Singh Gilde der Jäger - Engelsblut
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8025-8598-2
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 03, 416 Seiten
Reihe: Elena-Deveraux-Serie
ISBN: 978-3-8025-8598-2
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Vampirjägerin Elena Deveraux und ihr Geliebter, der ebenso attraktive wie tödliche Erzengel Raphael, sehen sich - kaum nach New York zurückgekehrt - einer neuen Bedrohung gegenüber. Ein Vampir hat eine Mädchenschule überfallen und ein Blutbad angerichtet. Aber das ist erst der Anfang. Immer mehr Vampire werden von einem unkontrollierbaren Blutdurst erfasst. Und dann scheint der Wahnsinn auch auf Raphael überzuspringen. Die Zeichen sind eindeutig: Eine uralte, bösartige Macht aus Raphaels Vergangenheit ist zurückgekehrt. Kann Elena ihren Geliebten retten?
Nalini Singh wurde auf den Fidschi-Inseln geboren und ist in Neuseeland aufgewachsen. Nach verschiedenen Tätigkeiten begann sie 2003 eine Karriere als Autorin von Liebesromanen. Mit ihrer Gestaltwandlerserie und der Gilde der Jäger feiert sie international große Erfolge.
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1
Eingehüllt in die seidigen Schatten der Nacht, war New York unverändert – und zugleich nicht mehr wiederzuerkennen. Früher hatte Elena vom Fenster ihrer hübschen kleinen Wohnung aus zugesehen, wie die Engel in der Ferne von dem lichtdurchfluteten schlanken Turm abflogen. Jetzt war sie selbst einer dieser Engel und stand hoch oben auf einem Balkon, der kein Geländer hatte, nichts, was sie vor einem tödlichen Sturz bewahren würde.
Doch jetzt würde sie natürlich nicht mehr fallen.
Denn ihre Flügel waren jetzt stärker. Sie war stärker.
Diese Flügel breitete sie nun aus und atmete tief die Luft ihrer Heimat ein. Eine Mischung von Gerüchen – nach Gewürzen und Rauch, menschlich und vampirisch, erdig und raffiniert – brach mit dem wilden Fieber eines Gewitters über sie herein und hieß sie willkommen. Ihre Brust, die so lange wie zugeschnürt gewesen war, weitete sich, und sie breitete die Flügel zu ihrer vollen Spannweite aus. Es war an der Zeit, ihn zu erkunden, diesen vertrauten Ort, der wieder fremd geworden, ihr Zuhause, das plötzlich wieder ganz neu war.
Sie stürzte sich von dem Balkon hinab und rauschte auf Luftströmen über Manhattan, die den kühlen Hauch des Frühlings mit sich trugen. Die helle, grüne Jahreszeit hielt nun Hof, hatte den Schnee schmelzen lassen, der die Stadt den Winter über fest im Griff gehabt hatte. Der Sommer war noch nicht einmal als pfirsichfarbenes Erröten am Horizont zu erkennen. Es war die Zeit der Wiedergeburt, des Blühens, der Vogelkinder – strahlend und jung und zerbrechlich, selbst in der wilden Hektik einer Stadt, die niemals schlief.
Zu Hause. Ich bin zu Hause.
Während sie sich von den Luftströmungen ziellos über die diamantenen Lichter der Stadt treiben ließ, probierte sie ihre Kräfte aus.
Stärker.
Aber immer noch schwach. Eine Unsterbliche, die gerade erst erschaffen worden war.
Eine, deren Herz auf schmerzhafte Weise sterblich geblieben war.
Daher war sie nicht überrascht, als sie vergeblich versuchte, vor den großen Spiegelglasfenstern ihrer Wohnung zu schweben. Sie hatte dieses Manöver noch nicht gelernt, und so sackte sie immer wieder ab und musste sich mit schnellen Flügelschlägen wieder nach oben kämpfen. Doch in den wenigen Augenblicken, in denen sie sich halten konnte, hatte sie erkannt, dass die einst zersplitterte Fensterscheibe zwar makellos repariert worden war, die Zimmer jedoch leer waren.
Nicht einmal ein Blutfleck auf dem Teppich markierte die Stelle, an der sie Raphaels Blut vergossen hatte, an der sie versucht hatte, die karmesinroten Ströme aufzuhalten, bis ihre Hände denselben mörderischen Farbton angenommen hatten.
Elena.
Der frische, wilde Geruch von Wind und Regen umhüllte sie und erfüllte sie ganz. Dann legten sich starke Hände um ihre Hüften, und Raphael hob sie mühelos in die richtige Position, damit sie ruhig in die Wohnung hineinsehen konnte. Sie hatte sich mit den flach ausgestreckten Händen an die Fensterscheibe gelehnt.
Leere.
Nichts war mehr übrig geblieben von dem kostbaren Heim, das sie sich Stück für Stück geschaffen hatte.
»Du musst mir beibringen, wie man schwebt«, zwang sie sich zu sagen, obwohl ihr der Verlust wie ein Kloß in der Kehle saß. Es waren nur ein Ort und nur Gegenstände. »Es ist eine hervorragende Methode, um mögliche Ziele auszuspähen.«
»Ich habe vor, dir eine Menge Dinge beizubringen.« Der Erzengel von New York zog sie näher an sich heran, sodass ihre Flügel zwischen ihnen gefangen waren, und drückte die Lippen auf ihr Ohrläppchen. »Du bist voller Kummer.«
Der Instinkt riet ihr zu lügen, um sich zu schützen. Doch darüber waren sie hinaus, sie und ihr Erzengel. »Wahrscheinlich habe ich irgendwie erwartet, dass meine Wohnung noch da wäre. Sara hat mir nichts davon gesagt, als sie mir meine Sachen schickte.« Und ihre beste Freundin hatte sie noch nie angelogen.
