. Als das Auszüge meiner Wellesley-Rede abgedruckt und einen Fotografen zum Haus meiner Familie geschickt hatte, um ein Bild von mir zu machen, hatte sein einziger Kommentar gelautet: »Wenn sie deine Worte abdrucken, sollten sie dich dafür bezahlen.« Und als ich meine Eltern angerufen hatte, um ihnen zu erzählen, meine Wahl sei auf Yale gefallen, hatte er barsch erwidert: »Yale ist die Ivy-League-Uni, zu der die Homosexuellen gehen.« In meiner Jugend hatte ich Hochachtung vor der Intelligenz meines Vaters gehabt. Ich hatte nicht erkannt, um wie viel schärfer der Verstand meiner Mutter war, da er sich hinter dem Schleier ihrer freundlichen weiblichen Art verbarg.
Während der letzten sechs Jahre hatte ich eine langsame, aber nahezu vollständige Kehrtwende vollzogen, indem ich seine Meinungen zuerst nicht mehr ernst nahm und sie schließlich ignorierte, was merkwürdigerweise zur Folge hatte, dass ich mich ihm gegenüber respektvoller benahm. Mit ihm zu streiten schien mir nicht länger der Mühe wert.
Ich parkte vor meinem Elternhaus, schaltete den Motor aus und sah mit einem gequälten Lächeln zu Bill. »Bereit?«
»Nette Gegend«, sagte Bill. An diesem sonnigen Nachmittag Mitte Mai musste ich ihm zustimmen – entlang der Wisner Street reihten sich stattliche Häuser, hohe Bäume und gepflegte Rasenflächen aneinander. Er legte mir die Hand aufs rechte Knie und sagte: »Sei nicht nervös, Schatz. Ich werde sie lieben, schließlich sind sie deine Familie, und ich liebe dich.« Ich schwieg. »Und du, liebst du mich auch?«, fragte er.
»Oh Gott. Und wie.«
Wir gingen den Plattenweg zur Haustür mit ihrem Rundbogen hinauf, für die ich theoretisch – tatsächlich hatte ich keine Ahnung, wo er abgeblieben war – einen Schlüssel besaß. Nachdem ich geläutet hatte, hörte ich meinen Bruder Tony rufen, und dann stand auch schon meine Mutter in einer hellblauen ärmellosen Bluse und einem schwarzen Faltenrock vor mir in der Tür. Sie umarmte erst mich und dann Bill. Hinter ihr wartete mein Vater in kakifarbener langer Hose und einem braunen Hemd mit Button-down-Kragen und sagte: »Schön dass ihr vorbeischaut, wenn ihr schon in der Nähe seid.« Wir traten ein, ich umarmte meinen Vater, Bill gab ihm die Hand, und wie aus dem Nichts tauchte Tony, der damals sechzehn war, im Flur auf, schüttelte Bill ebenfalls die Hand und drückte mich. Mein anderer Bruder, Hughie, war zwanzig und beendete gerade sein Junior-Jahr auf der Penn State, auf die auch unser Vater gegangen war.
Bills hünenhafte Statur in meinem Elternhaus, Bills Südstaaten-Akzent, Bills Wärme und Charisma – es war zutiefst skurril. In der Küche stellte meine Mutter jedem von uns ein Glas Wasser hin, und Tony fragte mich: »Hast du gehört, dass die Cubs letzte Nacht mit einem Walk-off-Sieg gewonnen haben?« Bill beglückwünschte meine Mutter zu unserem Haus. Sie schien ihn mit einer Mischung aus hoffnungsvoller und leicht amüsierter Neugier zu betrachten, während aus dem Blick meines Vaters leicht amüsiertes Misstrauen sprach.
»Heute Abend gehen wir zu Vandy’s«, sagte Tony und hob vielsagend die Augenbrauen, wohl um mir zu bedeuten, wie teuer Vandy’s war – ein Steakhouse, in dem wir nur zwei- oder dreimal in meinem Leben gegessen hatten.
»Weil man, Gott bewahre, einem Rhodes-Stipendiaten niemals Hamburger Helper vorsetzen darf«, sagte mein Vater.
»Ich denke, Sie müssen mich nur ansehen, um zu erkennen, dass ich mich über jede Art von Essen freue wie ein Schneekönig, auch über Schnellgerichte. Hauptsache, es schmeckt«, erwiderte Bill vergnügt.
»Wir haben für sechs Uhr reserviert«, sagte meine Mutter. »Passt das? Bill, mögen Sie Steak?«
»Ich liebe Steak!«, sagte Bill. »Das klingt fantastisch.«
»Ihr Bart«, sagte mein Vater zu ihm. »Ist Ihnen klar, dass die Leute Sie deswegen für einen Kommunisten halten?«
Bill grinste. »Eigentlich nicht.«
Am Nachmittag spazierten Bill und ich zuerst durch die Nachbarschaft, dann unternahmen wir im Auto eine Besichtigungstour durch Park Ridge, inklusive aller meiner Schulen von der Grundschule bis zur Highschool. Um fünf trafen wir uns mit meiner Freundin Maureen auf ein Eis bei Benzer’s, wo Bill zwei Kugeln bestellte. Maureen war Krankenschwester im Baptist Hospital und wohnte noch immer bei ihren Eltern, was sie, wie sie sagte, in den Wahnsinn trieb. Wir saßen auf den wackligen Stühlen des Benzer’s um einen winzigen weißen Marmortisch herum.
»Verrätst du mir, wie Hillary war, bevor sie die großartige Frau wurde, die sie heute ist?«, sagte Bill zu Maureen.
»Hillary war schon immer großartig«, sagte Maureen. »Schon in der Grundschule sammelte sie Geld für NGOs wie United Way.«
»Nein, das war erst in der Junior High«, widersprach ich, und beide, Bill und Maureen, lachten.
Maureen beugte sich vor und drückte meine Hand. »Außerdem war sie für ein Mädchen schon immer ganz schön rechthaberisch.«
»Das ist es, was ich an ihr liebe«, sagte Bill.
Maureen und ich sahen uns an, und sie legte eine Hand aufs Herz.
Als Bill aufstand, um eine Serviette zu holen, formte sie lautlos mit den Lippen: . Dann fächelte sie sich, entweder um ihre Worte zu unterstreichen oder zu unserer Belustigung, Luft zu.
Die Speisekarte bei Vandy’s aufzuschlagen und zu entdecken, dass das Ossobuco sechs Dollar und das Filet Mignon acht Dollar kosteten, machte mich nervös; gewiss würde mein geiziger Vater uns solch ein Festmahl nicht ohne eine wie auch immer geartete Strafe genießen lassen.
Nachdem eine Bedienung, auf deren Namensschild »Angela« stand, unsere Getränkebestellungen aufgenommen hatte – Bourbon für meinen Vater, Scotch für meine Mutter, Bier für Bill und mich, eine Cola für Tony –, sagte Bill vergnügt: »Mr Rodham, bitte verraten Sie mir alles über das Geschäft mit Textilwaren.«
»Da werde ich wohl bei null anfangen müssen«, sagte mein Vater.
»Bill, was hat Sie nach Yale geführt?«, fragte meine Mutter.
»Das war keine leichte Entscheidung. Irgendwann verpflichtete ich mich...