»Bei Saras Besuch war auch alles noch so, wie du es verlassen hattest«, sagte Raphael und zog sich so weit zurück, dass sie ihre Flügel ausbreiten und ihren Körper wieder im Luftstrom ausrichten konnte. Komm mit. Ich möchte dir etwas zeigen.
Die Worte waren in ihrem Kopf, ebenso wie der Wind und der Regen. Sie forderte ihn nicht auf, aus ihrem Geist zu verschwinden, denn sie wusste, dass er sich nicht dort befand. Diese Art, wie sie ihn so tief in sich spüren konnte, die Leichtigkeit, mit der sie mit ihm sprechen konnte, waren Teil dieses unbeschreiblichen Etwas, das sie miteinander verband … dieses spannende, verworrene Gefühl, das alte Narben verschwinden ließ und neue Verletzlichkeiten schuf, wenn es feurig über ihre Seele peitschte.
Doch als sie ihn durch das satte Schwarz des Himmels über der glitzernden Stadt fliegen sah, ihren Erzengel mit seinen weißgoldenen Flügeln und seinen Augen aus unerbittlich tiefem Blau, tat es ihr nicht leid. Sie wollte die Uhr nicht zurückdrehen, wollte nicht zurück in ein Leben, in dem sie nie in den Armen eines Erzengels gelegen hatte, niemals gefühlt hatte, wie ihr Herz zerrissen und zu etwas Stärkerem zusammengesetzt worden war – etwas, das zu solch rasenden Emotionen fähig war, dass es ihr manchmal Angst einflößte. Wohin bringst du mich, Erzengel?
Geduld, Gildenjägerin.
Sie lächelte. Die Trauer über den Verlust ihrer Wohnung wurde von einer Welle der Belustigung hinweggespült. Sooft er auch verfügt hatte, dass ihre Loyalität nun den Engeln und nicht mehr der Gilde der Jäger galt, konnte er doch nicht verhehlen, was er in ihr sah: eine Jägerin, eine Kriegerin. Sie stürzte sich in die Tiefe unter ihm, um sich dann mit harten, starken Flügelschlägen durch die beißende Frische der Luft emporzuschwingen. Ihr Rücken und die Muskulatur ihrer Schultern protestierten gegen diese Akrobatik, doch es machte viel zu viel Spaß, als dass sie sich darum gekümmert hätte. In ein paar Stunden würde sie mit Sicherheit dafür bezahlen, aber jetzt fühlte sie sich frei und geschützt in der Dunkelheit.
»Glaubst du, dass uns jemand zusieht?«, fragte sie außer Atem vor Anstrengung, als sie wieder auf gleicher Höhe waren.
»Vielleicht. Aber die Dunkelheit wird deine Identität vorerst verbergen.«
Morgen bei Tagesanbruch, das wusste sie, würde der Zirkus losgehen. Ein erschaffener Engel … Selbst für die Ältesten unter den Vampiren und Engeln war sie ein Kuriosum. Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie die menschliche Bevölkerung reagieren würde. »Kannst du nicht deine Gruselnummer abziehen, um sie auf Abstand zu halten?« Doch schon während sie das sagte, wusste sie, dass es nicht die Reaktionen der Allgemeinheit waren, die ihr Sorgen bereiteten.
Ihr Vater … Nein. Sie würde nicht über Jeffrey nachdenken. Nicht heute Nacht.
Gerade schob sie die Gedanken an den Mann, der sie verstoßen hatte, als sie kaum achtzehn gewesen war, gewaltsam beiseite, da flog Raphael in einem Bogen über den Hudson und stieß so schnell und unvermittelt in die Tiefe, dass sie kurz aufschrie, bevor sie es schaffte, sich wieder zu beruhigen. Der Erzengel von New York war ein teuflisch guter Flieger – er glitt so dicht über das Wasser, dass er mit den Fingern durch die tosende Kälte hätte streifen können, bevor er wieder steil hochstieg. Angeberei.
Für sie.
Ihr wurde leicht ums Herz, ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
Während sie sich ein Stück tiefer sinken ließ, um gemeinsam mit ihm in geringerer Höhe weiterzufliegen, beobachtete sie, wie der Nachtwind ihm das glatte, ebenholzfarbene Haar ins Gesicht wehte, als könne er der Versuchung, ihn zu berühren, nicht widerstehen.
Das würde nichts bringen.
»Was?« Fasziniert von der fast grausamen Schönheit dieses Mannes, den sie ihren Geliebten zu nennen wagte, hatte sie ganz vergessen, was sie ihn gefragt hatte.
Dass ich ihnen Angst einjage und sie verscheuche – du bist keine Frau, die zurückgezogen leben kann.
»Leider. Da hast du recht.« Sie wand sich unter dem beunruhigenden Ziehen ihrer Schultermuskeln. »Ich glaube, ich muss gleich landen.« Ihr Körper war im Kampf gegen Lijuan verwundet worden, in einer...




